Politics | Eiertreter*in

Nicht schauen ist alles

Der größte Medaillenregen für Südtiroler Sportler bei Olympia nach Lillehammer - das geht mir sowas von am Arsch vorbei.
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Foto: Pixabay

Also von dieser Olympiade habe ich bis jetzt genau null Minuten gesehen. Stimmt nicht ganz. War letzte Woche mit der Hanna und der Ulli auf einen halbmittäglichen Campari beim Unterwirt und da lief im Hintergrund irgendwas mit Skifahren. Ich glaube es war Männerabfahrt - kann ich nicht genau sagen, weil wir bereits bei der vierten Runde waren und ich schon etwas angeschlagen: Dieses Long-Covid macht mir echt zu schaffen. Bin nicht mehr so trinkfest wie vorher.

Hundertstel

Die Hauptstadt Frankreichs und der Inner hätten mich so oder so nicht interessiert … Was? Wegen der Zensur, den Uiguren, dem naturfressenden Gigantismus der Spiele, bei dem die Gewinne in die Taschen eines steuerbefreiten Vereins namens IOC privatisiert werden und die Verluste in diesem Fall der bevölkerungsreichste Schurkenstaat der Welt trägt? Jetzt machen Sie mal halblang! Die Olympischen Spiele sind nicht politisch - hat der Thomas Bach gesagt. Punkt!
Ich schaue schon seit Jahren keine Skirennen im TV. Der Fendrich mit seinem „Es lebe der Sport“ und der Textzeile „Weltcup-Abfahrtsläufe machen se a bisserl müd/Weu sie is abgebrüht“ könnte ich jetzt als Alibi vorschieben. So wie die Führende in der Leaderbox alibimäßig die Hände vor's Gesicht schlägt, wenn sich eine Konkurrentin mit Bestzeit bei einem „Sturz bei 120 kmh“ zerlegt. Der Grund, warum Skirennen kein Faszinosum mehr sind, ist viel banaler. Wenn mir ein Experte anhand übereinandergelegter Fernsehbilder erklären muss, warum gewonnen wurde und dazu noch eine Rechnung aufgemacht, in der der Hundertstelabstand in Zentimeter umgerechnet wird, hat man sich so weit vom Breitensport entfernt, dass das nur noch eine Veranstaltung für Nerds und E-Streicher ist.
Apropos Votalond und sein Nationalsport. Ich glaube es war in den Neunzigern, aber nageln Sie mich nicht fest. Ich erinnere mich dunkel an eine handfeste Polemik um nationalistische Fernsehkommentatoren des ORF und wie schäbig die unsere Skiasse behandelten. Standen die Unsrigen auf dem Stockerl waren sie Italiener, fuhren sie irgendwo hinten rein Südtiroler - oder umgekehrt. (Scheiß Long-Covid. Scheiß Gedächtnisleistung … könnte aber auch die Nachwirkung der heutigen Camparirunde sein). Wenn ich mich nicht irre, kulminierte die vom Boulevard genüsslich angeheizte Kampagne in einer Podiumsdiskussion im gerammelt vollen Vereinshaus von Sarnthein - unter Teilnahme eines alten Schlachtrosses des Öffentlich-rechtlichen, der extra von Draußen indr kam. Der empört brodelnde Saal war für so einen Medienprofi eine gemahnte Wies und es kam wie es kommen musste. Ich sage nur Sportpalastrede Februar '43 und so: „Totaler Krieg, bla, bla“. Hätte der ORFler in den Saal gebrüllt: „Aber die ÖSV-Läufer sind doch die besseren Skifahrer“, wäre ihm ein begeistertes „JAAA!!!“ entgegengebrandet. So zumindest wurde es mir reportiert.

