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Bergwelten _ Lassù sulle montagne. In Klausen?

Schon mal angedacht, im sommerlichen Müßiggang Klausen zu besichtigen? Romantisch liegt die alte Stadt Klausen unweit des Eisacks, und mitten der Berge.
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Unweit des Eisacks also, und zu Fußen der malerischen Burg Branzoll und hoch überragt von Säben, dem alten Nonnenkloster. Schon Hans Christian Andersen schwärmte über die imposante Kulisse, die unsere „Akropolis Tirols“ dem Städtchen verleiht:

„Hoch am Berghang hängt, wie ein Schwalbennest, ein einsames Nonnenkloster; zwei Schwestern standen da oben im Turm und läuteten; sie waren beide jung, und darum flog ihr Blick hinaus über die Berge, in die Welt hinaus. Ein Reisewagen fuhr unten auf der Landstraße, das Posthorn erklang, und die armen Nonnen konnten, mit ähnlichen Gedanken, den Blick nicht davon abwenden; in den Augen der Jüngeren standen Tränen. – Und das Horn klang schwächer und schwächer, die Glocke des Klosters übertäubte seine hinsterbenden Töne.-„ (H.C. Andersen, Bilderbuch ohne Bilder, Dreiundzwanzigster Abend).

Nur Mut, also. In Klausen die Mühlgasse aufgesucht und mit Schwung über eine Steintreppe hinauf zur Burg Branzoll spaziert: Der folgende Pflasterweg – ein Kreuzweg – bringt uns steil hinauf zum Kloster, an dessen höchster Stelle die Heiligkreuzkirche thront. Geht ganz leicht, in nicht einmal 30 Minuten kann man den Burgfelsen erreichen. Übrigens: der Berg war schon seit prähistorischer Zeit besiedelt, und über Jahrhunderte hinweg hatte hier oben ein Hauptbollwerk der Römer Bestand. Altrömische Inschriften bezeugen bereits heidnische Kulte auf Säben, etwa den der tausendnamigen Isis: Der Überlieferung nach zerstörte der Hl. Cassianus im 4 Jh. eine solche Stätte, baute eine bei der Frauenkirche noch gezeigte Kapelle und gründete das erste Bistum, welches erst der Bischof Albuin 992 nach Brixen versetzte. Schließlich setzten sich anfangs des XI. Jahrhunderts hier oben die Herren von Säben fest, aus deren Geschlecht der Minnesänger Leuthold hervorging.

Und das Kloster? Nun, erst 1685 besetzten drei Chorfrauen und zwei Laienschwestern aus dem Stift Nonnberg in Salzburg die ausgebrannten Ruinen der Bergfestung (1533, Blitzschlag) und es wurde unter schwierigsten Bedingungen das noch bestehende Benediktiner-Nonnen-Kloster gegründet. In der Zeit der napoleonischen Kriege und des Tiroler Volksaufstands (1796–1809) wurde die Abtei mehrfach besetzt und geplündert, und unter der bayerischen Regierung 1808 schließlich aufgehoben. Der im Kloster verbliebene Konvent nahm sein klösterliches Leben 1809 zwar wieder auf, war aber so verarmt, dass er sich 70 Jahre lang keine Äbtissin mehr leisten konnte.

Heute leben die Benediktinerinnen in strenger Klausur, kümmern sich aber auch um ihren berühmten Klostergarten, betreuen Pilger - und nehmen im Sommer sogar Gäste auf. Mir persönlich gefällt dabei der Gedanke, dass Wanderer und Wallfahrer diese kontemplative Anwesenheit spüren: „Ruach“, das hebräische Wort für den Heiligen Geist, ist weiblich und bedeutet soviel wie „die Atemkraft“ oder „die Geisteskraft“. Erst bei der Übersetzung der hebräischen Bibel durch die Lateiner wurde ein „spiritus“ daraus gemacht - ein männliches Wort…

Nun haben wir also den Berg erklommen, genießen die Ruhe und die Aussicht und können uns auf dem Weg zurück nach Klausen machen: Vom Klostereingang den Pflasterweg rechts steil nach unten folgend, bis wir gleich nach der „mutigen“ Brücke den in Serpentinen angelegten Säbener Promenadenweg finden. Ein kurzer Spaziergang und wir sind wieder in Klausen.

