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Hypotopia, die Milliardenstadt

In Wien vor der imposanten Karlskirche, wo normalerweise ein künstlicher See ist, breitet sich eine riesige Modelllandschaft aus: Hypotopia, die Milliardenstadt.
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Ein Nachmittag im Oktober 2014: Die Sonne scheint wie selten im Wiener Oktober, die Menschen tummeln sich im Freien, unter anderem am Karlsplatz. Auch vor der Barockkirche, die nur gegen Bezahlung zugänglich ist. Dort breitet sich zu ihren Füßen Hypotopia aus.

Als 2009 die marode Hypo-Alpe-Adria-Bank in Kärnten verstaatlicht wurde, ging ein Raunen durch Österreich: 19 Milliarden Euro sollte die Bankenrettung die Steuerzahler/innen kosten. Klassische Demoparolen wie „Geld für Menschen nicht für Banken“ erhielten plötzlich eine neue Dimension. Dennoch: Nach dem Raunen verebbte die Empörung – wenn man überhaupt von „Empörung“ sprechen darf. Wer hat in Zeiten der Krise schon ein Gefühl für Geldsummen dieser Größenordnung?

Um das zu verdeutlichen starteten Studierende der Technischen Universität Wien ein Projekt: Sie planten eine Stadt um satte 19 Milliarden Euro. Verschiedener Studienrichtungen setzten sich in dem gemeinsamen Projekt an den Tisch, planten, zeichneten, entwarfen, knobelten, brüteten. Was herausgekommen ist, kann sich sehen lassen und ist in seiner Gänze vielleicht nicht auf Anhieb allen zugänglich.

Die Milliardenstadt ist auf etwa 100.000 Einwohner/innen ausgelegt – das heißt, sie ist wesentlich größer als Klagenfurt, die Stadt, in der sich der Hauptsitz der Hypo Alpe Adria befindet. Doch nicht nur auf die Verdeutlichung der Zahl kommt es den Studierenden der TU Wien an. „Wir stellen keinesfalls den Anspruch, eine perfekte Stadt geplant zu haben. Vielmehr soll Hypotopia als Plattform dienen, in der sich jeder mit seinen Ideen und Wünschen einer modernen Stadt einbringen kann und soll“, berichtet das Team, das sich aus Studierenden der Raumplanung, der Architektur, des Bauingenieurswesens und der Informatik zusammensetzt.

Neue Maßstäbe, neue Methoden, neue Möglichkeiten – das alles will Hypotopia vermitteln. Ein Diskurs soll in die Öffentlichkeit getragen werden, der sonst nur einer universitären Elite vorbehalten ist: Die Energieautarkie ist ein Zusammenspiel von erneuerbaren Energiequellen von Solarthermie über Windkraft (in großen Windkraft und Kleinwindanlagen), über Photovoltaik, möglichst schonende Laufkraftwerke und Flussturbinen bis hin zur Energienutzung aus Biogas- und Müllverbrennungsanlagen gewährleistet. Hochhäuser werden nicht mehr aus Stahl und Beton, sondern so weit als möglich aus Holz gebaut. Wasserwege sind nicht nur schön zum Anschauen, sondern dienen in erster Linie als Verkehrs- und Transportwege.

Apropos Transport: Um die Transportwege für Nahrungsmittel zu verkürzen und damit einen wichtigen ökologischen Beitrag zu leisten, gibt es in Hypotopia eine vertikale Farm. Nur zum Verständnis: Vertical farming ist eine Anbauform, in der Pflanzen in mehreren Stockwerken übereinander angebaut werden können. Durch die spezielle Architektur des Gebäudes sind Lichtzufuhr und Wasserversorgung gewährleistet. Diese Form des Anbaus hat weitreichende gesellschaftliche Folgen: Die Farm ist nicht nur Ort des Lebensmittelerwerbs, sondern gleichzeitig Treffpunkt der Einwohner/innen. Produzierte Lebensmittel können unmittelbar nach der Ernte auf dem Markt angeboten werden. Gleichzeitig müssen aber Orte des Anbaus auch in das restliche Stadtbild integriert werden: Grünflächen sind Nutzflächen. Sie vermeiden Erosion, Dürre und Überschwemmungen. Vertical Farming wird beispielsweise im schwedischen Linköping bereits angewandt.

Ein weiterer interessanter Aspekt ist jener der Bildung in Hypotopia. Grundsätzlich stellen die Erbauer/innen auf der Homepage zu dem Thema klar: „Bildung ist für euch alle da“.

Im Klartext: Bildung ist für alle frei und kostenlos. Fachbereiche können den eigenen Neigungen entsprechend miteinander kombiniert werden. Es gibt altersspezifische so wie generationsübergreifende Angebote, die in weiterer Folge auch zur Weiterentwicklung der Stadt beitragen sollen.

Diese wenigen kleinen Aspekte sollen zeigen, was möglich ist – mit 19 Milliarden Euro und unter Einbeziehung des Wissens vieler engagierter Menschen. Weitere Informationen gibt es auf der Homepage des Projekts www.milliardenstadt.at

Hochhäuser aus Holz, mehrstöckige Anbauflächen, schonende aber effektive Energiegewinnung – alles nur Utopien? Nein, vielmehr eine Präsentation von Möglichkeiten, die leider zu oft im universitären Elfenbeinturm verborgen bleiben. Heute wird Hypotopia eröffnet und ist damit der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.

Die Sonne scheint wie selten im Wiener Oktober, die Menschen tummeln sich im Freien, unter anderem in Hypotopia, der Milliardenstadt.