Politics | EU-Spitzenpostenwahl

“Lang lebe Europa”

Mit einer dreisprachigen Rede vor dem Europaparlament versuchte Ursula von der Leyen heute eine Stimmenmehrheit für ihre Wahl zur Kommissionspräsidentin zu erwirken.
Ursula von der Leyen
Foto: EU Parliament Photo

Ob Ursula von der Leyen die nötige Mehrheit von 374 der insgesamt 747 Stimmberechtigten für sich gewinnen konnte, wird sich heute Abend ab 18 Uhr bei der geheimen Abstimmung zeigen. EVP-Fraktionschef und Ex-Kandidat für den Posten des Kommissionspräsidenten Manfred Weber hatte im Vorhinein zu einem Votum für die deutsche Verteidigungsministerin (sie legt am Mittwoch ihr Amt nieder) aufgerufen. Ihre Wahl als Kommissionspräsidentin der EU hängt aber wesentlich von der Gunst der Grünen und Sozialdemokraten ab. Am Tag der Abstimmung hat sich von der Leyen in einer Rede auf Französisch, Deutsch und Englisch an das Plenum gewandt. 

 

Polit-Trend Klimawandel

 

Wie kaum ein anderes Thema erregten Umweltprobleme und Klimawandel in letzter Zeit die Gemüter der europäischen Bevölkerung. Längst sind grüne Themen nicht mehr alleiniges Monopol der Grünen. Es verwundert also kaum, dass von der Leyen schon zu Beginn ihrer Rede auf Emissionen und Klimaneutralität eingeht. „Wir alle, jeder Sektor muss zur Emissionsreduktion beitragen. Von Luftfahrt über den Seeverkehr bis hin zur Art und Weise, wie jeder von uns reist und lebt. Emissionen müssen einen Preis haben, der unser Verhalten ändert.“ Bis 2030 soll Europa den CO2-Ausstoß im Vergleich zu 1990 um 50 Prozent senken. Es brauche einen „Green Deal“ für Europa.

 

Multilateralismus und Gerechtigkeit

 

Laut von der Leyen sollen Handelsbarrieren weiter reduziert werden, während die großen Technologie-Unternehmen fair besteuert werden sollen. „Wenn sie von der sozialen Marktwirtschaft profitieren wollen, müssen sie ihren gerechten Anteil bezahlen."

Neben mehr sozialer Gerechtigkeit, der Einführung eines europaweiten Mindestlohns, der Stärkung von Arbeitnehmerrechten und der Bekämpfung von Armut, fordert die von den Staats- und Regierungschefs vorgeschlagene Kommissionspräsidentin Geschlechtergerechtigkeit, beginnend mit der Besetzung der Kommissionsposten. Die Hälfte der zurzeit noch 28 Mitglieder der Kommission sollen laut von der Leyen Frauen werden. Auch für den Kampf gegen Gewalt an Frauen will sie sich vermehrt stark machen.

 

Plädoyer für Menschlichkeit und Rechtsstaatlichkeit

 

An einer momentan wieder akut wahrgenommenen Problematik, wie die der Seenotrettung im Mittelmeer, kommt auch Ursula von der Leyen nicht herum. Laut ihr sei es auf hoher See Pflicht, menschliches Leben zu retten. Gleichzeitig gelte es aber Menschenhandel und illegalen Schlepperbanden den Kampf anzusagen. Auch für die Durchsetzung von Rechtsstaatlichkeit wolle sie sich einsetzen. Diese sei "das beste Instrument, Europas Freiheiten zu verteidigen und die Schwächsten in der Union zu schützen."

 

Thema Brexit

 

Kaum nimmt von der Leyen das Unwort Brexit in den Mund, machen sich britische Abgeordnete durch lautes Grölen und Klatschen bemerkbar. Doch die CDU-Politikerin gibt sich versöhnlich. Der Brexit sei eine Entscheidung, die man zwar bedauere, aber respektiere. Das bereits auf 31. Oktober vertagte Austrittsdatum aus der EU könne „aus guten Gründen“ weiter verschoben werden. Außerdem werde das Vereinigte Königreich „Verbündeter, Partner und Freund" der Mitgliedsstaaten bleiben.  

Jenen, die Europa einen und stärken wollen, werde ich eine passionierte Mitstreiterin sein. Jenen, die Europa schwächen und trennen wollen, werde ich eine erbitterte Gegnerin sein. 

Nach ihren Schlussworten und einem dreifachen „Lang lebe Europa“, erntete sie auch von Teilen kritischer Fraktionen Beifall. Gegenstimmen blieben allerdings nicht aus. Franziska Keller, Abgeordnete der Grünen im Europaparlament, lobte von der Leyens Worte, kritisierte aber das Ausbleiben konkreter Vorschläge, diese in die Tat umzusetzen. Die Sozialdemokraten unter der Leitung von Iratxe Garcia Perez wollten sich erst im Laufe des Nachmittags festlegen. Man wolle aber eine Krise vermeiden. Zu dieser würde es wohl kommen, sollte von der Leyen nicht ausreichend Zustimmung finden. In diesem Falle müssten sich die Mitglieder des Europäischen Rates auf einen neuen Kandidaten bzw. eine neue Kandidatin verständigen. Ein Stillstand der europäischen Institutionen wäre die Folge.