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Pop-up-Podium

Die Vereinigten Bühnen Bozen bieten neben Theater auch ein reiches Rahmenprogramm. Neu ist die Veranstaltungsreihe Pop-up-Podium: 4 Diskussionen an 4 besonderen Orten.
Hinweis: Dies ist ein Partner-Artikel und spiegelt nicht notwendigerweise die Meinung der SALTO-Redaktion wider.
Pop up
Foto: VBB
  • Auf dem Pop-up-Podium werden zentrale Fragen unserer Zeit gestellt und diskutiert. In der vierteiligen Gesprächsreihe werden Themen, die auch in den Stücken der aktuellen Spielzeit behandelt werden, aus einem anderen Blickwinkel unter die Lupe genommen. Und zwar nicht im Theater. Sondern an besonderen Orten in Bozen und immer gemeinsam mit Expert:innen aus dem In- und Ausland.

     

  • Über die Werke hinaus diskutieren

    „Die Vermittlung unserer Stücke ist ein zentraler Teil unserer Arbeit“, erklärt Intendant Rudolf Frey, der auch für dieses neue Konzept verantwortlich ist. „Unsere Einführungen bzw. Nachbesprechungen der einzelnen Stücke sind auch sehr beliebt. Aber als Kulturbetrieb sehen wir unsere Rolle auch darin, gesellschaftliche Impulse zu geben, vor allem Impulse zu Themen des Zusammenlebens. Diese Themen kommen auch in den Theaterstücken, die wir spielen, vor. Wir versuchen immer Stücke anzusetzen, die Themen behandeln, die gerade irgendwie in der Luft liegen, mit denen wir uns auseinandersetzen müssen. Bei den Einführungen und Nachbesprechungen bleiben wir aber stets sehr nahe am Stück. Wir benennen und identifizieren diese Themen, nun wollen wir aber noch ein bisschen weitergehen und diese Themen tatsächlich an die Menschen und deren Realitäten heranführen und das bewusst nicht im Theater, sondern an einem Ort, der temporär aufpoppt, woanders, in Bozen, und der auch etwas mit dem Thema zu tun hat. Auf diesem Pop-up-Podium wird zwischen zwei Menschen und später auch mit dem Publikum über das Thema diskutiert. Und zwar wirklich über einige übergeordnete Themen und nicht über die Theaterproduktion, sondern ausgehend von ihr.“

    Die Titel der vier Veranstaltungen lauten: Sich Gutes tun: Lust und Mäßigung; Ungesundes Schweigen – Status, Sigma, Sex; Who CAREs? Was Frauen leisten; und „Erzählen trotz allem“ – Literatur trifft Zeitgeschichte. Dahinter verstecken sich die Themen Tugend und Sünde, HIV und AIDS, Care-Arbeit und die Frage, wie man zeitgeschichtliche Themen heute erzählen kann.

  • Der Intendant der Vereinigten Bühnen Bozen, Rudolf Frey Foto: (c) Anna Cerrato
  • Rudolf Frey gibt Einblicke in die möglichen Diskussionen und die Stücke, die jeweils Pate standen: „Das erste Podium geht vom Stück Die Guten aus, das handelt von den Kardinaltugenden. Der Ausgangspunkt ist hier Sünden versus Tugenden und was so eine Zuordnung in unserer heutigen Zeit überhaupt bedeutet. Das diskutieren wir bewusst und auch etwas provokant in einem kirchlichen Setting, nämlich der Propsteikapelle in Bozen. Das zweite Podium findet anlässlich des Stückes Rent statt. Das Musical dreht sich unter anderem um die HIV-Pandemie der 1990er Jahre in den USA. Ausgehend davon wollen wir über das Stigma von sexueller Gesundheit, nicht nur von HIV, diskutieren. Darüber, dass dieses Thema heutzutage – auch in Südtirol - sehr verdrängt und versteckt wird und darüber, dass Gesundheit und dass offene Kommunizieren über die eigene Gesundheit immer noch sehr aufgeladene Themen sind. Für das dritte Podium haben wir uns Die Entführung der Amygdala ausgesucht und beschäftigen uns mit der Frage, was Frauen leisten und dem gesellschaftlichen Druck und den Erwartungen, denen sie unterliegen. In der Produktion geht es nämlich um das Gehirn einer Frau, die einen Unfall hat und sich ihrer Rolle bewusst wird, indem sie sich fremd wird. Und zum Abschluss, anlässlich der Uraufführung von Sepp Mall, Ein Hund kam in die Küche, diskutieren wir darüber, warum man zeitgeschichtliche Themen erzählen muss und wie. In dem Roman von Sepp Mall, den wir hier natürlich als Stück adaptieren, geht es ganz konkret um Südtiroler Zeitgeschichte, nämlich die Option. Die Diskussion soll sich aber darum drehen, wie man Zeitgeschichte im Allgemeinen und in höchst unterschiedlichen Formen erzählen oder berichten kann, denn sie begegnet uns ja nicht nur im Theater, sondern auch in Romanen, in Filmen, in der Musik usw. Ganz zentral wird hier die Frage sein: Welchen Stimmen muss man hier Raum geben? Und warum? Und da suchen wünschen wir uns ebenfalls spannende Expert:innen, die wir zur Diskussion einladen können.“