Olympischer Frieden! Sport war schon immer eine Art Stellvertreterkrieg. Helfen Sie mir: Welches Lokalblatt ergänzt den Medaillenspiegel um den Eintrag „Südtirol“ samt rotem Gummigigger und wer forderte für Olympia eine eigene Mann- und Frauschaft unter der hiesigen Fuhn? War es die SF? Bestimmt. Die haben sich - an den obigen Diskurs anknüpfend - auch entblödet den Fernsehsendern des deutschen Sprachraums noch 2010 einen Brief zu schreiben, mit der Bitte Südtiroler Olympiateilnehmer nicht als „Italiener“ zu bezeichnen.
Also mir tun unsere Sportler leid. Zwischen „Grian, Weiß, Roat isch die walsche Pfoat; oben drrissn und unten drschissn“ und „Ma voi vi sentite Italiani“ passiert dir dann sowas wie dem Gerhard Plankensteiner in Turin 2006. „Non conosco quella canzone“, hatte der Gerry damals geantwortet, als ihn die Medienmeute gefragt hatte, ob er denn auf dem Bronzestockerl den „Inno die Mameli“ singen würde? Apriti cielo! Der Gerry muss froh sein, dass er damals nicht gevierteilt wurde oder zumindest wegen Verstoß gegen Artikel 292 des Strafgesetzbuches: „Vilipendio alla bandiera o ad altro emblema dello Stato“ seine Bronzene gleich wieder abgeben musste. Schließlich gründet unser Strafgesetz auf dem Codice Rocco des glorreichen faschistischen Ventennio. Der Plankensteiner konnte mit Verweis auf mangelnde Kentnisse im Hintrisch-Reden seinen Fauxpas einigermaßen wieder ausbügeln. Schließlich ist die Amtsprache bei den walschen Rodlern Südtirolerisch - es sei denn, indische Gastarbeiter wie Shiva Keshavan, der „schnellste Mann Indiens“ stoßen zum Team. Als Mitglied einer Sportgruppe von Heer, Finanzer, Zepf oder Karpf musst du einfach wissen, dass „Il Canto degli Italiani“, „Fratelli d'Italia“, „Inno di Mameli“, „Canto nazionale“ oder „Inno d'Italia“ ein und die selbe blutrünstige Hymne sind. Schließlich „Siamo in Italia“.
Wäre gerade so, als würde in der Piefkei nach der Kaiserhymne von Joseph Haydn gefragt werden und der Athlet wüsste nichts damit anzufangen. Ich wette nur die wenigsten deutschen Goldjungen und -mädchen, wissen, dass das Deutschlandlied von 1826 bis 1918 die offizielle Kaiserhymne des Kaisertums Österreich war. Vermutlich noch weniger, dass man das „Auferstanden aus Ruinen“ der Nationalhymne der ehemaligen DDR an Stelle des Textes von August Heinrich Hoffmann von Fallersleben singen kann und umgekehrt - also teilweise. Die DDR-Hymne folgt in den ersten acht der neun Zeilen einer Strophe dem Versmaß der Kaiserhymne. Kann aber „wegen des abweichenden Schlusses nicht wechselseitig gesungen werden“, weiss Wikipedia. Südtiroler haben es da einfacher. Ich singe beispielsweise beim Andreas-Hofer-Lied immer den Text von „Dem Morgenrot entgegen“, ein Kampflied der Arbeiterbewegung, geschrieben 1907 vom Bremer Lehrer und Sozialdemokraten Heinrich Eildermann zur Melodie der Tiroler Landeshymne. Bringt beim Absingen das gestandendste Tiroler Mandsbild neben mir aus dem Konzept und dabei habe ich ja nur ein Stimmchen. Strophe um Strophe wird es stiller um mich herum; auch weil die meisten nur die erste Strophe können. Vielleicht sollte man auf die Landesregierungen von Nord- und Südtirol einwirken, dass bei uns - so wie in der Piefkei - auch nur eine Strophe gesunden wird. Die Teitschen mit ihrem „Einigkeit und Recht und Freiheit...“ sind zum Erbarmen. Das rechte Gesocks ist seines „Deutschland, Deutschland über alles, Über alles in der Welt“ verlustig gegangen. Und wir: „Von der Etsch bis an den Belt“.
Boah! Das wäre was. Als Großdeutschland wären wir Südtiroler jetzt auch Zweiter im Medaillenspiegel - anstatt mit Walschland irgendwo an elfter Stelle rumzukrebsen. Moooment! Dann müsste die Ostmark mit „Heim ins Reich“, sonst wären wir ja eine Exklave - durch die Nordtiroler Brüder vom Mutterland getrennt. Und Schwestern. Die Ösis hatten 2011 den Mut Hand an ihr „Heimat bist du großer Söhne“ zu legen. Seit damals kommen in der Bundeshymne die Gitschen auch vor.

