Atomenergie: ein Faktencheck
Am 31. Dezember 2021 veröffentlichte die EU-Kommission einen Entwurf mit dem Vorschlag unter bestimmten Bedingungen Investitionen in Atomkraftwerke als klimafreundlich einzustufen und Atomenergie in die EU-Taxonomie* für nachhaltige Wirtschaftsaktivitäten und Energieformen aufzunehmen. Investitionen in neue Kernkraftwerke sollen demnach dann als grün klassifiziert werden können, wenn die Anlagen neuesten technischen Standards entsprechen und ein konkreter Plan für den Betrieb einer Entsorgungsanlage für hoch radioaktive Abfälle ab spätestens 2050 vorgelegt wird. Vor allem Frankreich und osteuropäische EU-Länder wollen Atomenergie für „nachhaltig“ erklären lassen. In Ländern wie Deutschland und Österreich löste der Vorschlag der EU-Kommission Empörung aus. Laut Expertenmeinung sind die Chancen das Vorhaben zu stoppen jedoch eher gering, denn dazu würde es eine Mehrheit von 20 der 27 Mitgliedstaaten brauchen, die zudem 65 % der EU-Einwohner ausmachen müsste.
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Welchen Anteil hat Atomstrom an der Stromerzeugung in den EU-Ländern?
In 13 der 27 EU-Länder gibt es Atomkraftwerke. In den restlichen 14 EU-Ländern gab es entweder nie Atomkraftwerke oder sie haben, so wie Italien die bestehenden Atomkraftwerke stillgelegt**. Deutschland hat nach der Atomkatastrophe im japanischen Fukushima im Jahr 2011 beschlossen die Atomkraftwerke sukzessive abzuschalten. Ende 2021 wurden drei Atomkraftwerke vom Netz genommen und die noch bestehenden sollen Ende 2022 geschlossen werden.
Der Anteil der Nutzung der Kernenergie zur Elektrizitätsgewinnung in den EU-Ländern variiert je nach Land sehr stark. Mit einem Atomstrom- Anteil von über 70% an der Stromgewinnung liegt Frankreich*** nicht nur EU-weit, sondern auch weltweit an erster Stelle. An zweiter Stelle in der EU rangiert die Slowakei mit 53% vor Ungarn (48,0%), Bulgarien (40,8%), Belgien (39,1%), Slowenien (37,8%), Tschechien (37,3%) und Finnland (33,9%). Im Durchschnitt betrug der Anteil von Atomstrom an der Stromgewinnung in der EU im Jahr 2020 fast 25%.
Laut Internationaler Atomenergiebehörde befinden sich derzeit in Frankreich, Finnland und der Slowakei neue Atomkraftwerke im Bau.
Im Jahr 2020 hatte Atomenergie einen Anteil von 11% am gesamten Energieverbrauch in der EU.
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Die Bedeutung von Atomstrom im weltweiten Energiemix
Im Jahr 2020 betrug der Anteil von Atomstrom an der gesamten Elektrizitätserzeugung weltweit 10,1%, während Atomenergie am gesamten weltweiten Primär-Energieverbrauch 4,3% ausmachte. Weltweit waren im Jahr 2020 442 Atomkraftwerke mit einer Kapazität von 392,6 Gigawatt in Betrieb. 43 Kernkraftwerke mit einer Kapazität von 48 Gigawatt befinden sich im Bau. Insgesamt gab es im Jahr 2020 weltweit 32 Länder, die Strom aus Atomkraftwerken herstellen.
Mit einer Atomenergie-Kapazität von 51,4 Gigawatt stehen die USA weltweit an der Spitze, gefolgt von Frankreich (50,8 Gigawatt), China (31,7 Gigawatt), Japan (27,7 Gigawatt) und Russland (23,1%), dann folgen Südkorea, Kanada, die Ukraine, das Vereinigte Königreich und Spanien. Neben OECD-Ländern und Russland, rangiert auch das wirtschaftlich immer mächtiger werdende China unter die Top 5 Länder mit der größten Kernenergie-Kapazität.
