Politics | Krankenhaus Sterzing

Geballte Bürgerwut

Den Wipptalern stand's im Gesicht geschrieben: keine Lust mehr auf Spielchen. Die zentrale Frage am Montag abend: Keine Tumoroperationen mehr? Wird Südtirols Gesundheitspolitik zentralisiert?

Vor dem roten Vorhang des Sterzinger Stadttheaters hatte sich die Südtiroler Sanitätsriege versammelt: ein, in seinen Aussagen unklarer Generaldirektor Andreas Fabi, der einmal „das Staatsgesetz“ zitiert: „Krankenhäuser unter 80 Betten sollen geschlossen werden“, und gleichzeitig verständnisvoll von der „Menschlichkeit in den kleinen Krankenhäusern“ schwärmt. Daneben sein unmittelbar Untergebener Oswald Mayr zuständig für Zahlen und Fakten „wir brauchen statistisch, signifikante Fallzahlen um eine Tumorzertifizierung durchführen zu können – 50 Krebsoperationen im Jahr sind einfach zu wenig“. Dazu gesellte sich ein offenbar resignierter Siegfried Gatscher, Direktor des Gesundheitsbezirkes Brixen, eigentlich einer von den Guten, der zu beschwichtigen versucht: „Die Neuro Reha wird Mitte des Jahres in Sterzing in Betrieb gehen und dann gibt es auch noch das endoprothetische Referenzzentrum, für das Sterzing gute Chancen hat...“

Zertifkat ist nicht gleich Qualität

Der Aufruf der Sanitätsmacher nach Veränderungen, sprich Tumoroperationen ab dem Jahr 2014 nur mehr in den vier größeren Krankenhäusern Südtirols anzubieten, steht der Forderung nach Qualitätssicherung und Menschlichkeit diametral entgegen. Auf der Bühne - rechts sitzend – die Publikumslieblinge. Mit Zurufen und tosendem Applaus werden sie belohnt: die Robin Hoods der Sterzinger-Ärzteschaft, Robert Pfitscher, Primar der Chirurgie, und sein Mitstreiter, Primar Franz Ploner. Eine OP-Sperre? Auf keinen Fall: „Qualität beim Operieren wird weder durch ein Zertifikat erreicht, noch durch eine Zentralisierung. Wir fordern echte Qualität für die Patienten! Es geht um viele betagte Leute, die ein Krankenhaus vor Ort brauchen. Die jemand brauchen, der sich um sie kümmert. Für diese Menschen bedeutet eine Fahrt nach Bozen jedes Mal eine Tortour.“ Ohne Tumoroperationen keine chirurgische Grundsicherung, befürchten Pfitscher und Ploner und fragen: „Welcher Arzt wird in Zukunft an so einem Krankenhaus arbeiten wollen?“

„Nehmt uns ernst“

In seinen Ausführungen am Podium lässt Sanitätsdirektor Mayr keine Zweifel aufkommen: „Es wird nichts bleiben wie es ist, nichts.“ Und bietet nach dieser offenen Konfrontation Dialog an: „Machen wir uns doch Gedanken über die Zukunft das Krankenhauses.“ Stur blickt ihn das Publikum an, buuht und pfeift. Im vollen Theatersaal sitzen Wipptaler Bürgermeister neben Innichner Bürgerlistler, Krankenschwestern neben Krebspatienten. Das Thema brennt unter den Nägeln, es geht den Menschen im Saal „um eine qualitative Grundversorgung“, „um Arbeitsplätze“, „um den 85jährigen aus Ridnaun, der bald nicht mehr zu seinem Vertrauensarzt ins Sterzinger Krankenhaus kann.“ 8.000 Unterschriften wurden vor fast drei Monaten an Landesrat Theiner übergeben. Bislang keine Stellungnahme; zur Podiumsdiskussion kam Theiner nicht. Generaldirektor Andreas Fabi beschwichtigt: „Im Mai wird der Landesrat Rede und Antwort stehen. Es braucht eben noch ein bisschen Zeit.“ Sterzings Alt Politiker Karl Oberhauser bringt es auf den Punkt: „Euch da oben glaub ich überhaupt nichts. Ja, reichen diese ganzen Unterschriften nicht aus, um die Haltung einer Bevölkerung zu verstehen und sie ernst zu nehmen?“ Oberhauser spricht das aus, was alle im Saal denken: Das Krankenhaus soll bleiben wie es ist.

Bozen gegen Peripherie

„Wenn ich noch mal operiert werden muss“, sagt ein Krebspatient aus dem Publikum „dann fahr ich nach Innsbruck. Bestimmt nicht nach Bozen.“Um Vertrauen und Qualität dreht sich vieles an diesem Abend, aber auch um Peripherie und Zentralismus. „Warum trifft es immer die Kleinen? Ja, reden wir doch über das Bozner Krankenhaus!“, fordert der Freiheitliche Thomas Egger. „Sparen wir doch dort. Denn wir hier in Sterzing, wir arbeiten gut, das belegen die Zahlen!“ 23 Millionen Euro kostet Sterzings Krankenhaus dem Südtiroler Sanitätsbetrieb. Nicht mal ein Prozent, bei einem Gesamtbudget von 1.200 Millionen Euro jährlich. „Und was ist denn mit den Managergehältern von euch Direktoren“, provoziert ein Patient aus dem Publikum, „da seh ich mehr Einsparpotential als bei uns im Krankenhaus.“ Die Innichner Bürgerlistler bleiben unmissverständlich nüchtern. Seit September 2012 ist die Gynäkologische Primarstelle unbesetzt, die Abteilung wackelt – wieder mal: „Unterschriften gesammelt und demonstriert haben wir schon vor zwei Jahren. 15.000 Unterschriften für den Erhalt des Krankenhauses. Versprochen wurde vieles von den Politikern. Jetzt fängt alles wieder von vorne an. Wir fragen uns, wer soll der Politik und ihren Versprechungen schon noch glauben?“