Economy | Tourismus

„Es darf nicht nur um Betten gehen“

Hotelier und HGV-Präsident Manfred Pinzger über die immer lauter werdende Kritik an Landesrat Arnold Schuler und an der geplanten Neuregelung des Tourismus in Südtirol.
Manfred Pinzger
Foto: HGV
Seit die ersten Details des neuen Tourismusentwicklungskonzeptes an die Öffentlichkeit gelangt sind, reißt die Kritik nicht ab: Die Landesregierung betreibe Planwirtschaft, lautet einer der Vorwürfe. Widerstand kommt derzeit vor allem von den Bürgermeistern und dem Gemeindenverband.
 
Salto.bz: Herr Pinzger, dass der Tourismus in Südtirol nicht unbegrenzt wachsen kann, darüber sind sich alle einig. Derzeit ist im Rahmen des neuen Tourismusentwicklungsprogrammes eine Obergrenze von rund 228.000 Betten im Gespräch. Wieviele Betten sind Ihrer Meinung nach genug?
 
Manfred Pinzger: Wir sind mit dem Konzept, das mehr auf Qualität statt Quantität setzt, einverstanden. Wir stellen fest, dass die gewerblichen Betten in den vergangenen Jahren eher stagnierten, während ein großer Zuwachs bei den nichtgewerblichen Betten zu verzeichnen war.
 
Sie sprechen von Airbnb?
 
Airbnb sowie bei den registrierten Betten im Bereich Urlaub am Bauernhof. Letzteres Segment hat sich sehr gut entwickelt, weshalb wir auch hier die Einführung einer Reglementierung fordern.
Wenn junge Familien hier ihre Zukunft gestalten möchten, darf die Politik keine Eingrenzung betreiben.
Vorgesehen ist die Einführung einer Obergrenze von maximal 140 Betten pro Betrieb. Ist dieses Konzept für die Tourismusbetriebe wirtschaftlich sinnvoll?
 
Das lässt sich pauschal so nicht sagen. Es hängt nämlich im Wesentlichen davon ab, wie gut ein Betrieb aufgestellt ist. Nachdem in Südtirol familiengeführte Betriebe vorherrschen und diese am Markt derzeit gut positioniert sind, sind wir für große Hotelketten – wir sprechen hier von Betrieben mit 300 bis 500 Betten – eher uninteressant. Unserer Meinung nach wäre eine Obergrenze von 150 Betten pro Betrieb betriebswirtschaftlich eine idealere Lösung und das würde auch die Realität besser widerspiegeln.
 
 
 
Auch eine Bettenbörse ist vorgesehen: In touristisch stark entwickelten Gemeinden sollen bei einer Betriebsauflösungen 50 Prozent der verlorenen Betten an andere Betriebe weitervergeben werden. Die anderen 50 Prozent gehen in ein Landeskontingent über, um bei Bedarf den strukturschwachen Gemeinden zugewiesen zu. Was halten Sie von diesem Konzept?
 
Wir wissen, dass es bestimmte Gebiete in Südtirol gibt, die von sich aus erklären, dass eine gewisse Belastungsgrenze erreicht ist. Solche Äußerungen kommen auch von Hoteliers und Gastwirten. Sie sind auch damit einverstanden, dass in hochentwickelten Tourismusgebieten keine neuen Betten entstehen sollen. Dennoch wissen wir, dass der Prozentsatz, den sie erwähnen, erst noch näher zu definieren ist. Man wird hier einen Kompromiss und für die strukturschwachen Gebiete einen anderen Mechanismus finden müssen. Zudem kann ich mir auch nicht vorstellen, dass in einer hochentwickelten und entsprechend rentablen Destination viele Betten frei werden. Sollten sie frei werden, werden sie aller Wahrscheinlichkeit nach von dort ansässigen Unternehmern genutzt. Das wäre für mich zumindest die logische Folge.
Themen wie Nachhaltigkeit kann man nicht per Regierungsbeschluss verordnen.
Man könnte den Eindruck gewinnen, die Landesregierung möchte mit dem neuen Entwicklungskonzept den Tourismus in den hoch entwickelten Gebieten zurückschrauben?
 
Eine solche Entscheidung sollte in erster Linie mit der dort ansässigen Bevölkerung und deren Gemeindevertretern getroffen werden. Eine Studie der EURAC, in der eine Befragung zur Tourismusgesinnung in verschiedenen Südtiroler Gemeinden durchgeführt wurde, hat beispielsweise ergeben, dass in touristisch hochentwickelten Gebieten eine relativ positive Zustimmung zum Tourismus vorherrscht, während sie in strukturschwachen Gebieten eher negativ war. Diese Studie steht also im Widerspruch zur inzwischen gängigen Meinung „je mehr Tourismus, umso größer die Ablehnung“.
 
