Apocalypse Now FINAL CUT
“The movie is not about Vietnam. It is Vietnam. We were in the jungle. There were too many of us. We had access to too much money, too much equipment – and little by little, we went insane.”
„Der Film handelt nicht über den Vietnamkrieg. Er ist Vietnam. Wir waren im Dschungel. Wir waren zu viele. Wir hatten Zugriff auf zu viel Geld, zu viel Ausrüstung – und nach und nach wurden wir wahnsinnig.“
Dies waren die Worte, mit denen Regisseur Francis Ford Coppola sein neuestes Werk bei den Filmfestspielen von Cannes im Jahr 1979 beschrieb. Der Mann, der der Welt die Pate-Filme geschenkt hatte, kehrte mit einem Antikriegsfilm auf die Weltbühne zurück. Endlich, mochten viele gesagt haben, denn die Legenden rund die katastrophal komplizierte und desaströse Produktionsgeschichte des Films machten bereits vor Kinostart die Runde. Der Hauptdarsteller Martin Sheen starb beinahe an einem Herzinfarkt, Sets wurden zerstört, Hubschrauber zu echten Kriegseinsätzen abgezogen, Marlon Brando war Marlon Brando (!). Statt den angedachten 14 Drehwochen versumpften Coppola und sein Team über zwei Jahre auf den Philippinen. Man überzog das geplante Budget um ein Vielfaches, sodass der Regisseur selbst mit privatem Vermögen in die Produktion einsteigen musste. Es ist nur allzu passend, dass ausgerechnet der populärsten Verfilmung von Joseph Conrads Roman „Herz der Finsternis“ ein solches Malheur passiert. In jener Geschichte dreht sich alles um einen Mann, der sich auf eine lange, düstere Reise begibt. Er kennt ihr Ende nicht, sondern weiß bloß, dass irgendwo im dichten Dschungel ein wahnsinnig gewordener Colonel sitzt. Die Dreharbeiten wurden für Coppola und insbesondere Martin Sheen selbst eine Reise – eine, bei der man nur zu leicht den Verstand verlieren konnte. Möglicherweise war die gesunde Portion Wahnsinn auch nötig, um das Meisterwerk zu erschaffen, dass wir heute kennen. Der Film feierte in Cannes Premiere und gewann die Goldene Palme. Ende gut, alles gut? Nicht so Coppola, der seitdem keine Ruhe mit seinem Werk findet. Immer wieder setzt er sich hin, schneidet um und probiert aus. Diesem Umstand haben wir es zu verdanken, dass 2001 ein Director´s Cut unter dem Namen „Redux“ erschien. Der Film dauerte in seiner zweiten offiziellen Schnittfassung anstatt 153 ganze 202 Minuten. Die Meinungen, ob die zusätzlich hinzugefügten Szenen den Film bereichern, gehen auseinander. Wer mehr vom Wahnsinn erleben wollte, wurde mit „Redux“ sicherlich glücklich.
Nun, 18 Jahre später ist Coppola 80 Jahre alt und nicht müde, den Schnittraum erneut zu betreten. Wieder geht es um „Apocalypse Now“, doch nun unter dem vielsagenden Namen „Final Cut“. Ob es wirklich der letzte bleiben wird? Einiges, was in der „Redux“-Fassung dazu kam, fällt nun wieder raus. Der „Final Cut“ dauert 183 Minuten.Die Frage muss gar nicht so sehr lauten: Warum noch eine weitere Fassung? Oder „Welche Szenen wurden entfernt?
Vielmehr geht es um die Bedeutung des Films, damals wie heute. „Apocalypse Now“ ist einerseits einer der letzten Filme des New Hollywood, andererseits ein enorm politischer Film. Es geht um vieles, doch vor allem um die Faszination am Krieg. Was in zahlreichen vor allem amerikanischen Filmen als heroisches Gemetzel im Namen der eigenen Nation dargestellt wurde, findet in „Apocalypse Now“ zu einem nihilistischen Ende. Der Krieg erzeugt Bilder in den Köpfen der Akteure. Sie werden nie wieder verschwinden und die Psyche jetzt und auch nachhaltig beeinflussen. Niemand, der Vietnam erlebt hat, wird danach der selbe Mensch sein. Im Krieg findet man nichts Schönes, nicht Erhellendes, nichts Rationales. Krieg ist Wahnsinn, und kaum ein Film schafft es, diese Tatsache in derart erschreckend schöne und grausame Bilder zu verpacken. Ähnlich wie der Protagonist Willard begibt sich auch der Zuschauer auf eine Reise durch den Dschungel. Die Hitze steigt einem zu Kopf, die Nerven liegen bald schon blank und man hört Stimmen da, wo keine sind. Am Ende warten Colonel Kurtz und das vermeintliche Grauen. Eines jedoch, dass sich bereits von Anfang langsam in die Geschichte schleicht. Willard findet das Grauen nicht erst bei Kurtz, sondern wird unterschwellig die ganze Zeit davon begleitet. Der Colonel steht für den Mensch, der vom Krieg vereinnahmt wurde und den Ausweg nicht mehr findet. Willards Mission ist es, Kurtz zu töten, da er den Verstand verloren hat und sinnlos Krieg führt. Eine beinah perverse Aufgabe, die stattfindet, während im Hintergrund tausende Vietnamesen im Namen der US-amerikanischen Regierung abgeschlachtet werden.
„Apocalypse Now“ gibt wie kaum ein zweiter Film ein Plädoyer für den Frieden ab. Das gilt 1979 genauso wie heute. Vielleicht ist der Zeitpunkt der Wiederaufführung ein wahrlich guter. In Zeiten, in denen toxisches politisches Verhalten wieder modern ist und nur allzu leicht mit Kriegsbegrifflichkeiten um sich geschmissen wird, Gewalt und Hass gegen andere Völker en vogue sind und nationale Kriegshelden romantisiert werden, muss schlicht und einfach vor Augen geführt werden, dass Krieg in all seinen Formen verachtenswert ist.
Die Geilheit nach ihm ist das ewige Dilemma der Menschen. Und Francis Ford Coppola einer, der das schon lange verstanden hat.