Querschuss im Omnibus
Um das Ei zu finden, muss man sich bis zum Ende des 35-seitigen Gesetzentwurf vorlesen – und auch noch in der Materie bewandert sein. Priska Auer und Walther Andreaus erfüllen beide Voraussetzungen. Daher sind die beiden Spitzenfunktionäre der Südtiroler Verbraucherzentrale in Alarmstimmung – und fordern eine dringende Aussprache mit dem Landeshauptmann. Für sie geht es um mehr als das, was im Gesetzentwurf drin steht bzw. was damit gestrichen werden soll. “Streicht man diese Zuständigkeit weg, so verzichtet man auf eine autonome Regelung für Südtirol – ein Rückschritt, der seinesgleichen sucht.”
Die Rede ist vom Omnibus-Gesetz. Der Entwurf dazu wird derzeit von den Gesetzgebungsausschüssen des Landtages begutachtet. Einer der 40 Artikel beinhaltet jenen Passus, der die Verbraucherschützer nun protestieren lässt. Es sollen nämlich die Zuständigkeiten der Verbraucherzentrale bei den Qualitätschartas eingeschränkt werden – “stillschweigend und ohne die betreffende Institution auch nur um eine Stellungnahme zu bitten”, kritisieren VZS-Vorsitzende und -Geschäftsführer.
“Südtirol wie Italien? Nein, danke!”
Warum dieser Schritt gravierend wäre, für die Verbraucherzentrale selbst – “damit wird eine grundlegende europäische und nationale Aufgabe des Verbraucherschutzes für Südtirol in Frage gestellt” –, aber auch für die Nutzer der betroffenen Dienste und für die Südtiroler Autonomie, führen Auer und Andreaus in einem offenen Brief aus, den sie am Montag Mittag an Landeshauptmann Arno Kompatscher und alle weiteren 34 Landtagsabgeordneten verschicken.
“Mit einem Artikel des Omnibusgesetzes sollen die Kompetenzen der Verbraucherzentrale Südtirol beschnitten werden. Aus dem Landesverbraucherschutzgesetz soll ein Buchstabe gestrichen werden, der festlegt, dass es Aufgabe der Verbraucherzentrale ist, bei der Festlegung der Qualitätsstandards jener örtlichen öffentlichen Dienstleistungen mitzuwirken, die von privaten Rechtsträgern erbracht werden, sowie die Anwendung dieser Qualitätsstandards zu überwachen. Damit wird eine grundlegende europäische und nationale Aufgabe des Verbraucherschutzes für Südtirol in Frage gestellt.
Dieser Buchstabe im Landesverbraucherschutzgesetz überträgt eine nationale Norm aus dem Jahr 2007 nach Südtirol: Der nationale Gesetzgeber hat vorgegeben, dass bei der Vergabe von öffentlichen Diensten durch örtliche Körperschaften an Private in Abstimmung mit den Verbraucherschutzvereinen eine Qualitätscharta zu erarbeiten ist, welche die Qualitätsstandards der Dienste festlegt, und dass die Vereine in die periodische Überprüfung und Überwachung dieser Standards einzubeziehen sind. Die Tätigkeiten der Verbrauchervereine sind dabei vom Vertragsnehmer – also jenem Subjekt, das den Dienst ausführt – zu vergüten, und es entstehen keine Kosten für die öffentliche Hand.
Es ist absolut nicht nachvollziehbar, warum durch solche Querschüsse an der bestehenden Norm herum gesägt werden soll.
