Reden wir darüber
So könnte Politik aussehen, wenn sie vor allem von Frauen gemacht würde. Ein Gedanke, der am Donnerstag Vormittag nicht nur beim Blick in das Plenum des Südtiroler Landtags aufkam. Auch die Diskussion über eines der am emotionalsten besetzen politischen Themen der vergangenen beiden Jahre verlief in einer mehrheitlich weiblich besetzten ExpertInnenanhörung zum Thema Geburten weit nuancierter als bei vielen vergangenen Anlässen. „Jeder durfte sich in den vergangenen eineinhalb Jahren in den Medien über kleine Häuser äußern, nur wir nicht, weil wir einen Maulkorb verpasst bekommen haben“, erklärte eine der vielen Hebammen, die an diesem Vormittag die Diskussion bereicherten. Dass dies möglich wurde, ist allen zehn weiblichen Landtagsabgeordneten zu verdanken, die bei diesem heiklen Thema auf Initiative ihrer Grünen Landtagskollegin Brigitte Foppa an einem Strang zogen – und zumindest für einen Vormittag alle parteipolitischen Barrieren hinter sich ließen.
In insgesamt drei Gesprächsrunden wurden unter Einbeziehung aller beteiligten Berufsgruppen, von Müttern und Vätern sowie Technikern wie dem Koordinator des Geburtenkomitees im römischen Gesundheitsministerium Gianfranco Jorizzo auch viele Fragen erörtert, die in der bisherigen Diskussion weitgehend untergingen. „Was am Donnerstag vor allem deutlich wurde ist, dass noch zu sektoriell und strukturenbezogen auf das Thema geblickt wird“, erklärte Foppa nach der Anhörung. Im Landtag dagegen hörten sich Primare wie Herbert Heidegger oder Hubert Messner an, wie Mütter beschrieben, warum ihnen die Geborgenheit ihres Zuhauses oder eine innovative Geburtenstation wie Sterzing ein weit größeres Gefühl von Sicherheit geben als staatlich vorgegebene Kennzahlen. Nicht nur ein frisch gebackener Vater, sondern auch ein Primar wie Heidegger warfen die unbequeme Frage auf, wie qualitativ hochwertig eine Versorgung ist, wenn Schwangere bei jeder Vorsorgeuntersuchung einen anderen Arzt oder eine Ärztin antreffen – oder bei der Geburt nicht in ihrer Muttersprache kommunizieren können, weil aufgrund des Ärztemangels pensionierte Primare aus ganz Norditalien einspringen. „Bei jeder Geburt bleibt ein Restrisiko von ein bis zwei Prozent“, mussten sich die Befürworterinnen von Hausgeburten wiederum von Primar Messner sagen lassen. „Die Frage ist, können wir es uns leisten, dieses Restrisiko einzugehen?“
Ideologische Gräben
Bessere Kommunikation, stärkere Vernetzung – im Team, zwischen Krankenhäusern und Gesundheitsbezirken, ja auch zwischen den einzelnen Provinzen, die nun im Rom um den Erhalt ihrer Geburtenstationen kämpfen müssen: Genau hier liegt immer noch ein enormes ungenutztes Potential, war die übereinstimmende Meinung der Teilnehmenden. Die Anhörung im Südtiroler Landtag war ein Versuch, hier anzuknüpfen. Auch wenn sich dort einmal mehr die tiefen ideologischen Gräben zeigten, die sich rund um das Thema auftun. Auf einer Seite davon wird Geburt als der natürlichste Vorgang der Welt betrachtet, der – zumindest bei Schwangerschaften ohne Komplikationen - am besten gelingt, je weniger Einmischung es gibt. Auf der anderen Seite die Perspektive der High-Tech-Medizin, in der Mortalitätsstatistiken und Risiken, Standards und Kennzahlen im Vordergrund stehen. Ein Graben, der nicht nur zwischen vielen Hebammen und Ärzten, sondern auch zwischen Medizinern großer und kleiner Krankenhäuser und vor allem zwischen Eltern steht, wie eine interessante Diskussion zur Definition von Sicherheit bei der Geburt zeigte. „Was für Eltern Sicherheit bringt, ist sehr individuell“, erklärte eine Hebamme. „Manche brauchen ein Zentrum, in dem alle Fachärzte anwesend sind, andere fühlen sich weit sicherer in ihrer gewohnten Umgebung, mit ihrem Mann oder vertrauten Menschen um sich.“
Betrachtet man die Zahlen, sind letztere allerdings in der klaren Minderheit. Rund 5000 Geburten gibt es in Südtirol pro Jahr. Knapp ein Viertel davon waren Kaiserschnitte, gerade 23 Hausgeburten. Im Landtag schien das Verhältnis angesichts der vielen Erzählungen von Hausgeburten umgekehrt. Selbst der Grüne Abgeordnete Riccardo dello Sbarba, einer der wenigen anwesenden Politiker, brachte Erfahrungen mit der Hausgeburt seiner drei Kinder ein. Zumindest für einen Primar wie Hubert Messner war das Maß offensichtlich irgendwann voll. Er wies eine junge Mutter, die bei der Erzählung ihrer beiden Geburten voll des Lobes für die „innovativste Geburtenstation Italiens“ (Sterzing) war, zurecht, nicht unsachlich zu werden.
Wahlfreiheit für Gebärende
Doch abgesehen von solch kleinen Reibereien schien es zumindest an diesem Vormittag, als könne das Thema Geburten doch noch irgendwann zur Zufriedenheit aller geregelt werden. Wahlfreiheit für Gebärende lautete einer der wichtigsten Slogans viele anwesender Frauen. Unterstrichen wurden sie mit der Forderung nach der Einrichtung eines von Hebammen geführten Geburtshauses oder der Anerkennung der privat zu bestreitenden Kosten für eine – im Gegensatz zum Krankenhaus billigere – Hausgeburt. Zumindest in Sachen Wahlfreiheit wurden die Frauen ausgerechnet vom Funktionär des römischen Gesundheitsministeriums unterstützt: Ziel der römischen Politik sei das englische Modell, wo sich werdende Mütter über die Betreuungsmöglichkeiten und Standards in den verschiedenen Geburtenstationen informieren und dann frei wählen können, erklärte Gianfranco Jorizzo.
Ob sich Südtirols Gebärende künftig tatsächlich auch für kleine Geburtenstationen wie Sterzing oder Schlanders entscheiden können, ist allerdings immer noch unklar. Und wird sich wohl auch erst im Herbst herausstellen, ließ Kammerabgeordneter Albrecht Plangger auf Nachfrage wissen. Denn nach der Verabschiedung des Dekrets durch Gesundheitsministerin Beatrice Lorenzin im vergangenen November seien die Anträge um Ausnahmegenehmigungen erst in Vorbereitung, erklärte der Abgeordnete. Da das entsprechende Bewertungskomitee dann noch 90 Tage Zeit zur ihrer Begutachtung habe, ist so bald mit keiner Entscheidung zu rechnen. Plangger zeigte sich zuversichtlich: In Schlanders könne man nicht zuletzt auf die geografische Lage bzw. Erreichbarkeit zählen. Sterzing hingegen habe seine Patientinnen zuletzt deutlich über die geforderten 500 steigern können und bewege sich auch dank eines Zuflusses aus Brixen auf die 600 zu.
bei unseren Hausgeburten in
bei unseren Hausgeburten in Österreich war unsere Hebamme auch Hebamme in einem Spital und hätte, wenn notwendig mit uns ins Spital "übersiedeln" können, wo sie uns bei der Geburt weiter betreuen hatte können. Ein super Modell, dass uns viel Sicherheit gegeben hat.