Virgl, gehts auch anders?
Sehr geehrter Herr Landeshauptmann Arno Kompatscher,
Sehr geehrter Herr Bürgermeister von Bozen, Renzo Caramaschi,
Sehr geehrte Landesrätinnen und Landesräte, sehr geehrte Landtagsabgeordnete,
Sehr geehrte Stadträtinnen und Gemeinderäte der Stadt Bozen!
Zur Kenntnis der Bevölkerung der Stadt Bozen
Als Bürger und aktive Teilnehmer an verschiedenen kulturellen, wirtschaftlichen, wissenschaftlichen und umweltbezogenen Initiativen der Stadt Bozen und der Autonomen Provinz Bozen wenden wir uns gemeinsam mit diesem offenen Brief an Sie in der Hoffnung, dass unsere Beobachtungen, Überlegungen und Forderungen Gehör finden und der von Signa vorgelegte Projektvorschlag „Viva Virglo“ nicht als Projekt von öffentlichem Interesse betrachtet wird. Dabei sollen in erster Linie die Bedürfnisse der Bürgerinnen und Bürger der Stadt Bozen und erst in zweiter Linie die Forderungen eines Privatunternehmens berücksichtigt werden.
Aufgrund einer Reihe allgemeiner Erwägungen und spezifischer Beobachtungen, ersuchen wir zu verhindern, dass ein Teil der Grünfläche des Virgls ausschließlich für private Gewinnabsichten und für den Tourismus und nicht zum Nutzen der Bozner Bürgerinnen und Bürger genutzt wird.
Im Folgenden werden zunächst einige allgemeine Überlegungen und anschließend spezifische Beobachtungen zum Signa-Vorschlag dargelegt.
ALLGEMEINE ÜBERLEGUNGEN
- Museumsquartier / Museumsspaziergang
Kulturelle Einrichtungen wie das Auditorium und die Museen sollten strategisch günstig gelegen und sowohl für die BürgerInnen als auch für die SchülerInnen und StudentInnen leicht zugänglich sein, damit sie die angebotenen Dienstleistungen auch für kurze Besuche nutzen können.
Ein Beispiel für einen möglichen neuen Standort ist das ehemalige Enel-Gebäude, das auf die Dantestraße und die Talferwiesen blickt und an einen Fahrradweg angeschlossen ist.
Ein nachhaltiger Tourismus sollte den "Hit-and-Run-Tourismus" vermeiden und stattdessen die BesucherInnen einladen, weitere Sehenswürdigkeiten der Stadt entlang der Fußgänger- und Fahrradwege zu entdecken, die vom Zentrum zu den Kulturstätten und in die verschiedenen Stadtviertel führen.
Aus diesen Gründen sollte der Standort des neuen Archäologiemuseums auf der Kultur-/Grünachse des Bozner Masterplans von 2010 bleiben, damit BürgerInnen und TouristInnen das bestehende Fußgänger- und Radwegenetz nutzen können.
- Every day for future strategy
Mit Bezug auf die 17 Nachhaltigkeitsziele, die von der Landesregierung im Rahmen der Strategie "Everyday for Future" vorgestellt wurden, muss der bestehende Umweltzustand auf dem Virgl erhalten und geschützt werden. Das bedeutet, dass die massive Bebauung von Grünflächen und die damit verbundene Versiegelung von bewaldeten Flächen nicht den Kriterien des Strategieplans der Landesregierung entspricht.
Der Flächenverbrauch und die Bebauung eines landschaftlich und naturwissenschaftlich wertvollen Gebiets, das Teil einer Stadt ist, in der die von den BürgerInnen nutzbaren Grünflächen begrenzt sind und unter den Landesstandards liegen, stünde in völligem Widerspruch zu den Angaben des Strategieplans.
- Das VivaVirgolo-Projekt der Signa ist kein nachhaltiger Vorschlag!
Der Vorschlag für ein Museum und ein Auditorium, ein Restaurant, ein Belvedere und eine Seilbahn wird als "nachhaltig" dargestellt, es sieht aber die Versiegelung von 4 Hektar landwirtschaftlicher Fläche/Wald einschließlich der dafür erforderlichen Fällung von Hunderten von Bäumen vor.
