Economy | Interview

„In einem Zyklus denken“

Produktdesigner Harry Thaler hat kein Lieblingsmaterial, sondern richtet sich nach Funktionalität und Nachhaltigkeit. „In Masse ist die lokale Herstellung schwierig.“
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Foto: Franziska Unterholzner
Produktdesigner Harry Thaler schloss nach seiner Ausbildung als Goldschmied 2010 das Designstudium am „Royal College of Art“ in London ab. Thaler arbeitet mit international anerkannten Firmen wie Nils Holger Moormann, Pulpo, Davide Groppi, Monocle, Olev Light.
 
salto.bz: Herr Thaler, wieso haben Sie sich bei der Wahl Ihres Bürostandortes für ein ehemaliges Silo entschieden?
 
Harry Thaler: Als wir 2015 von London zurückkamen, war ich auf der Suche nach einem Büro und mir fiel dieser 22 Meter hohe Betontrog in Lana auf. In dem leerstehenden Silo wurden früher Hackschnitzel aus einer Tischlerei aufbewahrt. Ich wollte diesem Gebäude ein neues Leben geben und es recyclen. Nach mehreren Anläufen stimmten erst der Besitzer und dann auch die Gemeinde meinem Vorhaben zu.
 
 
Und wieso nicht ein altes, verfallenes Bauernhaus?
 
Das wäre auch spannend. Viele Bauernhäuser und Stadel werden bereits umgebaut. Das Silo hatte aber einen speziellen Reiz. Es steht mitten im Etschtal und das Etschtal sieht man eigentlich nie von der Mitte aus, weil man es entweder von dem einen oder dem anderen Berg aus betrachtet. Dadurch gewinnt man vom Silo aus eine neue Perspektive. Das sagen mir auch viele, wenn sie in mein Büro kommen.
Bei Beton ist es wiederum ein Vorteil, dass man damit Gebäude für die Ewigkeit bauen kann.
Ihr Design besticht durch klare Formen, wertvolle Materialien, Einfachheit und Eleganz. Was wollen Sie durch die Gestaltung von Räumen und Objekten erreichen?
 
Schwierige Frage. Wenn ich mich mit einem Auftrag auseinandersetze, sind mir die Funktionalität und der Aspekt der Nachhaltigkeit wichtig. Auch wenn es nicht immer möglich ist, versuche ich Materialien zu wählen, die klimaneutral sind. Das war bei mir schon immer so.
 
Was war Ihr erstes Projekt?
 
Mein erstes Projekt war ein Metallstuhl, der Pressed Chair. Er besteht nur aus Aluminium, das man immer wieder einschmelzen und recyceln kann. Denn eine Schwierigkeit beim Recyceln sind oft die verschiedenen und miteinander verbundenen Bestandteile eines Produktes wie Metall, Holz und Stoff.
 
 
Also denken Sie den Recyclingprozess beim Entwerfen schon mit?
 
Ja. Es ist die Aufgabe eines Designers, das Produkt in einem Zyklus zu denken.
Dadurch werden Möbelstücke über Generationen hinweg nutzbar.
Welchen Ansatz verfolgen Sie bei der Herstellung Ihrer Objekte bezüglich Nachhaltigkeit?
 
Mir ist sehr wichtig, dass die Produkte hier hergestellt werden. Vor einigen Jahren entwarf ich ein Fahrrad, bei dem ich dasselbe Prinzip wie bei dem Stuhl verfolgte und das in Italien produziert wird. Der Stuhl wird in München hergestellt, obwohl er in China viel günstiger produziert werden könnte. Für den Pressed Chair bekam ich viele Anfragen von Unternehmen, ich entschied mich aber für Nils Holger Moormann. Ihre Philosophie ist es, im Umkreis von 200 Kilometern zu produzieren. Auch Ikea war an dem Stuhl interessiert und hätte viel mehr produziert und verkauft.
 
 
Gibt es einen Trend zu mehr Regionalität in der Möbelproduktion?
 
Nein. Wenn man in Masse produziert, ist die regionale Herstellung sehr schwierig. Aber einzelne Unternehmen stechen heraus. Beispielsweise bietet eine Firma an, Stühle zu reparieren. Dadurch werden Möbelstücke über Generationen hinweg nutzbar.
 
Wie beurteilen Sie Beton aus Sicht der Nachhaltigkeit?
 
Der Abbau von Beton ist sehr energieintensiv. Auch wenn es heute die Möglichkeit gibt, Beton zu recyceln, ist es kein optimales Material.
 
Gibt es ein optimales Material für den Hausbau?
 
Ich finde es wichtig, Materialien und Bausysteme zu verwenden, die das Trennen und Recyceln von Materialien ermöglichen. Beim Holzbau beispielsweise wäre es ideal, alte Holzbalken wiederzuverwenden. Bei Beton ist es wiederum ein Vorteil, dass man damit Gebäude für die Ewigkeit bauen kann. Auch wenn der Gewinnungsprozess von Beton sehr viel Energie beansprucht, ist Beton sehr viel langlebiger als Holz.