Villanderer Happening

Im dritten Kapitel untersucht die „School of Verticality“ das Potenzial des Verwebens von Grenzen, um das von der westlichen Moderne geprägte Verständnis von Zugehörigkeit zu bestimmten Räumen und Identitäten herauszufordern und Kategorien wie Boden, Nationalstaat, Natur, Kultur, Spezie und Geschlecht in Frage zu stellen. In einer Zeit, in der Mauern errichtet werden und Separation das Zusammenleben überschattet, sind Grenzen mehr als nur kognitive oder politische Symbole. Manche vertreiben Leben, manchmal aber verschiebt oder verdrängt das Leben diese.
OVERTIME
In diesem Zusammenhang schlägt Sophie Krier eine „reinvention“ (Neuerfindung) von Allan Kaprows Happening OVERTIME vor. Das Happening wurde nur einmal im Frühjahr 1968 an der University of California in San Diego verwirklicht und seitdem nie wieder reaktiviert. Auf Anweisungen des amerikanischen Künstlers, wird bei diesem Happening im Laufe einer Nacht ein 50 Meter langer Schneezaun über eine Distanz von 1,5 km bewegt. Kaprows Leitgedanke, Grenzen zwischen Leben und Kunst aufzuheben, ist in OVERTIME, wie auch in vielen anderen seiner Arbeiten zentral.
Sophie Kriers „reinvention“ (Neuerfindung) von OVERTIME wird auf der Villanderer Alm in Südtirol stattfinden, ein passender Ort, um über die Bedeutung von Grenzverschiebungen nachzudenken. Diese Verschiebungen beziehen sich auf unterschiedliche Dimensionen von Raum und Zeit - auf geologischen Kräfte, menschlichen und nichtmenschliche Migrationsbewegungen, historische Grenzen sowie zeitgenössische Mutationen terrestrischer Beziehungen.
In einer kollektiven Geste wird in der Nacht des 25. Mai eine Grenze verschoben. Allen Interessierten steht es offen, an dieser Erfahrung teilzunehmen. Für das Happening versammelt die „School of Verticality“ zudem eine Kerngruppe von Teilnehmerinnen und Teilnehmern mit unterschiedlichen Hintergründen: Akademikerinnen und Akademiker, lokale Expertinnen und Experten, Kulturproduzentinnen und -produzenten, Landbesitzerinnen und -besitzer sowie Landnutzerinnen und -nutzer. Die temporäre Gemeinschaft wird eine bewegliche Plattform für den Austausch verschiedener Wissensformen über Land und Landschaft bilden. Im Laufe der Nacht aktiviert Sophie Krier gemeinsam mit dem Wissenschaftler und Aktivisten Stéphane Verlet-Bottéro diese „mobile assembly“ (mobile Versammlung): eine Gruppe die sich zu einem festgelegten Zeitpunkt versammelt und in einer gemeinsamen Anstrengung eine Tätigkeit ausführt.
OVERTIME PAPERS
Im Vorfeld des Happening erscheinen die OVERTIME PAPERS - ein vierteiliger Sammelband der Kaprows Arbeit mit dem lokalen Kontext verknüpft. OVERTIME PAPERS versammelt Fotografien, Interviews und Textausschnitte, welche Begriffe wie Tiefenzeit (geologische Grenzen), gemeinsame Zeit (gemeinsame Grenzen), politische Zeit (nationale Grenzen) und angestammte Zeit (Grenzen überschreitend) kritisch reflektieren.