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Ein Rückblick
Die zivile Nutzung der Atomenergie zur Stromerzeugung begann um die Mitte der 1950er Jahre. Im Jahr 1957 wurde zum Zwecke der friedlichen Nutzung der Kernenergie die Internationale Atomenergie-Behörde (IAEA) gegründet, die ihren Sitz in Wien hat. In den darauffolgenden Jahren bis Ende der 1980iger Jahre stieg die Anzahl der Atomkraftwerke und die Kapazität zur Stromerzeugung stark an, danach blieb die Anzahl der Atomkraftwerke weniger oder mehr konstant.
Seit den 1970er Jahren kam es in vielen Ländern zu Anti-Atomkraft-Bewegungen, da viele Bürger wegen der großen Risiken die zivile Nutzung der Atomenergie ablehnten. Der Reaktorunfall im Kernkraftwerk Tschernobyl in der heutigen Ukraine im Jahr 1986, die bis dahin größte Katastrophe in der Geschichte der zivilen Nutzung der Kernenergie, hat das schon vorher von vielen Menschen angezweifelte Vertrauen in die Kernenergie weltweit erschüttert und hatte auch Folgen für die Nutzung der Atomenergie. Besonders für Europa war Tschernobyl eine Zäsur, der Glaube in die „sichere“ Atomenergie war erschüttert. Die meisten Pläne für neue Atomkraftwerke wurden aufgegeben und auch bereits fertiggestellte und fast fertige Atomkraftwerke gingen nicht mehr in Betrieb. Italien beschloss damals den Ausstieg aus der Atomenergie und nahm bis 1987 alle vier bestehenden Reaktoren vom Netz. Weltweit verlangsamte sich das Wachstum der Atomenergie stark. Zudem führten auch niedrige Gaspreise zu einer geringeren Nutzung von Atomenergie.
Nach der verheerenden Atomkatastrophe von Fukushima in Japan im Jahre 2011 haben einige Länder, wie zum Beispiel Deutschland beschlossen, ihre Pläne zum Ausbau ihres Atomprogramms zu stoppen und stufenweise ihre Atomkraftwerke schließen. In den darauffolgenden Jahren ist die weltweite Nutzung von Atomstrom gesunken, vor allem weil Japan nach Fukushima viele Kraftwerke geschlossen hat, aber auch in Europa ist die Nutzung von Atomstrom leicht zurückgegangen. Inzwischen steigt der Verbrauch wieder, Hauptgrund dafür ist die Inbetriebnahme neuer Kraftwerke in China. 2020 kam es als Folge der Coronapandemie weltweit zu einem Rückgang des Atomstrom-Verbrauchs.
Schaut man sich die Verteilung der Kernenergie nach Regionen an, so ergibt sich ein differenziertes Bild. Nordamerika hat die höchste Kapazität vor Westeuropa, Asien & Ferner Osten und Mittel- und Osteuropa.
Von den derzeit im Bau befindlichen Atomkraftwerke befinden sich die meisten in Asien, an erster Stelle liegt China mit 14 Kernkraftwerken, gefolgt von Indien mit 6, Südkorea und Russland mit je 4 und der Türkei mit 3. In 14 weiteren Ländern werden neue Kernkraftwerke errichtet, darunter auch in den EU-Ländern Frankreich, Finnland und der Slowakei.
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Zukunft der Atomenergie
Schaut man sich die diversen Zukunftsprognosen für die nächsten 20 bis 30 Jahre an, so wird der Anteil von Atomenergie am Gesamtenergie-Verbrauch moderat ansteigen. Zusätzlich zu den 43 derzeit im Bau befindlichen Kernkraftwerken befinden sich laut Daten der World Nuclear Association an die 100 Atomkraftwerke in der Planung- und Genehmigungsphase. Auch hier liegt China mit 35 Kernkraftwerken an der Spitze, gefolgt von Russland (27) und Indien (12). Wenn der Vorschlag der EU-Kommission Atomkraftwerke im Rahmen der EU-Taxonomie als nachhaltig und klimafreundlich einzustufen, umgesetzt wird, dann werden wahrscheinlich auch in manchen EU-Ländern mehr neue Kernkraftwerke errichtet werden.
