Musik oder Lärm?
Frühling und Sommerzeit heißt Festivalzeit, heißt Live-Musik im Garten oder am Platz unterm Haus, bedeutet Leute auf der Straße, Rummel, Radau und Lärm in der Stadt. Denn als Lärm wird oft wahrgenommen, was als harmonischer Ausdruck von Rhythmen, Tönen und Klängen gedacht war, als kleines feines Nachtkonzert mit Akustikgitarre oder zwei, drei Instrumenten mehr. Ein nicht zu unterschätzender Aspekt der für viel Gegnerschaft in der Live-Musik-Debatte in der Landeshauptstadt sorgt, und den man nicht einfach abtun kann. Das ist den Veranstaltern der Diskussionsrunde „Silent Please“ - Franzmagazine und der Kulturinitiative Weigh Station – durchaus bewusst, und einer der Knackpunkte, um die es in der Debatte am Mittwoch abend im Waaghaus am Bozner Kornplatz ging.
Wie gelingt es, die Bewohner der Innenstädte zu mehr Akzeptanz einzuladen, die oft ablehnende Haltung der „musica dal vivo“ gegenüber zu mildern? Eine Anrainerin schloss sich der Diskussion an und berichtete wie es ihr mit den verschiedenen „Events“ am Korn- und Waltherplatz gehe. Jedes Wochenende sei etwas los, oft auch unter der Woche, man komme nicht zur Ruhe, so ihr Fazit, und ja, sie kenne gar einige, die am Freitag abend aus der Stadt flüchten, besonders im Sommer. Meinungen wie diese als rückständig oder gestrig abzutun, bringen die Debatte kein Stück weiter, vielmehr sollten die Unterschiede zwischen den Veranstaltungen sichtbar gemacht werden und die Haltung der Stadtgemeinde dazu; in der Wahrnehmung der Bürger landet das Konzert eines Straßenmusikers eben oft im gleichen Topf wie das viel rumorigere Blumen- oder Speckfest.
500 musikalische Veranstaltungen wurden im Jahr 2014 in Bozen genehmigt, gibt die scheidende Kulturstadträtin Patrizia Trincanato stolz bekannt, inklusive Musikkapellen und Klassischem. Doch den kleinen Live-Veranstaltern wird das Leben immer noch schwer gemacht, sofern sie nicht den Sicherheits- und Lärmschutzbestimmungen der Gemeinde entsprechen. Dabei gäbe es ein Staats- bzw. Landesgesetz, das seit Herbst 2014 die Genehmigungen von Veranstaltungen unter 200 Personen bis 24 Uhr vereinfacht, durch eine Eigenerklärung, mit der die Veranstaltung der Gemeinde bekannt gegeben wird.
„Es stimmt,“ sagt Gemeinderat Tobias Tobe Planer, „wir haben seit Herbst diesen Arbeitstisch laufen, der sich um die Entbürokratisierung von Lizenzen und Veranstaltungen im öffentlichen Raum kümmert, doch können wir diese vereinfachte Regelung nicht zur Gänze anwenden, und wenn dann nur auf jene Veranstalter, die den Bestimmungen zu Schallisolierung und Sicherheit entsprechen.“ Veranstalter wie Carambolage, Paperlapapp oder Pippo Stage. Alle anderen müssen für ihre Konzerte bei allen Ämtern einzeln ansuchen, vom Lizenzamt über die Stadtpolizei bis hin zum Umweltamt.
Nur so lassen sich gewisse Polizeiaktionen erklären wie jene letzthin am Bozner Bahnhofspark, als die Ordnungskräfte das Musizieren der Jugendlichen verboten, weil diese keine Genehmigung vorweisen konnten.
Anansi, Tommaso Sacchi, Marco Bassetti, Mauro Russo
Das erwähnte Landesgesetz zur Vereinfachung von Konzerten, das Philipp Achammer mit dem Jugendkulturbeirat beschlossen hatte, beruht auf dem Dekret „Valore Cultura“ von Minister Massimo Bray. Tommaso Sacchi vom Kulturamt der Gemeinde Florenz erläuterte in der Weigh Station, wie er und eine Initiativgruppe von Künstlern und Kulturschaffenden diesen Passus in das Dekret hatten einbringen können. Als Vorbild galt England und seine Live-Musik-Kultur, dort habe eine ähnliche Maßnahme ein ungeheures Potential von kreativen Geschäftideen freigesetzt, an die 40.000 Klein- und Kleinstunternehmen hätten dadurch frischen Wind in die Segel bekommen.
Auch in Innsbruck gebe es eine sehr lebendige Musik- und Veranstaltungsszene, berichtete Marco Russo, der in Tirol das Upload-Festival organisiert. Allein die Festivalszene sei beachtlich genauso wie jene der kulturellen Einzelinitiativen; defintiv stärker als in Bozen das Lokalaufkommen in Innsbruck mit Treibhaus, Hafen, Weekender Club, der Bäckerei oder der Plattform für mobile Kulturinitiativen – p.m.k – das Rämlichkeiten und Lizenzen zur Verfügung stellt, um ca. 150 Euro pro Abend. In Bozen hingegen kostet ein Bandauftritt im Pippo Stage an die 500 Euro, dazu kommen noch die Kosten für die Siae-Lizenzen.
„Silent please“ sollte eine Diskussion mit Antworten bzw. Vorschlägen werden, die der zu bildenden Stadtregierung überreicht werden können. Diese blieben jedoch aus, im Trentino hingegen hatte man das Problem der Live-Musik vor den Wahlen in einer Kandidatenrunde angerissen. Jetzt, danach, gab es noch das Vorpreschen eines jungen Lega-Politikers, der sich für die Musikszene im Trentino stark machen wolle, berichtete der Musiker Stefano Bannò, in arte Anansi.
Vielleicht könnte man dem Beispiel Amsterdams folgen, das für die Regelung der Musik- und Clubszene einen sogenannten Nachtbürgermeister eingeführt hat; natürlich erst dann, wenn jener „für den Tag“ in Bozen gefunden ist.