  • Ein Format, das sich erst findet

    Bis jetzt stehen nur die Expert:innen und der Veranstaltungsort des ersten Pop-up-Podiums fest, der Rest befindet sich gerade noch in Ausarbeitung. „Ich kann an dieser Stelle noch nicht zu viel verraten“, meint Frey. „Aber es soll zu jedem Pop-up-Podium eine Person als Moderation eingeladen werden, die einen Bezug zu Südtirol und ein Gefühl für die Region hat und dann auf einen überregionalen Gast treffen. Beim ersten Podium moderiert Marco Russo, der zwar in Innsbruck lebt, aber Südtiroler ist. Ähnlich ist es mit dem Ort: Die besonderen Orte sollen auch eine kleine Überraschung sein. Die Dompropstei ist zum Beispiel ein Ort, der normalerweise nicht öffentlich zugänglich ist und das gefiel uns. Die Veranstaltungsorte sollen auch ein bisschen intim sein. Uns geht es nicht um ein großes Podium mit viel Publikum, sondern um ein intimes Gespräch.“

    Das klingt sehr exklusiv. Ist es aber gar nicht. Der Eintritt ist frei. „Das ist für uns auch ein wichtiges Signal“, betont Rudolf Frey. „Denn die Pop-up-Podien sind in vielerlei Hinsicht als Öffnung konzipiert, auch was das Publikum betrifft. Sie sollen Veranstaltungen für alle sein: Für interessierte Menschen, für Menschen, die noch nicht unser Publikum sind, für Menschen, die dann vielleicht unser Publikum werden. Alle können kommen, ohne Geld bezahlen, sich anmelden oder ein Ticket besorgen zu müssen.“

    Auch die dazugehörigen Stücke muss man nicht vorab kennen, um die Gespräche verfolgen zu können. „Man kann zur Diskussion kommen und gar nichts über das Stück wissen oder sich nicht einmal dafür interessieren. Man kann das Stück gesehen haben und dann zur Diskussion kommen. Im besten Fall aber kommt man zum Podium und geht dann in die Theateraufführung. Dann werden im Idealfall vielleicht sogar die Gedanken geöffnet für das, was man auf der Bühne sieht. Dabei sollen die Podien aber keine Werbeveranstaltungen sein. Für uns sind sie viel eher der Realitätscheck der Themen, die wir auf der Theaterbühne verhandeln.“

  • Zu Gast auf dem ersten Pop-up-Podium: Rebekka Kricheldorf Foto: © Robert Frank
  • Das erste Pop-up-Podium

    Am 21. November findet das erste Pop-up-Podium statt. Zu Gast sein wird Rebekka Kricheldorf. Die Dramatikerin beschäftigt sich in ihren Texten mit den Ambivalenzen von moralischem Verhalten und hat das Stück Die Guten geschrieben. „Lust, Hedonismus und sich Gutes tun klingen erstmal gut, aber wenn wir es damit übertreiben, erhalten wir sofort die Quittung. Es macht Spaß, einfach einen Heizpilz anzuschalten, wenn es zu kalt wird, um draußen auf der Caféhausterrasse zu sitzen, aber irgendwann gehen dem Planeten die Ressourcen aus. Es macht Spaß, auch noch die nächste Flasche Wein zu öffnen, aber am nächsten Tag haben wir einen schlimmen Kater und unser Körper sagt uns, dass er es besser gefunden hätte, wären wir am Vorabend maßvoller gewesen“, erklärt sie, was sich hinter dem Titel verbirgt und welche Fragen sich daraus ergeben. 

    „Wir schaffen es also trotz besseren Wissens nicht, auf den Genuss zu verzichten, geißeln uns aber sofort wieder für unser Genießen. Unser schlechtes Gewissen, trotz mieser CO₂-Bilanz in ein Flugzeug zu steigen, hat bereits einen eigenen Begriff bekommen, die Flugscham. Warum haben wir solche Probleme damit, uns zu mäßigen? Und sollten wir andererseits, um noch ein Leben zu haben, das es sich zu leben lohnt, in unserer Mäßigung wiederum nicht allzu maßlos werden, wie der Philosoph Robert Pfaller schreibt? Diese Fragen würde ich beim ersten Pop-Up-Podium gerne mit dem Publikum diskutieren!“

    Kricheldorf freut sich sichtlich auf die Diskussion und auf das Format, das mit so vielen Konventionen bricht. „Als Dramatikerin führe ich oft nur Publikumgsgespäche, die sich direkt auf ein Stück oder eine Inszenierung beziehen, da bleibt leider wenig Raum für eine thematische Vertiefung. Deshalb war ich von der Idee eines Pop-Up-Podiums gleich sehr begeistert, da es mir die Gelegenheit bietet, mit Menschen nochmal anders über drängende Fragen der Gegenwart ins Gespräch zu kommen. Also: Ich freue mich sehr darüber, dass ich diese Reihe eröffnen darf!“