Das Gebiet ist derzeit für städtische Einrichtungen vorgesehen. Durch seine Nähe zu den Stadteilen Zentrum / Bozner Boden und Haslach / Oberau eignet es sich optimal für die Regeneration und die Freizeitgestaltung der BürgerInnen.
Die tägliche Ankunft von Hunderten von Menschen würde das alles beeinträchtigen und unweigerlich zu einer Verarmung der biologischen Vielfalt in einem Gebiet führen, das unter mehrfachem Schutz steht: landschaftlich, hydrogeologisch und archäologisch.
Das Projekt erfordert eine Bewertung der damit verbundenen Umweltauswirkungen, des Ressourcenverbrauchs und der Nachhaltigkeit.
Zudem ist bei der Erstellung von Plänen für gefährdete Gebiete, eine gründliche geologische und geotechnische Analyse und Untersuchung gemäß den Richtlinien erforderlich.
- Istrumente der Stadtplanung
Im Masterplan der Stadt Bozen, der vom Gemeinderat am 21.01.2010 genehmigt wurde, heißt es, dass die Entwicklung des Virgls im Einklang mit den spezifischen Bestimmungen des Landschaftsplans, des Ensembleschutzes und des strategischen Entwicklungsplans der Stadt Bozen erfolgen muss. In den Anlagen des Masterplans ist der Virgl als "Landschaftsschutzgebiet" mit der Bezeichnung "Virgl-Park" ausgewiesen, und zwar in einem kleinen Bereich (rings um die Bergstation/Tennisplätze kann im Rahmen der bestehenden Kubatur der heute bestehenden Gebäude), ausschließlich für „Sport- oder Freizeitanlagen von öffentlichem Interesse.“
Die Ausführungsbestimmungen des derzeit gültigen Bauleitplans erlauben die Nutzung von 1,49 Hektar Bauland und 8.950 Kubikmetern. Für das Projekt "VivaVirgolo" ist hingegen ein Bauvolumen von 180.000 Kubikmetern vorgesehen, was dem Volumen von ca. 600 Wohnungen zu 100 m² entspricht!
- Der Vorschlag steht nicht im Einklang mit den geltenden städtebaulichen Bestimmungen
"VivaVirgolo" sieht den Bau von 180 000 Kubikmetern vor, das sind 20-mal mehr als im Bauleitplan vorgesehen!
Außerdem würden die Bestimmungen des Ensembleschutz-Blattes Nr. 73 "Virgl" der Stadt Bozen nicht eingehalten, wo gemäß den Punkten 4, 5 und 6 insbesondere die sanfte Nutzung des Gebietes erhalten bleiben muß und das Landschaftsbild nicht wesentlich verändert werden darf.
Weiters würden mit „Vivavirgolo“ die Schutzbestimmungen des Landschaftsplans der Gemeinde Bozen, der mit Beschluss des Landeshauptmanns Nr. 377/28.1 vom 30. April 1998 genehmigt wurde, nicht eingehalten.
Während des partizipativen Prozesses zur Ausarbeitung des Grünplans von Bozen sprachen sich die BürgerInnen außerdem für die Schaffung eines Naherholungsgebiets auf dem Virgl für die BoznerInnen aus, das zum Großteil naturbelassen und in die Hangpromenaden um Bozen eingebettet ist und mit sanften Freizeiteinrichtungen ausgestattet (z.B. Naturschwimmbad, Wege, etc.)
- Der PUMS (Plan für nachhaltige urbane Mobilität)Die Wahl des Standortes von Museen sollte nicht durch die Nähe von Parkplätzen bestimmt werden. Die Museen sollen von Touristen, Bürgern, SchülerInnen und StudentInnen zu Fuß, mit dem Fahrrad oder mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreicht werden können, wie es in vielen anderen Städten der Fall ist und wie es in Bozen bereits jetzt der Fall ist. Dies mit dem Ziel, die Umwelt so wenig wie möglich zu belasten und das Zusammenleben zwischen TouristInnen und BürgerInnen zu verbessern.
