Politics | Meran

(K)eine Vision ohne Geld

Mit der Übergabe der Rossi-Kaserne vom Land an die Gemeinde soll der Startschuss für die Nutzung des Areals fallen. Was noch fehlt sind konkrete Projekte.
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Foto: Salto.bz
„Unsere Städte sind voller Löcher“, erklärt Francesco Gastaldi, Professor an der Universität IUAV in Venedig, im Bürger:innensaal von Meran. Es ist der 12. Oktober und der letzte Abend der Veranstaltungsreihe zur Zukunft des Kasernenareals im Süden der Stadt. Neben den Vorträgen von drei Experten werden sich auch Bürgermeister Dario Dal Medico, seine Stellvertreterin Katharina Zeller und Vermögenslandesrat Massimo Bessone äußern.
Gastaldi beschäftigt sich als außerordentlicher Professor für Stadtplanung unter anderem mit der lokalen Entwicklungspolitik verlassener Orte – von ehemaligen Diskotheken, Sportanlagen und Hotels über aufgelassene Industrien bis hin zu nicht mehr genutzten Militärarealen. „Diese Orte bieten großartige Möglichkeiten für die Stadtentwicklung, die man nicht vergeuden sollte, auch wenn wir in einem Zeitalter der Unsicherheit leben“, so Gastaldi.
Denn das Schlimmste wäre, wenn ein zerstückelter Stadtteil ohne Gesamtkonzept entsteht.
Gleichzeitig gesteht der Experte ein, dass im Fall der italienischen Militärareale nicht alle Strukturen neu genutzt werden können, beispielsweise sei das bei einer ehemaligen Kaserne in einer Ortschaft mit 1.000 Einwohner:innen in den Alpen wenig wahrscheinlich. Die anderen beiden Experten Tommaso Dal Bosco von der Vereinigung AUDIS (Association of Disused Urban Areas) und Raumplaner Federico Camerin betonen hier die Wichtigkeit wirtschaftlicher Anreize, um auch private Investoren zu überzeugen. In einer Stadt wie Meran sei die Lage aber durchaus positiv zu bewerten.
 

Keine Hauruck-Aktion

 
Eine leichte und schnell zu lösende Aufgabe ist die zukünftige Nutzung eines großen Teils des Kasernengeländes trotzdem nicht: „Das Areal ist eine große Herausforderung, wir dürfen nicht darauf bedacht sein, sofort eine Lösung zu finden“, sagt Bürgermeister Dario Dal Medico im Hinblick auf das 31 Hektar große Gebiet in der Gampenstraße von Meran. Bisher sind mit der Rossi-Kaserne erst vier Hektar vom Staat an das Land übergegangen.
In der Einladungsbroschüre der Veranstaltungsreihe mit dem großspurigen Titel „Die neue Stadt“ steht: „Meran selbst hat nur eine ungefähre Vorstellung von der Geschichte und der Größe dieses Areals, das einst am Stadtrand lag und heute strategisch in das Stadtgefüge integriert ist.“ Mit einer Art kollektiven Wiederentdeckung und dem Austausch mit Expert:innen soll die Grundlage für eine gemeinsame Visionsentwicklung geschaffen werden. Interessierte Architekt:innen sind am letzten Abend in beträchtlicher Zahl der Einladung gefolgt, wie auch Landesrat Bessone freudig bemerkt.
 
 
Der Meraner Stadtregierung sei laut dem Einladungsschreiben bewusst, dass die Umgestaltung und Nutzung des Kasernenareals ein komplexer Prozess ist. „Wir wollen diese Herausforderung annehmen und der erste Schritt dabei ist das Kennenlernen. Das haben wir an diesen drei Abenden gemacht und wir werden es weiterführen“, sagt Dal Medico.
Fest steht bisher nur, dass die SASA einen kleinen Teil der Rossi-Kaserne als Stellplatz für ihren Fuhrpark erhält und die bestehende Bausubstanz so weit wie möglich erhalten werden soll. Darüber hinaus wollen sowohl Dal Medico als auch Vizebürgermeisterin Katharina Zeller keine Entscheidung im sechsköpfigen Gemeindeausschuss hinter verschlossenen Türen treffen, sondern die Stadt miteinbinden.
Eine ausführliche Antwort auf die Frage der ehemaligen Grünen-Politikerin Cristina Kury, wie die Bürger:innenbeteiligung im Detail aussehen soll, geben die Beiden aber nicht.
 

