"Jeder ist aufgerufen, etwas zu tun"
Warum wird der 25. November eigentlich Internationaler Tag gegen Gewalt an Frauen genannt – statt Tag der Gewalt von Männern? Eine Diskussion, die im Zuge des herannahenden Aktionstags gegen geschlechtsspezifische Gewalt die aktuelle Me-Too-Kampagne ergänzt. Nennen wir die Dinge beim Namen, forderte dann auch die Präsidentin des Beirates für Chancengleichheit Ulrike Oberhammer bei einer Pressekonferenz im Vorfeld des Aktionstags.
Die Fakten sprechen schließlich eine klare Sprache: 1377 Frauen wurden in Italien seit 2005 von einem Mann ermordet, das sind 115 pro Jahr beziehungsweise ein Feminizid jeden dritten Tag. „In den vergangenen drei Jahren hat sich dieses Phänomen noch einmal zugespitzt, mit rund 150 Frauenmorden pro Jahr“, erklärte Oberhammer. Und: Eine von drei Frauen erlebt mindestens einmal im Laufe ihres Lebens sexuelle bzw. körperliche Gewalt, zitierte Gleichstellungsrätin Martha Stocker aktuelle Statistiken. Im Gegensatz zu dem, was Schlagzeilen von Übergriffen auf der Straße suggerieren, passiere die meiste Gewalt gegen Frauen in ihrem eigenen Zuhause – meist von Partnern, Ex-Partnern und anderen Personen aus dem familiären Umfeld oder Freundeskreis.
Diese Nicht-Sichtbarkeit von Gewalt ist auch das Thema eines kurzen Spots des Videokünstlers Mauro Manzo, der in diesem Jahr anlässlich des 25. November auf Online-Portalen, lokalen TV-Sendern und in den Kinosälen zu sehen sein wird. „Zerreiß die Fesseln“, ist das Video betitelt, in dem das Thema häusliche Gewalt, aber auch das Wegschauen der Gesellschaft mit suggestiven Bildern dargestellt wird. „Diese Gewaltstatistiken erinnern an Kriegsbulletins“, sagte Mauro Monza, „und jeder in der Zivilgesellschaft ist aufgerufen, auf seine Art etwas dagegen zu tun.“ Wendet den Blick nicht ab, wenn Gewalt an Frauen passiert, ist eine der Botschaften des Videos, das laut Landesrätin Martha Stocker vielleicht von manchen als schockierend empfunden werden mag oder für Diskussionen sorgen könnte. „Doch wir brauchen solche starke Botschaften, um die Menschen aufzurütteln“, so Stocker. Denn wie sich auch vergangene Woche wieder gezeigt hat, sind auch für betroffene Frauen selbst die Hürden groß, bei Gewalttaten Anzeige zu erstatten. Allein in einer Woche waren laut Quästur zehn Fälle von Gewalt an Frauen eingegangen. Tatsächlich Anzeige erstattet haben aber nur zwei der Betroffenen. Auch Nachbarn oder sonstige Zeugen von Gewalttaten sind laut Beirats-Präsidentin Ulrike Oberhammer sogar gesetzlich verpflichtet, diese zu melden.
Mehr Sensibilität und Zivilcourage geschaffen werden soll dafür rund um den 25. November nicht nur mit dem Video-Spot, sondern auch mit gleich zwei Sensibilisierungskampagnen. Der Landesbeirat für Chancengleichheit fordert auch in diesem Jahr Männer und Männervereine auf, mit dem Tragen von Weißen Schleifen ein öffentliches Statement gegen Gewalt an Frauen zu setzen. Neben dieser von Männern begründeten White-Ribbon-Kampagne werden in diesem Jahr auch rote Stühle im öffentlichen Raum an all jene Frauen erinnern, die ihren Platz im Leben durch eine männliche Gewalttat verloren haben. Mit der 2013 von Maria Andaloro ins Leben gerufenen Kampagne „Un posto occupato“ sollen diese Plätze für sie im Zeitraum zwischen 15. und 30. November auch in Südtirol symbolisch durch das Aufstellen roter Stühle freigehalten werden. „Wir haben öffentliche Institutionen dazu aufgerufen, sich an der Kampagne zu beteiligen, um ein möglichst breites Bewusstsein zu schaffen und daran zu erinnern, dass es jede Frau treffen kann“, so Beirats-Präsidentin Ulrike Oberhammer.