Beautiful Boy
Schon John Lennon sang 1980 vom „Beautiful Boy“. In diesem Film ist das Lied nur eines von vielen, die die tragische Geschichte des schönen Jungen unterstützen. Sein Name ist Nic, ein etwa achtzehnjähriger, der die Vergangenheit preisen und die Gegenwart verdammen könnte. Denn er ist abhängig, abhängig von Methamphetamin. Besonders seinen Vater David trifft das schwer. Jahrelang haben seine Frau und er alles dafür getan, Nic gut zu erziehen und einen ordentlichen Menschen aus ihm zu machen. Doch die Realität nahm einen anderen Weg. Um seinen Sohn wieder auf den rechten Pfad zu bringen, versucht David den Weg über die Entzugsklinik. Doch auch das ist nur von geringem Erfolg. Schlimmer noch: Nic bricht aus und verschwindet spurlos. Die Suche nach dem eigenen Kind, noch dazu einem, welches sein Verlangen nach dem nächsten Kick kaum selbst kontrollieren kann und so orientierungslos durch die Welt stolpert, stellt die Hölle auf Erden für den Vater dar.
Was Regisseur Felix van Groeningen uns hier präsentiert, ist die Adaption des gleichnamigen Romans, der wiederum auf wahren Begebenheiten basiert. Tatsächlich merkt man das der Geschichte auch an. Das Schicksal von Nic ist eines, das man vermutlich an vielen Orten wiederfindet. Dass Drogenabhängigkeit kein exklusives Laster der unteren Gesellschaftsschichten ist, sollte klar sein. „Beautiful Boy“ zeigt einmal mehr, wie sehr sie in den friedlichen Alltag einer durchschnittlichen amerikanischen Familie eindringen kann. Doch wir sehen nicht nur die triste, graue Realität der Gegenwart. Auch die schönen Seiten werden in diesem Film beleuchtet, wie eingangs erwähnt mit melancholisch angehauchten Stücken wie dem von Lennon untermalt. Dann sind wir aber in der Vergangenheit und schauen entweder dem Vater oder dessen Sohn über die Schulter. Die Zeitsprünge geschehen unmittelbar und ohne direkten Hinweise darauf. Das ist auch gut so. Die Erzählung entwickelt so einen Fluss, der niemals abbricht, der es aber auch versteht, die Schönheit eines vergangenen Augenblicks zu brechen und den Zuschauer mit voller Wucht aus den Träumen zurückzuholen. Der Drogenkonsum wird in diesem Film nicht verherrlicht oder besonders interessant dargestellt. Wer sich visuelle Bildreigen wie in „Requiem For A Dream“ erwartet, wird definitiv enttäuscht werden. „Beautiful Boy“ steht mit beiden Beinen am Boden und zeigt eine realistische Geschichte, wenngleich auch nicht naturalistisch präsentiert. Durch die zurückhaltende Inszenierung können die Protagonisten um so mehr scheinen. Allen voran Timothée Chalamet und Steve Carrell spielen ihre Rollen als wären sie dafür geboren worden. Besonders Carrell, der allgemein eher im Komödienfach zuhause ist, mimt den sorgenvollen Vater mit großer Hingabe. Chalamet hingegen spielt auf gewohntem Niveau und reicht seiner Performance im gefeierten „Call Me By Your Name“ spielend das Wasser.
Einen Lapsus erlaubt sich der durchwegs stimmige Film gegen Ende. Die letzten Minuten wirken forciert. Es ist ein Spiel zwischen Fischer und Fisch, die Angel wird weit ausgeworfen und wir Zuschauer schlucken den Köder, nur um dann aus dem Wasser gezogen zu werden und feststellen zu müssen, dass wir zurück in das kalte Nass geworfen werden. Dorthin, wo es gewohnt, konventionell und erwartbar ist wo man Angst vor Konsequenz hat. Diese wagen Phrasen müssen sein, denn wer möchte schon das Ende eines sich lohnenden Kinobesuchs noch vor dem Ticketkauf erfahren?