Der Sanierer
Herr Calabrò, Generaldirektor einer Bank zu werden – das heißt für Sie so viel wie „back to the roots“, also zurück zu Ihren Wurzeln, zu gehen. War die Energiebranche doch nicht Ihre Welt?
Nicola Calabrò: Sie können mir glauben, dass mir die Entscheidung sehr schwer gefallen ist, den Energiesektor zu verlassen. Ich habe sie auch erst am vergangenen Freitag getroffen. Denn all das, was ich in den letzten 18 Monaten bei den Etschwerken machen durfte, war nicht nur eine tolle Herausforderung nach 26 Jahren im Bankensektor. Aufgrund der Fusionsverhandlungen war es eine ganz besondere Erfahrung, für die ich all meine Kräfte eingesetzt habe.
Sie galten als Top-Kandidat für die Führung des fusionierten Unternehmens Sel-AEW. Wäre es nicht der interessantere Job gewesen, Südtirols größtes Unternehmen neu aufzustellen als eine Bank mit 150 Millionen Euro an Verlusten zu sanieren?
All jenen , die diesen Job nun als Belohnung interpretieren, kann ich versichern: Die Generaldirektion und Geschäftsführung der Südtiroler Sparkasse zu übernehmen, heißt, sich wesentlich mehr Verantwortung aufzuerlegen und vermutlich weniger Spaß zu haben als bei einer möglichen neuen Aufgabe im Energiesektor.
Präsident Gerhard Brandstätter hat Ihnen die Generaldirektion also nicht als Dankeschön für den gelungen Zusammenschluss mit der Landesenergiegesellschaft SEL übergeben?
Nein, ganz sicher nicht. Vor zehn, fünfzehn Jahren hätte diese Frage vielleicht eine Berechtigung gehabt. Oder sagen wir: Ich beneide die Menschen ein wenig, die damals eine Bank führen durften. In Folge der Krise sind solche Jobs hingegen zu schwierigen und komplexen Aufgaben ohne Erfolgsgarantie geworden.
Man muss auch dazu sagen, dass Ihre beiden Vorgänger diesen Posten nicht freiwillig verlassen haben. Keine Angst davor, auf einem Schleudersitz Platz zu nehmen?
Nein, ich hoffe, diesen Trend verändern zu können (lacht).
"Der Verwaltungsrat der Sparkasse hat sehr darauf gedrängt, dass ich dieses Angebot annehme. Denn ich war der einzige Bewerber, der den vielfältigen Anforderungen des Jobprofils entsprach."
Das heißt also, Nicola Calabrò sucht die wahren Herausforderungen?
Der Verwaltungsrat der Sparkasse hat sehr darauf gedrängt, dass ich dieses Angebot annehme. Denn ich war der einzige Bewerber, der den vielfältigen Anforderungen des Jobprofils entsprach. Und so habe ich letztendlich meine Wahl getroffen und will meinen Beitrag leisten. Obwohl oder vielleicht gerade weil diese Aufgabe eine große Herausforderung ist. Immerhin habe ich bei der Banca di Trento e Bolzano (Btb) schon ähnliche Erfahrungen sammeln können.
Die salto-community kommentierte einen Bericht über Ihre mögliche Ernennung mit dem Hinweis, dass die BTB unter Ihrer Direktion große Verluste schrieb und erst nach ihrem Abgang wieder in die Gewinnzone zurückkehrte. Stimmt das so?
Ich übernahm die Direktion der BTB im Februar 2011 – mit dem ausdrücklichen Auftrag, die Bilanzen zu sanieren. Neun Monate später, in meiner ersten Bilanz, schrieb die Bank mit 18 Millionen Euro den größten Verlust Ihrer Geschichte. Aber ich denke nicht, dass jemand ernsthaft glaubt, ich wäre dafür verantwortlich.
Und gelang es Ihnen, die BTB zu sanieren?
Sagen wir, ich bin 2013 auf halbem Weg ausgestiegen. Mein Nachfolger hat dann meinen Kurs fortgesetzt, und seit 2014 schreibt die Bank wieder Gewinne. In der heutigen Zeit zählt eine solche Erfahrung als Sanierer viel mehr als kaufmännische Kompetenzen. Auch bei der Sparkasse ist es beispielsweise als wichtige Voraussetzung gesehen worden, dass ich damals bei der BTB die gesamte Inspektion durch die Banca d’Italia begleitet und vor allem nachbearbeitet habe. Denn die Bankenaufsicht legt größten Wert darauf, dass die Aufgaben, die sie im Zuge einer solche Inspektion auferlegt, auch sorgfältig ausgeführt werden.
Auch die Südtiroler Sparkasse wird derzeit einer solchen Sonderkontrolle unterzogen. Wie lange sind die Inspekteure noch im Haus?
Noch rund zwei Wochen. Das heißt, ab März wird man dann auch in der Sparkasse mit der Umsetzung der Aufgaben beginnen müssen.
Welche Aufgaben sind das beispielsweise?
Im Wesentlichen geht es um Korrekturen all jener Prozesse und Organisationsstrukturen, bei denen die Bankenaufsicht Mängel festgestellt hat.
"Die Bank hat heute Probleme, sie hat sogar sehr schwerwiegende Probleme. Und die hängen mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit auch mit Fehlern zusammen, die in der Vergangenheit gemacht wurden."
Wird es zu weiteren Einschnitten beim Personal kommen?
Nein, nicht über jene Schritte hinaus, die bereits im Dezember beschlossen wurden.
Wann werden Sie von der Zwölfmalgreinerstraße in die Sparkassenstraße umziehen?
Das müssen wir noch mit dem Präsidium der Etschwerke abklären. Die Entscheidung ist schließlich noch ganz frisch. Nun gilt es, meinen Abgang so zu planen, dass ich die Bedürfnisse der Bank möglichst bald erfüllen kann, ohne die Etschwerke im luftleeren Raum hängen zu lassen.
Viele Menschen in Südtirol fragen sich noch immer, wie das solide Schlachtschiff Südtiroler Sparkasse in verhältnismäßig kurzer Zeit in so tiefe Turbulenzen geraten konnte. Haben Sie dafür eine Erklärung?
Die Bank hat heute Probleme, sie hat sogar sehr schwerwiegende Probleme. Und die hängen mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit auch mit Fehlern zusammen, die in der Vergangenheit gemacht wurden. Doch ich glaube fest daran, dass die Südtiroler Sparkasse mit frischem Kapital wieder auf die Beine kommt und wieder zu dem wird, was sie immer war: ein Bezugspunkt für das gesamte Land. Und es wird auch meine Aufgabe sein, der gesamten Mannschaft nach einem schwierigen Jahr wieder die dafür notwendige Motivation zu geben.
Werden Sie auch nach Partnern mitsuchen, die das nötige Kapital beitragen?
Die Zusammenarbeit mit Partnern steht ebenfalls auf dem Plan, aber es wird zu keinen strategischen Beteiligungen kommen, wie dies bei anderen Banken passiert ist. Denn es gibt Übereinstimmung darüber, dass die Bank in lokaler Hand bleiben soll.
Die Unabhängigkeit der Südtiroler Sparkasse ist also nicht in Gefahr?
Wir werden daran arbeiten, genau das zu vermeiden.