Stage | Theater

Veganer Hass und eine Frage

„Ich, Akira“ nutzt die Perspektive eines Hundes um belastenden Thematiken Leichtigkeit zu schenken. Was tun, wenn ein geliebter Mensch in rechte Verschwörungen abdriftet?
Ich, Akira
Foto: Anreas Tauber
  • Zugegeben, Peter Schorn macht sich als Husky fast schon zu gut. Die von ihm gespielte Vielzahl von Hundemanierismen hätte für sich schon abendfüllend sein können, wäre da nicht Akiras Herrchen, ein gewisser Attila Hildmann gewesen. Dieser ist nur in Form von Fotomaterial und einem Videoclip auf der Bühne präsent, in welchem er sich alles andere als mit Ruhm bekleckert. Hitler sei verglichen mit damals Noch-Kanzlerin Angela Merkel ein „Segen für Deutschland“ gewesen, meinte das ehemalige Aushängeschild für einen hippen, urbanen Lifestyle-Veganismus, der außerhalb von Großstädten oft mit der Größe des Sortiments der Bioläden hadert.

    Fürsprecher des Kochbuchautors ist, damit einzig und allein ein mit seiner Loyalität hadernder Vierbeiner, der Herrchen nicht ins Gewissen reden kann - weil Hund. Einzig das Dekadenz-Publikum kann, da das für den Theatermonolog die Grundvoraussetzung ist, Akira verstehen und so möchte jener dieses um Rat fragen. Der Hund hat eine Frage im Gepäck, hält diese aber lange vor dem Publikum versteckt, traut sich nicht, liefert Kontext und kämpft mit einer kurzen Aufmerksamkeits-Spanne, so dass der Moment gegen Ende des Stückes, in dem die Frage dem Publikum gestellt wird, zu einer finalen Wendung des Stückes wird. Davor gibt es allerlei Mätzchen um Veganismus, Hunde und um Hildmanns Person, die vor der Radikalisierung bereits durch geringe Selbstkontrolle, einen Porsche und sein Machogehabe aneckte.

  • Ich, Akira: Immer wieder blitzen im Stück Bilder eines verschmusten Attila Hildmanns auf, der seinen Hund in einen Gewissenskonflikt bringt. Das böse Herrchen ist nämlich gut zu seinem Vierbeiner. Foto: Andreas Tauber

    Im sehr frischen Stück von Leonhard Meier und Noëlle Haeseling findet sich jedenfalls ein einzigartiger Zugang zu den Themen Radikalisierung, aufgezogen am ungewohnten Fallbeispiel konzentriert sich Regisseurin Michaela Senn auf einige zentrale Momente, für den Hass Hildmanns reicht ihr ein konkretes Beispiel und weitere paraphrasierte aus dem Mund (Maul) Akiras. Gehen wir nach der Zeit, die sich das Stück nimmt, so hat der Humor wohl die größere Gewichtung im Stück erhalten, als die ernsten Themen, was aber nicht bedeutet, dass diese untergehen. Im Gegenteil, wenn durch all die Absurdität der Bühnensituation die Realität hereinbricht und ein Hund über Anstiftung zum Hassverbrechen spricht, dann reicht ein Tweet um das Fass übergehen zu lassen und die Stimmung zu kippen.

  • Lief kurz zuvor noch in Herrchens Porsche „Father and Son“ von Cat Stevens und Akira hatte alles, was sein Hundeherz begehrte - auch wenn er dafür in die Gurke beißen musste und artgerecht von Blut, Fleisch und einem großen Steak im Himmel träumt - so holt uns die Realität zurück. Spätestens, wenn auf der Bühne die Rede von einem realen Hassverbrechen ist, verdeutlicht das die Position des Stückes, dass Hass keine Meinung ist. Den Schlüssen, die das Stück zieht, kann man nur schwer entgegentreten, dass aber im Einzelnen zu wenig differenziert wird, führt auch dazu, dass bei den Requisiten eine Fahne, die Reichsbürgerflagge mit dabei ist.

    Bei der Premiere habe ich aber auch gemerkt, wie viele Theaterbesucher kaum oder gar nicht mit Hildmann vertraut sind, so dass es zu Missverständnissen kommen könnte. Ein veganer Starkoch genießt eben hauptsächlich Nischen-Bekanntheit und die außerhalb Deutschlands wohl noch mal weniger. Die wahre Abgründigkeit Hildmanns ist nur zu erahnen und würde bei Hass im Minutentakt, erst auf Mainstreammedien, dann auf Telegram auch den Rahmen einer Theateraufführung sprengen. „Ich, Akira“ nimmt ohnehin eher die Perspektive der Angehörigen ein, die das - wenn überhaupt - nur mehr im Ansatz verstehen können.

    Heute ist Attila Hildmann ein Beispiel für rechten Hass und den Verlust des Bezugs zur Realität. Dass da ein Hund mit einer Frage - und zwei Beinen - die Bühne betritt, dürfte nicht einmal in der Top 3 der absurdesten Geschehnisse rund um Hildmanns Person stehen. Dass das Stück am Ende nur Fragen und keine Antworten bietet, sollte einem vorab klar sein. Wer gerne konkrete Antworten dazu hätte, wie die Liebsten aus den Fängen der Rechten zu befreien sind, der sei auf die Sonntagsvorstellung am 21. Januar von „Ich, Akira“ verwiesen, in der auf den humorig-kurzweiligen Monolog mit ernsten Themen ein Nachgespräch zu den „Neuen Radikalen“ mit möglichen Exit-Strategien, folgt.

  • „Ich, Akira“ wird in der Brixner Dekadenz am 19., 20., 24. ,26., 27. und 28. Januar, sowie am 1. und 2. Februar mit Beginnjeweils um 20 Uhr gezeigt. Für die beiden Sonntagsvorstellungen am 21. und 28. Januar gilt Vorstellungsbeginn um 18 Uhr