Der Sven (Sven ist kein Südtiroler Name) wird es leugnen, aber unsere Brettlhelden wären nördlich des Brenners nicht willkommen. Um den Patriotismus beim Sport richtig einzuordnen, zu verstehen, welchen Stellenwert ein Ultner, Gaisinger oder Badiot im ÖSV hätte, komme ich zu den Rodlern zurück: Wenn die Truppe vom Armin in Igls die Bahn für Trainingsfahrten bucht, sollen die Nordtiroler immer gerne am Thermometer der Kühlanlage rumschrauben, damit die Insrigen kein kaltes, schnelles Eis haben. Hat mir ein Rodler bei irgendeiner Preisverleihung auf der ProWinter so erzählt. Eigentlich war ich wegen eines Autogramms vom Armin da. Also es gibt keinen fescheren Kampl als den Armin in seiner Karpf-Uniform. Kommt nicht einmal der Andreas Gabalier ran. Übrigens war die ProWinter das erste Südtiroler Corona-Opfer. Die Messe wurde auf Geheiß eines Sterzinger Anlagenbauers in seinen Zukunftsmarkt Beijing verlegt und im Februar 2020 gecancelt - lange bevor bei uns die Covid-Maroden die Krankenhäuser fluteten. Und jetzt wollen die Schlitzaugen auf keinen Fall ihr Virus zurück und veranstalten Olympia in einem „Closed Loop“, einer Blase. Ich schweife ab.

Tausendstel

Ich nehme an, die Rodler sind die einzigen, die sich über den Kühlschrank Yanqing freuen: Je kälter das Eis, desto schneller die Bahn. 2,5 Milliarden US-Dollar soll die gekostet haben. Im Olympia-Film mit Felix Neureuther „Spiel mit dem Feuer - wer braucht noch dieses Olympia?„ auf der ARD haben sie errechnet, dass - die dreitausend Trainingsfahrten der Chinesen bereits eingepreist - jede Olympiafahrt etwa 700.000 Euro kostet. In einer Presseaussendung vom 11. November 2021 über die Absichtserklärung des Landes Südtirol an das Internationale Olympische Komitee 15 Jahre lang an der Bobbahn „Monti“ in Cortina mitzuzahlen, schrieben die Grünen von: „80 Millionen für den Ausbau und ein Defizit von bis zu einer Million Euro pro Jahr - für eine Sportart, die in Italien nur 15 Mitglieder zählt“. 80 Millionen? Die Grünen waren immer schon blauäugig. Wer 22 Millionen für den Umbau eines „olympiafitten“ Biathlonstadions in Antholz in die Hand nimmt, wird sich nicht lumpen lassen, wenn beim Gießen dieses Betonschlauchs die Kosten aus dem Ruder laufen. Wie immer ist dessen Planung - wie überhaupt der ganze Bobsport - in deutscher Hand: Die Bahn in Cortina wird vom Stuttgarter Ingenieur Uwe Deyle konzipiert, der bereits die Bahnen in Turin, Sotschi, PyeongChang und jetzt Yanqing gebaut hat. Da ist es nicht verwunderlich, dass die Piefke die Bahn im Simulator üben konnten, weil die Chinesen wegen Covid niemand zu Trainingsfahrten ins Land ließen. Bösen Zungen behaupten ja, unsere Naturbahnrodler werden deshalb nie zu Olympia fahren, weil Bob und Rodeln für die Deutschen sozusagen eine Bank für einen Dreiersatz an Edelmetall sind. Zumindest nicht unter einem deutschen IOC-Präsidenten Thomas Bach. Das Narrativ geht so: Wenn die Amis auf NBC - für niemand anderen werden diese Spiele veranstaltet - erst mal sehen, um wieviel spektakulärer und vor allem kostengünstiger Naturbahnrodeln ist, lässt sich Kunstbahnrodeln nicht mehr verantworten. Nicht kostenmäßig, nicht klimatechnisch. Und fällt eine Säule des Dreigestirns Bob, Rodel, Skeleton fallen die anderen auch.
Was haben die Naturburschen innerhalb der Fédération Internationale de Luge de Course (FIL) nicht alles unternommen: International breiter aufgestellt, Fernsehübertragungen organisiert. Mittlerweile braucht es nicht einmal einen Forstweg, man kann so eine Naturbahn sogar in einen Skihang eisen und am Tag nach dem Rennen mit der Schneekatze wegplanieren. Kann man mit Skisprungschanzen und Eiskanälen nicht machen. Lassen Sie mal die Bilderserie der „Millionengräber auf Bergen“ auf Spiegel Online auf sich wirken und Sie bekommen eine Ahnung wie die Rodelbahn von Torino 2006 in Cesana Pariol heute aussieht, nachdem im Oktober 2012 die Ammoniaktanks geleert wurden, weil die jährlichen 1,3 Millionen Führungskosten nicht zu stemmen waren. Südtirols Geldsäckl wird es in Cortina schon richten.