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*Die EU-Taxonomie ist ein Klassifizierungssystem, welches dazu dient Wirtschaftsaktivitäten auf ihre Klimawirksamkeit zu prüfen und entsprechend Investitionen an diesen Indikatoren auszurichten. Entsprechend diesem Klassifizierungssystem wird festgelegt, welche Energieformen bei den Förderungen im Rahmen des „Green Deal“ als sauber und klimafreundlich gelten. Es soll auch als Empfehlung an Investoren dienen um in nachhaltige Energie zu investieren und so den grünen Umbau der Wirtschaft zu finanzieren. Der „Green Deal“ ist ein im Dezember 2019 vorgestellter Plan der EU, der eine Reihe von Initiativen beinhaltet mit dem Ziel bis 2050 die EU klimaneutral und möglichst von fossilen Energien unabhängig zu machen. Bis 2050 sollen die EU-Länder nicht mehr Treibhausgas produzieren, als sie an Ausgleichsmaßnahmen wie Aufforstung und CO2-Speicherung kompensieren können.
Neben der Atomenergie will die EU-Kommission auch die Energiegewinnung aus Erdgas als klimafreundlich einstufen. Da die Stromnachfrage, auch wegen der Zunahme der Elektroautos in den kommenden Jahren stark zunehmen wird, wird es bis 2050 nach Einschätzung vieler Experten nicht gelingen allein durch mehr erneuerbare Energie Klimaneutralität zu erreichen. Welche Lösungen gibt es?
- Gas soll, obwohl es eine Fossile Energie ist, aber deutlich weniger CO2 verursacht, als Kohle, als sogenannte „Brückenenergie“ noch über einen längeren Zeitrahmen hinaus zur Stromgewinnung genutzt werden.
- Vermehrte Nutzung von Kernenergie würde auch zur Reduzierung von CO2 beitragen, da weniger fossile Energien im Stromgewinnungssektor verwendet würden,. Doch es bleibt das Risiko eines Atomunfalls, der verheerende Folgen haben kann (Beispiel Tschernobyl und Fukushima) und es bleibt auch die ungelöste Frage der Endlagerung des nicht wiederverwertbaren Anteils der verbrauchten Brennstäbe.
- Bleibt noch die Option den Stromverbrauch durch massive Einsparungen stark zu reduzieren.
Die Politik wird eine Lösung für diese großen Herausforderungen finden müssen.
**Nach der Atomkatastrophe von Tschernobyl im April 1986 gab es in Italien Ende 1987 eine Volksabstimmung, als Folge wurde der Ausstieg aus der nuklearen Stromerzeugung beschlossen. Italien war weltweit eines der ersten Länder, das Atomkraftwerke betrieb und gehörte zu den Gründungsmitgliedern der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEA) der UNO im Jahr 1957 und der europäischen Atomgemeinschaft EURATOM im Jahr 1958. Allerdings deckte Atomstrom in Italien nie mehr als 5 Prozent des Strombedarfs.
*** Der französische Konzern EDF (Électricité de France), der sich mehrheitlich in staatlicher Hand befindet, und zu den weltweit größten Stromerzeugern gehört, betreibt 56 Atom-Reaktoren an 18 Standorten in Frankreich.