- Auswirkungen auf den Stadtverkehr
Die vom Projekt versprochene Erreichbarkeit und Mobilität sind überhaupt nicht gegeben! Sollten die Besucher des Virgls den vom Projektvorschlag "VivaVirgolo" errechneten Zahlen entsprechen, dann würde kein Parkhaus im Zentrum von Bozen oder im neuen Einkaufszentrum Walther Park ausreichen, um die Autos der Besucher unterzubringen. Dies hätte die unvermeidliche Folge, dass der Verkehr durch jene Besucher, die erfolglos nach einem Parkplatz suchen, um anschließend mit der Seilbahn zu fahren, noch mehr zunimmt!
- Einrichtungen für Touristen, nicht für BoznerInnen
An dieser Stelle möchten wir auf die Unannehmlichkeiten hinweisen, welche die Verlegung des Auditoriums und des Archäologischen und Naturwissenschaftlichen Museums auf den Virgl für die Einwohner, Arbeitnehmer, SchülerInnen und StudentInnen Bozens mit sich bringen würde. In diesem Zusammenhang sind auch die unnötigen Fahrten und Kosten für die MitarbeiterInnen der Museen und des Auditoriums und für Musiker anlässlich der Konzertproben zu bedenken.
- Nicht alles ist kostenlos!
Für die Verlegung des Archäologischen und Naturwissenschaftlichen Museums und des Auditoriums auf den Virgl verlangt Signa von der Provinz, d.h. von uns BürgerInnen, eine Miete für 50 Jahre. Danach werden die (inzwischen restaurierungsbedürftigen Gebäude), in denen die Museen und das Auditorium untergebracht werden sollten, in den Besitz der Provinz übergehen.
Seilbahn und Restaurant sollen hingegen für immer der Signa gehören.
Außerdem wird Folgendes von Signa verlangt:
- die Eigentumsübertragung des Auditoriums in der Dantestraße für Spekulationszwecke
- die Umwidmung in Bauland von zwei derzeit als nicht bebaubare Grünflächen: ein alter Weinberg in der Guntschnastraße und ein Grundstück hinter der Reschenstrasse: wieder ein Brechen mit dem neuen Raumordnungsgesetzes, das Zersiedelung vermeiden will.
Die Details einer eventuellen öffentlichen Finanzierung sind derzeit nicht bekannt, genauso wenig wie über die neue Erschließungsstrasse bekannt ist.
- Sicherheit
Der Bau von öffentlichen Einrichtungen und Gebäuden, die Tausende von Besuchern anziehen sollen, erfordert die Anwendung der geltenden Sicherheitsvorschriften, was angesichts des neuen Standorts an einem geologisch unstabilen Hang problematisch ist. Der derzeitige Zugang zum Virgl, die Kalvarienbergstraße, birgt das Risiko von Steinschlägen, insbesondere nach Regenfällen, die aufgrund des Klimawandels tendenziell häufiger werden.
Wie kann zum Beispiel eine Evakuierung bei Notfällen wie Bränden, Erdbeben usw. oder bei einem Ausfall der Seilbahn erfolgen? Angesichts der Beschaffenheit des bestehenden Straßennetzes liegt es auf der Hand, dass eine neue Zufahrtsstraße gebaut werden muss, einerseits für die Großbaustelle aber auch um die Durchfahrt von Rettungsfahrzeugen und die für den Betrieb und die Wartung der neuen Gebäude erforderlichen Mittel zu ermöglichen. In seinem Vortrag kündigte Dr. Hager an, dass die neue Trasse von der Gemeindestraße nach Kohlern, d.h. entlang der instabilen Hänge des Virgl-Bergs, und oberhalb von Infrastrukturen übernationaler Bedeutung wie die A22, die Brenner-Eisenbahnlinie sowie vier Hochspannungsleitungen und die Methangasleitung, die das Eisacktal und das Pustertal versorgt.
Der Virgl, ein grüner Bergsporn, bekannt für seine außergewöhnliche Artenvielfalt, eine Kultstätte der Antike und Ort der Ruhe, verdient ein schonendes, umsichtiges, nachhaltiges und einzigartiges Projekt. Ein Projekt für eine Stadt, die zu 100 Prozent fahrradfreundlich sein soll, mit Radwegen zu den Nachbarortschaften verbunden und höchst fußgängerfreundlich gestaltet, kurzum eine gesunde und lebenswerte Stadt, die erste Green City Italiens.
