Culture | Fotografie

Vater Falke

Die Ausstellung „Please, don’t ever come down“ Martina Zanins, derzeit im Fotoforum Bozen zu sehen, darf man als ambivalente Metapher einer Vater-Tochter Beziehung lesen.
Please, don’t ever come down: Eine Totale der Ausstellung
Foto: Martina Zanin/Foto Forum
Zwischen größtmöglicher Distanz und emotionaler Verschränkung - zwei nur auf den ersten Blick gegensätzlichen Polen - schwebt ein Falke in der Luft, Vater Falke der für „manche Menschen, solche wie mein Vater“, steht. Sie sähen in anderen Menschen nichts als Beute und wären nicht in der Lage Beziehungen einzugehen, seien Einzelgänger, die „andere Menschen, Hasen oder Kaninchen gleich, verletzen.“
Das Urteil, welches Zanin in ihrem Einleitungstext schreibt, wirkt hart, besonders da diese Figur stark undurchdringlich wirkt, sowohl aus der Distanz, wie auch aus nächster Nähe. Es ist die Ausstellung, die den persönlichen Generationenkonflikt verklausuliert in der Raubtiermetapher thematisiert, klar in ein „oben“ und „unten“ geteilt. Die Darstellung ist hierarchisch und nie steht der Hase über dem Falken.
In zahlreichen Fotografien, sowohl professionell entwickelten Bildern, als auch Auszügen aus dem Familienarchiv, einer Audioarbeit, zwei Videos, einseitigen Chat-Verläufen und einer Skulptur, bleibt dennoch eine Faszination für den Falken spürbar und man fragt sich: Soll dieser nicht herunterkommen weil der Ausgang seines Sturzfluges fatale Folgen haben könnte oder weil es, was in der Beziehung zu den Eltern vorkommt, das Ideal des Vaters ist, das da „oben“ steht? Diese Ideale werden aus kurzer Sicht, wenn kein Raum mehr für ein Ideal besteht, gerne brüchig.
 
Please, don’t ever come down: Gesten, Details und Metaphern
Please, don’t ever come down: Gesten, Details und Metaphern im künstlerisch-spielerischem Licht. ​​​​​​​| Foto: Martina Zanin/Foto Forum
 
Eingangs grüßt uns jedenfalls lautes, verzerrtes Audio eines größtenteils unverständlichen Dialogs von Vater und Tochter, welche sich über die zu diesem Zeitpunkt noch im Projektstatus begriffenen Ausstellung unterhalten. Unverständnis beim Besucher und, so glaubt man zu hören, beim Vater. Die Aufschlüsselung oder Übersetzung einer Vater-Tochter Beziehung ist von Widersprüchlichkeiten und Konfliktpotential geprägt, das weiß und thematisiert die Künstlerin, welche klar markiert, dass ihre Sicht auf die Dinge einseitig ist: In den Chatverläufen an „Dear F.“ adressiert, spiegelt sich eine Reflexion der Unmöglichkeit, sowohl der Loslösung als auch der Annäherung, was nicht nur durch den auf einen Buchstaben reduzierten Namen deutlich wird.
 
Please, don’t ever come down: Hände wie Krallen am Arm auf einem Familienfoto
Please, don’t ever come down: Hände wie Krallen am Arm auf einem Familienfoto. Foto: Martina Zanin/Foto Forum
 
Etwas erinnert das auch an die bekannte Randnotiz Kafkas im eigenen Tagebuch, „Gedanken an Freud natürlich“, am 23. September 1912. Dass die einzelnen Einträge mit Tagen und Monaten markiert sind und sich an allen vier Seiten des Raumes finden, aber auf eine Jahreszahl verzichtet wird, unterstreicht den Eindruck, dass diese Beziehung zyklisch ist und es kein Ausbrechen aus festgefahrenen Kommunikationsmustern (in Abhängigkeit und Schweigen) gibt.
Sicher sind auch Vater-Tochter und Vater-Sohn-Beziehungen nicht gleichzusetzen - wie alle Eltern-Kind-Beziehungen - was das Unterfangen Zanins trotz Metapher zutiefst persönlich macht. Die Skulptur, ein Falkenkopf mit leuchtenden Glasaugen, hinter denen in zig-facher Handschrift das Wort „preda“ steht, wirkt da wie eine etwas plumpe Anklage. Will man hier den Jagdinstinkt eines Falken mit persönlichen, oft unwillentlich stattfindenden Verletzungen auf emotionaler Ebene gleichsetzen? Auch ein Falke ist nicht bloß Jäger.
 
Please, don’t ever come down: Der Vater im Flug auf einem Archivfoto
Please, don’t ever come down: Der Vater im Flug auf einem Foto aus dem Familienarchiv. | Foto: Martina Zanin/Foto Forum
 
Trotzdem ist da Faszination, die in Worten und Bildern mitschwingt. Die ausgebreiteten Arme beim Motocross fahren, im Sprung ein Schnappschuss für das Familienalbum, das zärtliche Auge in Auge einer Falknerin und eines Falken oder aber der Flug mit der Kamera am Rücken, unter welchem ein Hase durchs Feld hoppelt. Die in der Ausstellung gesammelten Perspektiven kann und will die Künstlerin nicht auflösen, sie bleiben in der Schwebe.