Politics | Verbände
Doppelzüngige Volkspartei
Foto: Landtag/Werth
An der Spitze der SVP scheint man sich auf eine gemeinsame Gangart geeinigt zu haben.
Bereits am 4. September 2022 sagte SVP-Obmann Philipp Achammer auf der SVP-Landesversammlung einen Satz, der manchen im Meraner Kurhaus aufhorchen ließ. Achammer forderte in seiner Rede unter anderem die „Bereitschaft für den Kompromiss“. Dann wird der SVP-Chef noch deutlicher: „Und damit meine ich nicht nur in der Partei, sondern auch die Verbände und Interessengruppen“.
Arno Kompatscher geht noch einen Schritt weiter. In einem ff-Interview sagt er vor drei Wochen:
„Die Verbände und Gewerkschaften haben eine wichtige Funktion in der Gesellschaft, auch wegen ihrer Expertise in Sachfragen. Nur müssen wir die Entscheidungen der Partei und die Forderungen der Verbände wieder klarer trennen. Der Eindruck, die SVP sei eine Lobbypartei, schadet ihr enorm, Leute, die sich nicht in einer Lobby wiederfinden, werden sich dann schwertun, unsere Partei zu wählen.“
Auch der Landeshauptmann wird in diesem Interview noch deutlicher:
„Den Worten müssen aber auch Taten folgen, indem wir etwa schauen, dass Spitzenvertreter eines Verbandes nicht gleichzeitig Vorsitzende des SVP-Ausschusses zu diesem Thema sind. Außerdem gibt es immer einen gewissen Drang zur Profilierung.“
Die Aussage war perfekt getimt und sie sitzt. Gemeint ist etwa HGV-Präsident Manfred Pinzger und noch klarer Siegfried Rinner. Der Bauernbund-Direktor und Master Mind der Bauernfraktion in der SVP ist gleichzeitig auch Vorsitzender des Landwirtschaftsausschusses in der SVP. Damit sitzt Rinner auch in der Parteileitung.
Arno Kompatscher hat diese Trennung von Verbandsfunktionen auch in der SVP-Klausur Anfang Februar angesprochen. In der ersten Märzwoche - auf der entscheidenden SVP-Klausur - will der Landeshauptmann angeblich Ernst machen und eine entsprechende Unvereinbarkeit innerhalb der SVP verlangen.
Schon jetzt ist klar, dass es dazu eine harte Auseinandersetzung innerhalb der SVP geben wird. Denn wer die Macht der Lobbys antastet, tut sich schwer in diesem Land.
Schon jetzt ist klar, dass es dazu eine harte Auseinandersetzung innerhalb der SVP geben wird. Denn wer die Macht der Lobbys antastet, tut sich schwer in diesem Land.
Große Worte und Realität
„Den Worten müssen aber auch Taten folgen“, sagt Arno Kompatscher im ff-Interview. Und solche Taten folgten dann auch vergangene Woche im Südtiroler Landtag.
Nur gehen sie in genau die gegenteilige Richtung wie das Duo Kompatscher/Achammer großspurig angekündigt hat.
Am Mittwoch und Donnerstag vergangener Woche wird im Landtag der von Brigitte Foppa (Grüne) eingebrachte Gesetzentwurf über die Wahlwerbung von Vereinen, Verbänden und Gewerkschaften behandelt. Dabei ging es vor allem darum eine absurde gesetzliche Lücke zu schließen. Schon vor Jahren waren sowohl im Regionalrat als auch im Landtag auf Antrag der Grünen Gesetzesvorschläge genehmigt worden, die Verbänden, Vereinigungen und Gewerkschaften, die von öffentlicher Hand gefördert werden, ab dem 60. Tag vor einer Wahl verbietet, für Kandidaten und Parteien öffentlich zu werben.
Die Krux dabei: Im Gesetz sind für Verstöße gegen diese Bestimmung keinerlei Sanktionen vorgesehen. Demnach bleibt das Verbot wirkungslos.
Genau das wollten Foppa & Co mit der Einfügung von drei Absätzen in das Südtiroler Wahlgesetz korrigieren. Der Kern der Änderung: Verbänden, Vereinen und Gewerkschaften sollen bei Übertreten dieser Norm im folgenden Jahr die Hälfte der Fördermittel gestrichen werden.
Während die gesamte Opposition dieses Ansinnen teilte, stimmte die SVP und die gesamte Regierungsmehrheit am vergangenen Donnerstag dagegen. Der Vorschlag wurde mit 16-Ja und 19 Nein-Stimmen im Landtag versenkt.
Damit wird deutlich wie weit die verbalen Ankündigungen und die Realität unterm Edelweiß auseinander driften.
Peinliche Märchenstunde
Den Vogel wirklich abgeschossen hat die SVP aber in der Argumentation für diese überraschende Entscheidung.
Auffallend ist, dass überhaupt nur drei Vertreter aus der Regierungspartei in der Landtagsdebatte das Wort ergriffen haben. Gert Lanz, Helmuth Tauber und SVP-Fraktionssprecherin Magdalena Amhof.
Gert Lanz, jahrelang Präsident des Südtiroler Handwerkerverbandes LVH sagte im Landtag, es gehe darum zu klären, ob öffentliches Geld, das Vereine, Verbände, Gewerkschaften erhalten, für den Wahlkampf eingesetzt werden darf. „Es ist aber so, dass diese kein öffentliches Geld mehr bekommen“, sagt Lanz dann wörtlich.