Das Tauschgeschäft

 
Landesrat Bessone folgt bei der Ausarbeitung des Tauschgeschäfts für die Rossi-Kaserne zwischen Land und Gemeinde der Linie von Landeshauptmann Arno Kompatscher. Dieser hatte am vergangenen Montag beim Auftakt der Veranstaltungsreihe klargestellt, dass das Areal für die SASA im Landesbesitz bleiben wird und der restliche Teil zum selben Preis an die Gemeinde gehen könnte, der bereits vom Land an die Staatsgüter-Agentur gezahlt wurde. Gemunkelt wird, dass diese Summe sich auf rund 21 Millionen Euro beläuft.
„Wir schenken nichts, aber wir werden versuchen, der Bevölkerung von Meran entgegenzukommen“, erklärt Bessone im Bürger:innensaal. Dabei spiele es auch eine Rolle, ob Meran die Rossi-Kaserne an private Investoren vergibt oder sie für das Allgemeinwohl zur Verfügung stellt.
 

Zwischennutzung als Wegbereiter

 
Auf der einen Seite haben wir noch Zeit, weil noch nicht das ganze Areal an das Land übergegangen ist. Bis zu diesem Zeitpunkt sollten wir dann eine Vision und ein Gesamtkonzept haben. Denn das Schlimmste wäre, wenn ein zerstückelter Stadtteil ohne Gesamtkonzept entsteht“, so Zeller. Was die Zwischennutzung der Rossi-Kaserne anbelangt, habe die Gemeinde bereits viele Anfragen erhalten. „Eine konkrete Idee für die Zwischennutzung ist, dass hier Raum für Kulturschaffende, Vereine und die Jugend, für all das, was unserer Stadt im Moment fehlt, geschaffen wird“, sagt sie.
Deshalb wird ein Teil sicherlich einer privaten Nutzung zukommen müssen.
Sobald die Gemeinde über die Rossi-Kaserne verfügt, soll geprüft werden, in welchem Zustand sie sich befindet und welche Instandhaltungs- oder Renovierungsarbeiten für die Zwischennutzung durchgeführt werden müssen. „Dabei ist mir ein großer Wunsch, das Team der Basis Vinschgau miteinzubinden, das mit der Bildung eines Social Innovation Hub ein Vorzeigeprojekt in unserem Land umgesetzt hat. So etwas bräuchte Meran meiner Ansicht nach auch“, sagt Zeller. Ein solches Projekt für Innovation und Entwicklung könnte wegweisend dafür sein, welche Vision die Stadt für das gesamte Kasernenareal ausarbeiten möchte.
„Ich denke, dass in Meran glücklicherweise nicht die Notwendigkeit besteht, auf dem Kasernenareal besonders viele Flächen für Wohnungen zu reservieren, da wir sehr viele brachliegende, ehemalige Gewerbegebiete haben, die sich dafür anbieten“, sagt die Vizebürgermeisterin mit Blick auf den fehlenden bezahlbaren Wohnraum. Es lägen dafür bereits mehrere Projekte auf dem Tisch, die zurzeit bewertet werden.
 

Die Frage der Finanzierung

 
„Natürlich müssen wir schauen, wie das Ganze finanzierbar ist. Deshalb wird ein Teil sicherlich einer privaten Nutzung zukommen müssen“, so Zeller. Das sei kein Geheimnis. „Es gibt aber noch keine Entscheidungen und der nächste Schritt soll sein, einen Prozess einzuleiten, wo wir uns mit allen Interessierten, mit den Meranerinnen und Meranern über Ideen austauschen.“
 
 
Allerdings sei angesichts der Größe des Areals wichtig, auch mit dem Land zusammenzuarbeiten, etwa durch die Gründung einer gemeinsamen Gesellschaft für den operativen Teil. Landeshauptmann Kompatscher hat bereits vorgeschlagen, dass das Land über den Euregio+ Fonds der Gemeinde Kapital mit niedrigem, gesichertem Zinssatz zur Verfügung stellt. „Das Land spielt sozusagen Bank“, sagte er am Montag plakativ.
Die Meraner Oppositionspartei Liste Rösch / Grüne steht dem Euregio+ Fonds skeptisch gegenüber: „Wir begrüßen, dass das Wort jetzt an die Gemeinde und vor allem an die Meraner Bürger:innen gehen soll”, sagt Madeleine Rohrer, die Sprecherin der Grünen im Gemeinderat.
Dann folgt sogleich das Aber: „Es gibt zwei Möglichkeiten, die das Land anbietet: den Kauf zu Marktpreisen, was die Gemeinde viele Millionen kosten würde. Oder eine Partnerschaft mit der öffentlichen Kapitalagentur namens Euregio+, wo die Gemeinde zwar keine großen Ausgaben hätte, in ihrer Entscheidungsfreiheit zur Nutzung des Areals aber stark eingeschränkt wäre“, so Rohrer. Auch Grünen-Gemeinderätin Olivia Kieser warnt: „Eine Zusammenarbeit mit dieser Agentur könnte die Verwirklichung der Vision erschweren, einen neuen Stadtteil zu schaffen, der der sozialen und kulturellen Nutzung den Vorrang gibt und aufgrund einer breiten Beteiligung der Bevölkerung entsteht.“