Prüder Pius
![](/sites/default/files/styles/ar/public/images/schermata_2016-06-15_alle_14.47.59.png?h=f6bdc5a3&itok=EFCc1fci)
Am 23. April 1616 starb William Shakespeare. Anlässlich seines 400. Todestag haben die Vereinigten Bühnen Bozen (VBB) dem englischen Dichter, Dramatiker und Schauspieler die Inszenierung eines seiner bekanntesten und beliebtesten Werke gewidmet. Geschrieben hat Shakespeare die Komödie “Ein Sommernachtstraum” (im Original “A Midsummer Night’s Dream”) vermutlich 1595 oder 1596. Im Mai 2016 wurde sie insgesamt 13 Mal unter der Leitung von Regisseur Georg Schmiedleitner am Stadttheater in Bozen aufgeführt, darunter drei Mal als Vormittags-Vorstellung für Schulen. Zwei Stunden und 50 Minuten dauerte das Stück, das den Freiheitlichen Landtagsabgeordnete Pius Leitner zum Sittenwächter werden lässt.
Das Stück gehört zu den meistgespielten Werken Shakespeares. In den englischsprachigen Ländern ist es ein Klassiker für Schul- und Laientheaterinszenierungen.
(Wikipedia-Eintrag zu “Ein Sommernachtstraum”)
Am 13. Mai, noch während “Ein Sommernachtstraum” (hier der Inhalt) am Bozner Stadttheater läuft, reicht Leitner eine Landtagsanfrage ein, Betreff: “Jugendschutz vor künstlerischer Freiheit”. Eine Lehrperson, die mit ihren Schützlingen die Schulvorstellung besucht hat, habe sich an ihn gewandt, schreibt Leitner, und ihm folgenden Vorfall geschildert: “Während der Aufführung präsentierte ein Schauspieler zur Einleitung eines Geschlecktsaktes sein Geschlechtsteil dem Publikum.” Das Papier, den Stift und die Fragen, die er von der Landesregierung beantwortet haben will, hat Pius Leitner schnell bei der Hand: “Ist es wahr, dass im Theaterstück ‘Ein Sommernachtstraum’ der Vereinigten Bühnen Bozen dem Publikum Geschlechtsteile offen zur Schau gestellt werden? Wenn ja, warum wurde dieses Theaterstück als Vormittagsveranstaltung für Schüler zugelassen? Ist die Landesregierung nicht der Ansicht, dass der Jugendschutz einen höheren Stellenwert einnehmen sollte als die Freiheit der Kunst?”
Aufklärung für Leitner
Die Antworten auf diese drei Fragen kommen gut zwei Wochen später. Es ist Bildungslandesrat Philipp Achammer, der den um die Jugend besorgten scheinenden Pius Leitner aufklärt: “Im Theater wird nie etwas ‘offen zur Schau gestellt’, auch Geschlechtsteile nicht.” Jedes Bild auf der Bühne habe eine Geschichte, eine Entwicklung und basiere auf sechs Wochen intensiver Probenzeit, stellt Achammer eingangs klar. So auch jene 30-sekündige Szene, in der tatsächlich Nacktheit eine Rolle spielt. Der Landesrat erklärt Leitner den Kontext der von ihm beanstandeten Theateraufführung: “Im ‘Sommernachtstraum’ der VBB zieht Lysander, nachdem er von Puck verzaubert wurde (…) im Liebestaumel seine Hosen runter und läuft tollpatschig Helena hinterher.”
Die Frage, warum an drei Vormittagen auch Schüler das Stück samt Nackedei Lysander zu sehen bekommen haben, beantwortet Achammer folgendermaßen: “Die Schulvorstellungen waren ein großer Erfolg. (…) Man sah 2 Stunden und 50 Minuten lang faszinierte Gesichter.” Das sei bei einem so lange dauernden Stück nicht selbstverständlich und auch nicht “jenen ca. 30 Sekunden Nacktheit zu verdanken, sondern einer lebendigen, ideenreichen, kraftvollen Inszenierung”.
Bleibt schließlich noch die Frage, ob die Landesregierung den Jugendschutz nicht vor die künstlerische Freiheit stellen wolle. In seiner Antwort findet der Bildungslandesrat klare Worte: “Junge Menschen verstehen sehr genau, wenn sie im Theater ernst genommen werden. Sie danken mit tosendem Applaus, darauf kann man vertrauen. Wenn Unruhe im Saal gewesen wäre, wenn die Schüler/-innen mit den Handys gespielt hätten, wäre die Inszenierung für sie langweilig und unpassend gewesen.” Außerdem, so Achammer weiter, sei die Freiheit der Kunst in Art. 14 der EU-Charta der Grundrechte verankert: “Ohne diese Freiheit ist Kunst und also auch das Theater der Vereinigten Bühnen Bozen sinnlos.”
Eine souveräne Antwort des
Eine souveräne Antwort des Bildungslandesrates. Mein Kompliment.
Was Leitner angeht, heisst seine Partei nicht Freiheitliche? Wären nicht gerade jene, die für eine kompromisslose liberale antiklerikale Position stehen müssten?
Das war doch jene Partei die in den 90zigern im Wahlkampf mit der Verteilung von Zuckerlen und Kondomen provozierte und nun kommen sie mir vor wie der verlängerte Arm von Christliche Erziehung und Schule.
O tempora, o mores!
In reply to Eine souveräne Antwort des by gorgias
Das Konzept der F sind nicht
Das Konzept der F sind nicht irgendwelche Ideen, sondern modische Trends populistisch zu bedienen. Nachdem die ganze Gesellschaft in der Facebook-Ära prüder geworden ist, ist es nur logisch und folgerichtig, dass die F auf den Zug aufspringen. Vermehrte Nacktheit wäre zwar ein effektiver Gegenpol zu Kopftüchern, aber das ist für die Zielgruppe zu kompliziert gedacht.