Wir möchten Sie bitten, sich für die Ausarbeitung eines mutigen, umfassenden und umweltbewussten Projekts – eventuell über einen Ideenwettbewerb - für die nachhaltige Entwicklung eines Bozens der Zukunft einzusetzen, für eine lebenswerte Stadt, die den Bedürfnissen ihrer Bürgerinnen und Bürger gerecht wird. Nur wenn es uns gelingt, ein "ökologisches Experiment" für den Virgl durchzuführen, kann Bozen die "grüne" Hauptstadt Europas werden, wie es Kipar, der Kurator des Bozner Grünplans, vorschlägt.
Weiters möchten wir darauf hinzuweisen, daß es nun laut Arch. Kipar, der den Grünplan von Bozen erstellt hat und der demnächst von der Gemeinde Bozen genehmigt werden soll, den konkreten Vorschlag der "Ringpromenaden"gibt.: Promenaden, ohne große Infrastrukturen, welche die gesamte Stadt umspannen. Dies ist ein Projekt, das zum Großteil bereits besteht, folglich leicht umzusetzen und zu finanzieren ist und vom Bürgermeister sehr unterstützt wird, da es die Nachhaltigkeitsziele verwirklicht und für unsere Stadt identitätsstiftend sein wird.
Um dieses Ziel zu erreichen, ersuchen wir, dass das "VivaVirgolo" von Signa nicht zum Projekt des öffentlichen Interesses deklariert wird.
Wir möchten auch noch auf die Möglichkeit hinweisen, daß weitere Unterschriften über die Emailadresse [email protected] abgegeben werden können!
In der Folge die Unterschriften von Verbänden und Bürger*innen
Lab:bz, Stadtlabor Bozen
Dachverband für Natur- und Umweltschutz
Heimatpflegeverband Südtirol
CGIL AGB
VKE
Umweltgruppe Bozen
Zukunftspakt für Südtirol_patto futuro Alto Adige
Fridays For Future Südtirol
Scientists for Future
Alpenverein, Sektion Bozen
WWF Bozen
Verein POLITiS Centro Studi
Architekturstiftung Südtirol
ambiente&salute
GWÖ_Gemeinwohlökonomie Südtirol
Stiftung Landschaft Südtirol
Südtirols Katholische Jugend
BAU (Lisa Mazza und Simone Mair)
lungomare (Angelika Burtscher und Daniele Lupo)
blufink (Katherina Longariva und Katharina Erlacher)
ar/ge kunst
Mava Seggo
Regala Zukunft
Spazio Autogestito 77
Bozen Solidale
1k HOPES
FAI Fondo Ambiente Italiano
Frauen helfen Frauen
Umweltgruppe Kaltern
Mountain Wilderness
ISDE, associazione medici per l'ambiente sezione della provincia di Bolzano
Centaurus Arcigay Alto Adige Südtirol
Waltraud Kofler Engl
Roberto Gigliotti
Giorgio Mezzalira mit Cinzia Margotti
Roberto D’Ambrogio
Doris Gotter
Christine Baumgartner
Michael Steinwandter
Marialaura Lorenzini,
Benno Simma mit Sandra Montali
M.Cecilia Baschieri
Irene Visentini
Susanne Waiz
Matthias Cologna und Team K Bolzano-Bozen
Thomas Brancaglion und Team K Bolzano-Bozen
Wanda Sarri
Chiara Rabini und Verdi Grüne Vërc di Bolzano
Anna und Heinz Zanon
Kuno Prey
Klaus Vontavon
Loredana Motta
Serenella Margotti
Staudacher Waltraud
Elena Farruggia
Riccardo Dello Sbarba e i Verdi in Consiglio provinciale
Andreas Beck und der Waldkindergarten Eppan
Associazione Linx
Elisa Pavone
Verena Segato, rappresentante del comitato "Unser Virgl - Il nostro Virgolo"
Luca di Biasio e Sinistra die Linke
Christofoletti Monika
Dubis Monika
Hafner Cristina
Birgit Sapelza
Margareth und Hans Schieder
Zöschg Petra