Friauler Bezirke
Als neulich der Spiegel über Faschingsbräuche in Sauris/Zahre, der teils deutschsprachigen Gemeinde im karnischen Friaul schrieb, mochten manche Leser glauben, dass es da ein zweites Südtirol gäbe, irgendwo in „Oberitalien“, in der „italienischen Provinz“ (sic!) Friaul-Julisch Venetien. Mag man Hamburger Journalisten einen sentimentalen Zugang zu alpenländischer Romantik zugestehen, so sollten wir uns hierzulande doch auch ab und zu die Parallelen und die doch etwas harten Realitäten jenes anderen Südtirols vergegenwärtigen.
Anlass dazu gibt eine Gebietsreform, die die Autonome Region Friaul-Julisch Venetien derzeit plant. Ganz im Sinne der „Delrio“-Reform sollen unter Führung der Renzi-getreuen Präsidentin Debora Serracchiani die Provinzen Pordenone, Udine, Gorizia und Trieste abgeschafft werden. Neu geschaffen werden sollen hingegen per Regionalgesetz 26/2014 sogenannte „Unioni Territoriali Intercomunali“, kurz UTI, auch als „Ambiti Sovracomunali Ottimali“, ASO bezeichnet. Wie auch immer sind diese von der Presse gern als „mini province“ verspotteten Gebilde dem Konzept unserer Bezirke nicht ganz unähnlich. Obwohl da jetzt schon eine Zeit lang das Land über das Reißbrett gebogen wird, hat es der Autonomieassessor Paolo Panontin nicht leicht, landesweit Einverständnis zu erlangen. Widerstand gibt es nicht nur von den Präsidenten von GO, UD, TS, PN und von der Opposition, ob M5S oder FI, sondern auch von den Bezirken selbst.
Ein Blick auf die Landkarte erklärt das Unbehagen. Ist es denn nun gerecht, das regionale Territorium in gleich große Stücke aufzuteilen, oder ist es besser, wenn jeder Bezirk eine möglichste ähnliche Einwohnerzahl hat? Natürlich spielen da die immerwährenden Gegensätzlichkeiten zwischen Montagna, Pianura und Città eine Rolle. Das Regionalgesetz versucht die Balance zu halten, in dem mindestens 30000 Einwohner für gebirgige Bezirke und 40000 für die anderen angestrebt wird.
Die offizielle Karte zeigt die Bezirke. Der Grünton steht für die Bevölkerungsdichte. Außerdem habe ich mir erlaubt, grob die Umrisse jenes Gebietes einzuzeichnen, das von der Alpenkonvention definiert wurde.
Quelle: presidente.regione.fvg.it
Ins Auge sticht, dass etwa die Hälfte der Region von sechs oder sieben gebirgigen Bezirken überspannt würde. Ins Auge sticht auch, dass die Gebirgsbezirke einwohnermäßig auch sehr stadtlastig ausfallen würden. Nun, dass Tolmezzo (10000 Einwohner) die karnischen Täler dominiert, oder Gemona (11000 Einwohner) das Kanaltal bis nach Tarvis, liegt in der Natur der Sache. Auch mag man sich im dünn besiedelten Valcellina damit abfinden, dass Maniago (knapp 12000 Einwohner) dem Bezirk vorsteht, aber dass das etwas größere Spilimbergo, das die Berge nur als Panorama kennt, da mit hinein gehören soll, ist schon umstritten. Übrigens auch in Spilimbergo selbst, da man glaubt, dass die Gebirgsbezirke durch die Reform erneut benachteiligt werden könnten.
Aber gerade letzteres wollen wir unseren Freunden in den friauler Dolomiten und den karnischen Alpen nicht wünschen. Abwanderung plagt die Gegend schon zu lange. Selbst Tolmezzos Einwohnerzahlen sinken stetig. Der geplante Abbau von Justiz und Alpinikaserne wird dem nicht gegensteuern. Man munkelt gar, Tavagnacco, eine Vorstadt Udines, wäre mittlerweile die heimliche, karnische Hauptstadt, da schon so viele Landsleute dorthin ausgewandert sind.
Nichtsdestotrotz hat die Gebietsreform das Potential, den Tälern eine Struktur in die Hand zu geben, eine erstmals institutionalisierte Interessensvertretung der Talschaften. Freilich hatte die Carnia bereits im März 2004 in einem Referendum die Unabhängigkeit von der Provinz Udine mit knapp 72% gefordert. Nur wurde damals durch die gemeinsame Abstimmung mit Gemona und Tarvis das Stimmergebnis verwässert. Vielleicht bringt der neue Bezirk den alten Traum der „Autonomie pa Ciargne“ ja einen Schritt näher. Wir drücken die Daumen.