Eine Streichung dieses Absatzes hätte zur Folge, dass in Südtirol, wie im restlichen Staatsgebiet, alle 20 anerkannten Verbrauchervereine für diese Aufgabe zuständig wären. Erfahrungsgemäß ist es nahezu unmöglich, zwischen so vielen Akteure einen Konsens für einheitliche Inhalte zu finden – oder aber das Ganze verwandelt sich in ein ‘Abnicken’ von vorgelegten Dokumenten, die wenig zur Qualität beitragen. Die Festlegung und fortwährende Überprüfung von Qualitätsstandards in ausgegebenen öffentlichen Diensten – das sind unter anderem der öffentliche Nahverkehr, die Dienste in Frauenhäusern für Frauen in Notsituationen, der Transport von SchülerInnen mit eingeschränkter Mobilität, sowie vielfach Dienste an benachteiligten Personen – darf jedoch weder eine Plattform für die Profilierung einzelner Vereine noch eine leere Routinezustimmung sein, sondern muss konkret für jede einzelne Situation erarbeitet und umgesetzt werden können. Führt man hier mit dieser geplanten Streichung Zustände wie im restlichen Staatsgebiet herbei, verheißt das wenig Gutes für die Nutzer und Nutzerinnen dieser Dienste.
Die verpflichtenden Qualitätschartas wurden vor 12 Jahren per Gesetz eingeführt. Nach sehr mühsamen Anfängen beginnt sich sowohl bei den vergebenden Körperschaften als auch bei den übernehmenden Subjekten endlich das Bewusstsein zu bilden, dass diese ein Instrument sind, von dem alle Beteiligten nur profitieren können. Dank unseres jahrelangen Einsatzes zeigen sich die ersten konkreten Ergebnisse – der europaweit einzigartige Pendlerbonus als Ersatzleistung für Verspätungen im öffentlichen Nahverkehr, der 2019 erstmals an die Südtiroler PendlerInnen ausbezahlt wurde, sei hier nur als Beispiel genannt.
Die betroffenen Dienstleistungen sind der öffentliche Nahverkehr, die Dienste in Frauenhäusern für Frauen in Notsituationen, der Transport von SchülerInnen mit eingeschränkter Mobilität, sowie vielfach Dienste an benachteiligten Personen.
Auch anhand dieser Ergebnisse ist es absolut nicht nachvollziehbar, warum durch solche Querschüsse an der bestehenden Norm herum gesägt werden soll – noch dazu ohne die betreffende Institution auch nur um eine Stellungnahme zu bitten.
Die Stand unserer Informationen vorgebrachte Begründung, dass dieser Buchstabe überflüssig sei, weil durch einen Beschluss der Landesregierung bereits abgedeckt, entspricht nicht den Tatsachen – zitiertem Beschluss der Landesregierung fehlt ohne den entsprechenden Teil des Landesverbraucherschutzgesetzes die spezifische Rechtsgrundlage.
Dabei wird der öffentliche Beitrag als ‘überholt’ bezeichnet, als wolle man eine ‘doppelte’ öffentliche Finanzierung derselben Tätigkeit verhindern. Dabei war und ist eine solche öffentliche Doppelfinanzierung überhaupt nicht gegeben: der Absatz im Landesverbraucherschutzgesetz betrifft nicht die Finanzierung, sondern er verankert allein die sachliche Zuständigkeit der Verbraucherzentrale Südtirol für die Qualitätschartas in Südtirol. Streicht man aber diese Zuständigkeit weg, so verzichtet man auf eine autonome Regelung für Südtirol – ein Rückschritt, der seinesgleichen sucht.
Führt man hier mit dieser geplanten Streichung Zustände wie im restlichen Staatsgebiet herbei, verheißt das wenig Gutes für die Nutzer und Nutzerinnen dieser Dienste.
Eine öffentliche Finanzierung der Verbraucherzentrale für die Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Qualitätscharta ist ohnehin seit jeher ausgeschlossen, da bereits das Haushaltsgesetz 2008 eine Finanzierung durch die öffentlichen Haushalte ausschließt, und festlegt, dass die Qualitätscharta von den Auftragnehmern zu finanzieren ist. (...)
Zur Klärung der Angelegenheit ersuchen wir den Landeshauptmann um eine dringende Aussprache.”
Der Südtiroler
Der Südtiroler Verbraucherzentrale meinen Dank für ihre hervorragende Arbeit. Wer sie beschneiden will, vergeht sich an der Demokratie; der handelt offensichtlich aus Angst ....