Jahr-Millionen

Jedenfalls hat Kunstbahnrodeln mit der Gaudi meiner Kindertage auf der Wiese vom Hintertoler genauso viel zu tun, wie Slalomfahren mit dem „Freeriden“ zwischen Fichten und Lärchen auf Waldwegen - Hupfer inklusive. Gott, was hatten wir einen Spaß. Meine Mama sagte immer, ich konnte Skifahren bevor ich Laufen konnte. Meine ersten Skischuhe waren noch aus Leder, mit denen man in eine Kabelbindung auf Holzski stieg und die Liftkarte wurde mit einem Kartenzwicker entwertet. Für jeden Lift eine andere. Altro che Skipass. Was heute state of the art ist kann ich nicht sagen. War schon seit Ewigkeiten nicht auf den Brettern, die die Welt bedeuten unterwegs. Weil ich mir das als Alleinerziehende schlicht nicht leisten kann. 118,5 Euro würde eine 2,5-Stunden-Karte für meine zwei Laggl und mich im Skigebiet 3 Zinnen kosten. Ausrüstung leihen exklusive. Skifahren ist zu einem Elitensport verkommen - warum sollte ich mir sowas im Fernsehen ansehen? Da gehe ich lieber spazieren. Alleine und auf der Alm. Keinesfalls im Rudel mit dem Neanderlan (danke an das Tageszeitungs-Forum für diese Wortschöpfung) durch Orts- und Stadtkerne. Total gaga. Ach so, die dürfen wegen fehlendem Green Pass nicht in die Almhütte, wo man bei einem Glühwein im TV zuschauen könnte, wie die Delago-Schwester (kann ich nie auseinderhalten) mit der Bronzenen um den Hals „Zu Mantua in Banden“ grölt! Ski-Heil!

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Salto User
Sepp.Bacher Wed, 02/16/2022 - 12:03

Olympia Mailand Cortina 2026. Man hätte den Mut haben müssen, anstatt Kunstbahn- das Naturbahnrodeln einzuführen. So hätte es keine pompöse und teure Bob- und Rodelbahn gebraucht. Bob könnte man wie früher auch auf Naturbahn ausrichten. Logischerweise verändern sich dadurch diese Sportdisziplinen.
Bei dem Vorschlag, die Biathlonbewerbe in Antholz auszurichten, hat man argumentiert, man könne die dortigen guten Strukturen verwenden und dadurch die Ausgaben gering halten und die Umwelt schonen. Jetzt wo die Bewerbe an Antholz vergeben sind, ist man schon wieder dabei, die Infrastrukturen vor Ort und die Zufahrtsstraßen auszubauen. Und das Ganze soll noch - laut LH - nachhaltig sein?? Das ist Green-Washing pur! Alle spielen mit! Außer der Goggel Totsch.

Wed, 02/16/2022 - 12:03 Permalink
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Jäger Bauer Fri, 02/18/2022 - 17:59

Liebe Goggltotscherin, tust mir echt so leid um dein long covid. Als allwissende Eiertreterin hattest du dich sicher zu erster Stunde impfen und wieder impfen und dann auch noch gscheid boostern lassen, und trotzdem hat's dich irgendwann bös und long erwischt. Hättest mich gefragt! Steh ja immer unten am Kreisverkehr, da wo sie alle vorbeikommen in privat und zivil. Da wird gepiekst, und wie!
Für gscheid ohne kurz geben die Schmattigen und Glehrten alles. Nur die ganzen Hascherlen machen's halt mit und werkeln long. Weil da spürt mann ja auch den Piecks net. Bleib gsund!

Fri, 02/18/2022 - 17:59 Permalink
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Hartmuth Staffler Tue, 02/22/2022 - 21:14

Man darf nicht vergessen, dass der Wert von olympischen Winterspielen vor allem darin liegt, dass mediengeile Sportfunktionäre und Politiker sich dort kostengünstig, das heißt auf Kosten der Allgemeinheit und der Umwelt, präsentieren können. Sportler, die dabei mitspielen, braucht man zwar auch, aber die sind eigentlich Nebensache, bekommen eh' nicht mit, um was es eigentlich geht, und werden nur gebraucht, um für besagte Sportfunktionäre und Politiker bei sogenannten Siegesfeiern als Umrahmung und Erhöhung ihres Ansehens zu dienen. So ganz nebenbei: Die Melodie für das zuerst österreichische Kaiserquartett, dann Kaiserhymne, dann Volkshymne, dann deutsche Nationalhymne hat Papa Haydn von einem kroatischen Volkslied übernommen, es handelt sich daher um ein recht multikulturelles Musikstück.

Tue, 02/22/2022 - 21:14 Permalink