Und nochmals zum Thema: Solar
Und nochmals zum Thema: Solar- oder Kernenergie
zur Entscheidung über die Einbeziehung der Atomenergie als „green“ ist es nun höchst an der Zeit und notwendig, dass Entscheidungsträgern der Länder, Staaten und der EU Folgendes noch vor der Entscheidung zur Kenntnis gebracht wird. Die afrikanische Mauer gegen den Klimawandel Eine "grüne Mauer" quer durch Afrika soll die Ausbreitung der Sahara Richtung Sahelgebiet stoppen. Kritiker halten den Ansatz für falsch Stefan Brändle aus Paris 14. Jänner 2021, 17:42 Zu diesem Artikel diese Anregungen: Anton Zischka hat schon gleich nach dem 2. Weltkrieg „Afrika - als Europas Gemeinschaftsaufgabe Nr. 1“ erkannt und Ing. Vichi hat sich vor mehr als 30 Jahren für den Staatskonzern IRI mit dem Thema der Wasserüberleitung aus dem Kongo unter dem Namen “Transaqua“ befasst. Bei der Klimakonferenz in Rio wurde für die Realisierung von "Transaqua" zur Wasserüberleitung aus dem Kongobecken zum Tschadsee geworben, doch leider wurde dieses von den Staaten nicht aufgegriffen. Ich habe das Thema weiterverfolgt und habe mich mit der schiffbaren Wasserüberleitung aus dem Kongo zum Tschadsee, durch Sahel und Sahara zum Mittelmeer befasst und empfinde daher die Nutzung der Wasserkraft des Kongo am Abfluss zum Atlantik wegen der Trockengebiete nördlich des Kongobeckens heute als nicht mehr zeitgemäß, denn: „Ein Quadrat von 700x700 km - die Fläche Frankreichs - nahe am Äquator könnte den Energiehunger der Welt stillen“ und die Fläche Österreichs den Strom für die Welt produzieren!! (Entnommen aus „Geht uns aus der Sonne“ des inzwischen verstorbenen Eu-Parlamentariers Hans Kronberger) - Dazu ein markantes Beispiel: Am Äthiopischen Stausee „GERD“ mit ca. 1800 km² Wasserspiegel werden 2,5 m³ Wasser pro m² Seeoberfläche verdunsten, wodurch die Stromproduktion aus Wasserkraft sich bis zu 10 % reduzieren wird und natürlich weniger Wasser im Nil abfließt und Ägypten erreicht. - Man könnte nun, um die Verdunstung zu meiden, die Seeoberfläche mit Photovoltaik abdecken und damit theoretisch etwa 400 TWh, also etwa das 20-fache der erwarteten Produktion dieses größten Wasserkraftwerkes von Afrika erzeugen und damit den Strombedarf z.B. Italiens mit erneuerbarer Energie decken, aber wichtiger wäre dort die Lösung des Konfliktes wegen des Nilwassers. Darum sollte die „Große grüne Mauer“ mit einem Photovoltaikgürtel ergänzt werden und die Energie über den Kongo-Mittelmeer-Kanal nach Europa geleitet werden. An der großen Kreuzung Wasserstraße/Große Grüne Mauer (Photovoltaikgürtel) findet die Übergabe Energie/Wasser statt. Die grüne Mauer könnte über Afrika hinaus bis nach Indochina reichen und so die Stromerzeugung auf möglichst lange Dauer auszudehnen. Für den Rest des Tages bietet die Wasserkraft den erforderlichen Ausgleich. - Wasser des Kongo soll daher wie ein 2. Nil als Wasserstraße vom Kongo- in das Tschadbecken, durch Sahel und Sahara zum Mittelmeer führen und auf dem Wege Wüste erblühen lassen. Das Konzept dazu entstammt aus dem AlpenKanalTunnel
Auch 2050 wird es nicht
Auch 2050 wird es nicht möglich sein, den Umgang mit der Atomkernspaltung poblemlos zu gestalten und den gefährlich strahlenden Abfall sicher zu verräumen. Wenn man die für die Atomkernspaltung vergeudeten Mittel, für eine vernünftige Klimapolitik eingesetzt hätte, könnte die Menschheit unbersorgter in die Zukunft blicken.
In reply to Auch 2050 wird es nicht by Josef Fulterer
...und wenn man das zumindest
...und wenn man das zumindest jetzt machen würde?