 
Tourismuslandesrat Arnold Schuler hat in seinem Interview, das am 15. Februar in der Südtiroler Tageszeitung erschienen ist, betont, dass man Tourismus nicht auf die Bettenzahl reduzieren dürfe, sondern ganzheitlich betrachten müsse. Er sprach  u. a. vom „Lebensraum“ Südtirol, in dem sich sowohl Einheimische wie Gäste wohlfühlen – ein Schritt Richtung Nachhaltigkeit?
 
So wie Landesrat Arnold Schuler bin ich der Meinung, dass man die Thematik ganzheitlich sehen muss. Es darf nicht nur um Betten gehen, sondern man muss das gesamte Spektrum betrachten und bewerten. Dazu zählen auch die Belastungen für die Umwelt oder Strukturen sowie viele weitere Aspekte. Insofern hat Schuler vollkommen Recht, dass man das Problem nicht allein auf die Betten herunterbrechen darf. Themen wie Nachhaltigkeit kann man jedoch nicht per Regierungsbeschluss verordnen. Deshalb wird man über Entwicklungsmöglichkeiten vor diesem Hintergrund noch diskutieren müssen. In unserem Verband haben wir bereits seit Langem eine eigene Arbeitsgruppe zum Thema Nachhaltigkeit eingerichtet. Uns ist absolut klar, dass die Akzeptanz des Tourismus in der Bevölkerung weiterhin erhalten bleiben muss.
 
Apropos Nachhaltigkeit – dem Bau von Tourismusbetrieben in landwirtschaftlichem Grün wurde mit dem neuen Raumordnungsgesetz ein Riegel vorgeschoben.
 
Innerhalb der auszuweisenden Siedlungszonen sollen ja bestehende Betriebe erweitern und eventuelle neue Betriebe entstehen können. Außerhalb der Siedlungszonen sind wir jedenfalls der Meinung, dass bestehende Betriebe eine gewisse Erweiterungsmöglichkeit weiterhin erhalten sollen.
Eine Studie der EURAC hat ergeben, dass in touristisch hochentwickelten Gebieten eine relativ positive Zustimmung zum Tourismus vorherrscht, während sie in strukturschwachen Gebieten eher negativ war.
Im Vorfeld zur Ausarbeitung des Landestourismuskonzeptes waren verschiedene Arbeitstische eingebunden wie beispielsweise Umweltverbände. Inwieweit konnte der HGV hier seine Vorstellungen einbringen?
 
Wir sind kontinuierlich über den Stand der Dinge informiert worden. Wir wurden von Landesrat Schuler durchaus in die Diskussion eingebunden. Wir mussten allerdings auch zur Kenntnis nehmen, dass im neuen Raumordnungsgesetz die Entwicklungsmöglichkeiten für bereits bestehende Betriebe nicht bzw. zu wenig berücksichtigt worden sind. Zwar soll mit der angedachten Bettenbörse eine Teillösung geschaffen werden, nur kennen wir dazu noch wenige Details. Wir beharren deshalb auf eine Lösung, die bestehenden Betrieben und jungen Familien weiterhin eine Perspektive bietet.
 
Wir verlangen Gleichberechtigung mit den UaB-Betrieben.
Bis jetzt liegt erst das Konzept vor – was muss Ihrer Meinung nach in die entsprechende Gesetzesvorlage hineingeschrieben werden?
 
Wir verlangen Gleichberechtigung mit den UaB-Betrieben. Es ist uns bewusst, dass diese Betriebe ein wichtiges Segment im Tourismus Südtirols sind, da sie das Angebot bereichern. Aber Ausnahmen nur für die UaB-Betriebe in Bezug auf die Erweiterungsmöglichkeiten zuzulassen, damit sind wir nicht einverstanden. Wir verlangen, dass auch für unsere Klein- und Kleinstbetriebe Möglichkeiten gegeben sein müssen – ungeachtet der sogenannten „Bettenbörse“. Ein Minimum an Erweiterung muss auch für diese Betriebe möglich sein, damit sie wettbewerbsfähig bleiben können. Wenn junge Familien hier ihre Zukunft gestalten möchten, darf die Politik keine Eingrenzung betreiben. Hier ist ein freier Wirtschaftsgedanke gefragt. Diesbezüglich gibt es bereits positive Signale – auch einige Bürgermeister, welche die Realität vor Ort bestens kennen, haben sich in diese Richtung positiv geäußert.
 
Sollten ihrer Meinung nach den Gemeinden hinsichtlich einer touristischen Entwicklung mehr Befugnisse zugestanden werden?
 
Ich bin auf alle Fälle der Meinung, dass die Gemeinden vorort eine gute Einschätzung der Situation haben und deshalb im Kontext voll ein gebunden werden müssen.