In dieselbe Kerbe schlug dann auch Magdalena Amhof. Die SVP-Fraktionssprecherin erklärte ebenso: „Die Neuerungen im Gesetz sind die Sanktionen, doch die großen Wirtschaftsverbände erhalten keine Beiträge von der öffentlichen Hand, denen kann man folglich nichts nehmen.“
Dabei weiß man in der SVP nur zu gut, dass diese Aussagen in Wirklichkeit die reine Unwahrheit sind. Welche peinliche Märchenstunde man dabei im Hause Volkspartei in der öffentlichen Landtagsdebatte abgeliefert hat, wird deutlich, wenn man sich die Südtiroler Verbände genauer anschaut.
Doppelte Struktur
Es stimmt zwar, dass große Verbände wie etwa der Südtiroler Bauernbund (SBB), der Hotelier und Gastwirtverband (HGV), der Handwerkerverband (LVH) oder der Handels- und Dienstleisterverband (hds) keine direkten Beiträge vom Land mehr bekommen.
Doch man hat schon vor Jahrzehnten ein System ausgeklügelt, um diesen Problem der öffentlichen Finanzierung aus dem Blickfeld der Öffentlichkeit zu nehmen.
Denn fast alle diese Verbände haben eine doppelte Struktur. Neben dem offiziellen Verband gibt es Servicegenossenschaften, die die Arbeit des Verbandes finanziell und organisatorisch abwickeln, die Personalkosten und die Kosten für die Weiterbildung übernehmen. Die Führungsspitze zwischen Verband und Genossenschaft ist meistens deckungsgleich. Der Verband erhält keine öffentlichen Beiträge, dafür aber diese Servicegenossenschaften.
Denn fast alle diese Verbände haben eine doppelte Struktur. Neben dem offiziellen Verband gibt es Servicegenossenschaften, die die Arbeit des Verbandes finanziell und organisatorisch abwickeln, die Personalkosten und die Kosten für die Weiterbildung übernehmen. Die Führungsspitze zwischen Verband und Genossenschaft ist meistens deckungsgleich. Der Verband erhält keine öffentlichen Beiträge, dafür aber diese Servicegenossenschaften.
Die Genossenschaften
Der Südtiroler Bauernbund hat Anfang 2000 die „Bauernbund Service GmbH“ gegründet. Der Verwaltungsrat besteht aus Siegfried Rinner (Präsident), Daniel Gasser (Vize), Leo Tiefenthaler, Bernhard Brugger und Raffael Peer. Die GmbH gehört zu 100 Prozent dem Südtiroler Bauernbund und hat im September 2022 34 Angestellte. Dieses Unternehmen erbringt den Großteil der Dienstleistungen, die der Bauernbund anbietet. 2021 macht die Bauernbund Service GmbH einen Umsatz von 2.532.022 Euro und einen Gewinn nach Steuern von 319.359 Euro. Im selben Geschäftsjahr erhielt das Unternehmen vom Land einen Beitrag von 76.400 Euro, vom Staat einen Beitrag von 30.792 Euro und der Handelskammer Bozen einen Beitrag von 10.000 Euro.
Die „HGV-Service Genossenschaft“ (so heißt der Verband im Handelsregister) wurde hingegen bereits im Juni 1979 gegründet. Sie hat 216 Angestellte (Stand September 2022). Der Verwaltungsrat besteht aus Manfred Pinzger (Präsident), Gottfried Schaguler (Vize), HGV-Direktor Thomas Gruber, Johann Pichler und Judith Rainer. 2021 macht die HGV Service Genossenschaft einen Umsatz von 21.621.581 Euro und ein Gewinn nach Steuern von 1.116.641 Euro. Im selben Jahr hat die Genossenschaft verschiedene Landesbeiträge in der Höhe von 224.323,71 Euro erhalten.
Die „hds Servicegenossenschaft“ wurde 1987 gegründet und hat 117 Beschäftigte. Der Verwaltungsrat besteht aus Philipp Moser (Präsident), Sandro Pellegrini (Vize), Johann Unterthurner, Dietmar Spechtenhauser, Hartmut Überbacher, Christian Giuliani, Simone Buratti und Daniel Schönhuber. 2021 macht das Unternehmen einen Umsatz von 9.260.372 Euro und einen Gewinn von 325.440 Euro. Die öffentlichen Beiträge: 97.3007,28 Euro.
Der LVH hat gleich zwei Dienstleistungsunternehmen. Im Sommer 1988 gründete man die „LVH-Bildung und Service Gen.“. Im Verwaltungsrat sitzen Martin Haller (Präsident), Hannes Mussak (Vize), Josef Vieider, Petra Tschenett, Horst Pichler und Giorgio Bergamo. Die Genossenschaft hat 108 Angestellte und machte 2021 einen Umsatz von 10.694.035 Euro und einen Gewinn von 20.923 Euro. 2021 erhielt die Genossenschaft 1.264.261,49 Euro an öffentlichen Beiträgen.
Spätestens damit wird klar, wie schizophren die SVP immer dann wird, wenn es um die mächtigen Verbände geht.
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Eine Frage stellt sich mir
Eine Frage stellt sich mir nun spontan:
kommt die Persönlichkeit nun vor das Parteischiedsgericht weil sie diesen Artikel "gelikt" hat?
Ach sorry wir haben Fasching!
Wer stellt die Frage: auf was
Wer stellt die Frage: auf was ist das Machtsystem der SVP und der Südtiroler Autonomie aufgebaut ? Die Beiträge an die großen Wirtschaftsverbände, direkt oder indirekt zugewiesen, sind wohl nur eine Folgeleistung, oder ?
In reply to Wer stellt die Frage: auf was by alfred frei
Um den Magnago mit möglichst
Um den Magnago mit möglichst vielen Vorzugsstimmen zu übertrumpfen, "hat der gute Luis die Fürstentümer reichlich gefüttert."
Kein Wunder, "wenn sie sich eigene VER-TRETER in der OBRIGKEIT halten und ihr JUBEL-GESCHEI von der angemessenen Fütterung abhängig machen."