Society | Winter

Der Tote in den Weinbergen

Ein Südtiroler hat sich mehrmals geweigert in die Notschlafstätte von Brixen zu gehen. Nun ist dem Obdachlosen die Kälte der letzten Tage zum Verhängnis geworden.
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Foto: Unsplash
Gestern (13.12.2022) Nachmittag wurde in der Brixner Fraktion Elvas der Leichnam eines Südtirolers gefunden. Der Obdachlose lebte in einer alten Weinberghütte und hatte es mehrmals abgelehnt, in die Notschlafstätte von Brixen zu gehen. „Er wollte nicht in die Struktur gebracht werden“, erklärt Bürgermeister Peter Brunner. Nun ist ihm die Kälte zum tödlichen Verhängnis geworden. „Es war für uns überraschend. Er hat immer gesagt, er braucht nichts und will in den Weinbergen leben. Vor kurzem war er noch von einem freiwilligen Hausarzt untersucht worden“, so Walter Baumgartner, Präsident der Bezirksgemeinschaft Brixen.
Der 64-Jährige war von Bekannten und Verwandten mit Essen versorgt worden und galt seit 2018 unauffindbar. Zuvor hatte der Mann lange Zeit in Deutschland gelebt. „Es ist ein tragischer Fall. Die Hilfe ist da, sie muss aber auch angenommen werden“, so Brunner. Die Notschlafstätte in Brixen bietet elf Schlafplätze und hat noch Betten frei.
Vergangene Woche starb bereits ein 19-jähriger Ägypter in Bozen Süd bei der Messe aufgrund der tödlichen Kälte. Freunde fanden seinen Leichnam am Freitagmorgen. Sein Kältetod hat in Südtirol eine Welle des Entsetzens ausgelöst, Bischof Ivo Muser forderte die Gesellschaft auf, nicht wegzuschauen und nach einer gemeinsamen Lösung zu suchen.
 

Neue Schlafplätze

 
In einer Online-Videokonferenz haben sich am vergangenen Montag (12.12.2022) Landeshauptmann Arno Kompatscher und Soziallandesrätin Waltraud Deeg mit dem Präsidenten des Gemeindenverbandes Andreas Schatzer und den Präsidenten der Bezirksgemeinschaften zur aktuellen Herausforderung der Schaffung neuer Kälteunterkünfte befasst. 
 
 
Man sei sich darin einig, dass es nun schnelle und konkrete Hilfe brauche, um obdachlose Menschen vor der Kälte zu schützen: „Wir müssen dafür Sorge tragen, dass Menschen nicht draußen in der Kälte übernachten müssen und dabei ihre Gesundheit oder gar ihr Leben riskieren. Es braucht darum unmittelbar mindestens 50 Plätze, in den nächsten Wochen weitere 100 Plätze, an denen obdachlose Menschen die Nacht verbringen können“, so Kompatscher. Parallel dazu werde an mittel- und langfristigen Strategien gearbeitet, vor allem um die Landeshauptstadt Bozen, aber auch um andere Gemeinden künftig besser in diesem Bereich unterstützen zu können.
Konkrete Schlafplätze könnten möglichst zeitnah in landeseigenen Gebäuden entstehen. Derzeit wird technisch überprüft, rund 50 Plätze in Eppan auf dem Gelände der Mercanti-Kaserne zugänglich zu machen. Diese waren als CAS-Einrichtung (Centro di Accoglienza Straordiniaria) als Unterbringung für Flüchtlinge genutzt worden. Die Einrichtung steht derzeit leer. In der Bezirksgemeinschaft Vinschgau können zudem zehn Schlafplätze unmittelbar bereitgestellt werden. Auch in anderen Bezirksgemeinschaften könnten in landeseigenen Gebäuden Schlafplätze eingerichtet werden. Hierfür laufen derzeit die Überprüfungsarbeiten, ob die Räumlichkeiten geeignet sind oder kurzfristig entsprechend angepasst werden können. 
Der Bozner Bürgermeister Renzo Caramaschi und Sozialstadtrat Juri Andriollo betonten, dass die Landeshauptstadt die Aufgabe nicht alleine schultern könne. Die Präsidenten der Bezirksgemeinschaften sicherten ihrerseits die Bereitschaft zu, geeignete Einrichtungen und Räumlichkeiten ausfindig zu machen und sich zeitnah dazu auszutauschen.
Parallel zur kurzfristigen Schaffung von Schlafplätzen arbeiten Land und Gemeinden zudem am Ausbau des Netzwerks der CAS-Einrichtungen. In diesem finden Asylbewerbende eine vorübergehende Unterkunft. Dabei werden von staatlicher Seite die Voraussetzungen festgelegt und überprüft, das Land trägt anschließend Sorge für eine Unterbringung in geeigneten Räumlichkeiten. Derzeit sucht das Land vor allem nach Räumlichkeiten, die auch von Familien genutzt werden können.