Culture | Salto Weekend

Streik in Hollywood

Was zunächst wie ein rein US-amerikanisches Problem klingt, betrifft letztlich die weltweite Entertainment-Welt. Es ist Zeit, genauer hinzuschauen.

Bereits seit über zwei Monaten, genauer gesagt seit dem 2. Mai 2023 schweigen die ansonsten im Dauerfeuer klappernden Tastaturen der Autor*innen Hollywoods. Grund dafür ist ein groß angelegter Streik, der von der „Writers Guild of America“, also der Gewerkschaft der Autor*innen in der vermeintlichen Traumfabrik, ausgerufen wurde. Es ist nicht der erste Streik dieser Art, bereits vier weitere Male legten die Schreibenden ihre Arbeit nieder, bei der letzten Gelegenheit erstreckte sich der Streik von November 2007 bis in den Februar 2008. Der Grund dieses Mal sind gescheiterte Verhandlungen mit den großen Streaminganbietern wie etwa Netflix oder Amazon, aber auch den Studios wie etwa Disney oder Warner. Den Forderungen der „Writers Guild“ (WGA) nach höheren Löhnen, einer Beteiligung an den Gewinnen der Produktionen, an denen sie beteiligt sind, sowie nicht zuletzt das kontrovers diskutierte Thema Künstliche Intelligenz, wurden nicht nachgekommen. Da keine Einigung erzielt wurde, traten die Autor*innen am 2. Mai in den Streik, und sind es bis heute.
 

Dass die Autor*innen bessere Arbeitsbedingungen fordern, ist angesichts der Fließbandfabrik Hollywood nicht verwunderlich.


Was zunächst nicht sonderlich dramatisch klingt, hat durchaus weitreichende Auswirkungen. Die Entertainment-Branche der USA ist so wie überall auf der Welt abhängig von Kreativen, die mal Woche für Woche, mal für einzelne Projekte Ideen aufs Papier bringen. Bleibt der Ideenfluss aus, werden selbstredend Projekte, die in Entwicklung sind, oder kurz davor, zum Erliegen gebracht. Ganz akut betrifft das tägliche Sendungen wie Late-Night-Shows, deren Gag-Schreiber ebenfalls Teil der WGA sind. Streiken die, stehen die beliebten Moderatoren wie Jimmy Kimmel oder Conan O´Brian ohne Witze da, wortlos förmlich, und fehlen die Worte, gibt es keine Sendung. Zwar retten sich manche Shows mit Aushilfen durch die Krise, langfristig sind aber auch sie von ihrem Autorenstamm abhängig. Genauso wie die unzähligen fiktiven Serien, die von Hollywood aus die Welt erobern, heutzutage zumeist über Netflix und Co. Klarerweise wird stets vorproduziert, doch spätestens in einigen Wochen oder Monaten wird auch das Publikum die Auswirkungen des Streiks zu spüren bekommen – wenn es keine neuen Folgen der Lieblingssendung gibt, oder die neue Staffel auf unbestimmte Zeit verschoben wird. Und verschoben ist das Stichwort. „Stranger Things“, ein Flagschiff von Netflix, wird ebenso nach hinten geschoben wie die Produktion hoch budgetierter Mainstreamfilme aus dem Hause Marvel. Besonders Filme, bei denen eine ganze Heerschar an Autor*innen beteiligt sind, Prozesse also grundsätzlich langsamer verlaufen, und sicherlich auch unterschiedliche Ansichten zum Streik selbst aufeinanderprallen, fallen ihm zum Opfer. Der finanzielle Schaden für die Studios ist immens. 2008 waren von mehreren Hundert Millionen Dollar die Rede. Es ist also im Sinne der Entscheider, schnell zu einer Einigung zu kommen.

 

Nur einer von vielen Titeln, die vom Streik betroffen sind:
Nur einer von vielen Titeln, die vom Streik betroffen sind: "Stranger Things"


Ganz ungewohnt dürfte die Situation aus Sicht des Publikums aber nicht sein. Schon während der Pandemie verzögerten sich die Produktionen und Starts vieler Filme und Serien, teils wurden Blockbuster wie „Top Gun 2“ ein ganzes Jahr lang verschoben. Ebenso unberechenbar wie das Virus ist aber auch der Ausgang der Verhandlungen. Sollte nicht bald eine Lösung zwischen Studios und Gewerkschaft gefunden werden, könnte sich der Streik noch weit in die zweite Hälfte des Jahres erstrecken. Dann lichtet sich der Dschungel an Neuerscheinungen auf den gängigen Streamern, zumindest jener, die aus den USA stammen. Dass die Autor*innen bessere Arbeitsbedingungen fordern, ist angesichts der Fließbandfabrik Hollywood nicht verwunderlich. Ihre Probleme werden durchaus gehört, viele namhafte Schauspieler*innen stellen sich hinter die Menschen, die ihnen Worte in den Mund legen. Sie wissen, dass sie ohne die Schreibenden selbst arbeitslos werden. Die Wertschätzung für Autor*innen im Film-und Serienbereich ist noch immer gering. Erst wenn sie lauthals protestieren, und die Stifte schweigen, hört man genauer hin – ein Dilemma. Die Studios in Hollywood und der Welt sollten ebenso wie das Publikum anfangen, die unschätzbare Arbeit der Autor*innen, jene Basis allen Erzählerischen, zu würdigen. Und nicht zuletzt, anständig zu vergüten.

Seit vergangenem Freitag streiken zudem die Schauspieler*innen Hollywoods. Ein System droht zu kollabieren.