Nachdem wir „da droben auf dem Kloster“ waren, könnten wir doch glatt „Lassù sulle montagne“ besichtigen: eine Sonderausstellung in der Galerie des Stadtmuseums Klausen. Im italienischen Titel der Ausstellung (von Beatrice Buscaroli kuratiert) schwingt Ironie mit, und es spricht das Thema der Ausstellung an: eine Auswahl zeitgenössischer Künstler, die sich in unterschiedlichen Techniken dem Thema „Berg“ genähert haben. Eines ist dabei sicher: Wer den Rundgang durch Säben schon ansprechend fand, dem wird die Ausstellung noch facettenreicher erscheinen, und wir können glatt dem Charme der Berge erliegen…

Faszinierend zum Beispiel: die Arbeiten in Pappmaché von Claudio Locatelli oder die Tierportraits von Saverio Polloni. Ich ertappe manch einen Besucher darin, den beinahe menschlichen Ausdruck der Tiere nachvollziehen zu wollen.

Als Skitourengeher bestaune ich die Bücher von Lorenzo Perrone: dreidimensionale Tiefschneeabfahrten wachsen aus ihnen heraus. Und gleich danach: Subtile Ironie bei Hubert Kostner „Tyrol“. 1971 in Brixen geboren, lebt er nun nach längeren Aufenthalten in München, Madrid und Peking in Kastelruth. Was ich sehe: gewissermaßen „Berge zum mitnehmen“, samt liebevoll detailliert installierten Touristen.

Auch Hiroyuki Masuyama kann man nicht übersehen. In seinem Konzept „Mountain“ verarbeitet er Aufnahmen aus einem Hubschrauber oder einem kleinen Flugzeug. Masuyama nimmt Tausende von Bildern der Berge rund um die Welt und realisiert Verbundmontagen oder Panoramas. Ist das ein realistisches Bergbild? Oder ein ganz neues Terrain?

Mir fällt auf: Jedes Werk ist von einer einzigartigen und sehr persönlichen Beziehung geprägt - vom großen klassischen Landschaftsbild, über spektakuläre Nachtlichter und ausgefeilte Materialschöpfungen, bis hin zu Träumen im wahrsten Sinne des Wortes: Träumen, die zu unser aller Allgemeingut gehören – leben wir doch inmitten von Bergen.

Mehr erzähle ich jetzt aber nicht, lieber lasse ich euch von den dreizehn international arbeitenden Künstlern selbst überraschen. Im kleinen, schmucken, Klausner Stadtmuseum. 

Gemälde

Luca Conca, Roberto Giavarini, Nicola Nannini, Valentino Parmiani, Saverio Polloni, Paolo Quaresima

Fotografien

Ferdinando Brachetti Peretti, Pierpaolo De Bona, Hiroyuki Masuyama, Gianluca Pollini

Skulpturen

Hubert Kostner, Claudio Locatelli, Lorenzo Perrone

Stadtmuseum Klausen
Dauer der Ausstellung 2/8 – 13/9/2014
Di–Sa, 9.30 – 12.00 und 15.30 – 18.00 Uhr
Sonntag, Montag und 15.8. geschlossen

www.museumklausenchiusa.it
facebook.com/museumklausenchiusa

Das Stadtmuseum Klausen mit seinen Sammlungen befindet sich im ehemaligen Kapuzinerkloster von Klausen, das auf eine Stiftung der spanischen Königin Maria Anna (1667-1740) zurückgeht. Neben der beschriebenen Museumsgalerie mit fünf Sonderausstellungen im Jahr führt es die Sammlung des einzigartigen Loretoschatzes mit kostbaren Einzelstücken aus ganz Europa, sowie die Dauerausstellung der Klausner Künstlerkolonie (1874-1914) mit ihrem bekannten Vertreter Alexander Koester.

 

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Sylvia Rier Sun, 08/17/2014 - 16:30

Sehr schön beschrieben, Christoph - danke! Ich empfehle meinen Gästen ja schon seit vielen Jahren einen Besuch eures hübschen Städtchens - sie kommen alle hellauf begeistert wieder und danken mir überschwänglich für den Tipp. Die Ausstellung nehme ich gern als Anlass, Klausen selbst mal wieder zu besuchen. NB: Dass es dir gelungen ist, dem Heiligen Geist weiblichen Atem einzuhauchen, allein dafür ginge ich ja schon zu Fuß nach Klausen... :-) (ich habe mich gerade in "ruach" eingelesen. Faszinierend.)

Sun, 08/17/2014 - 16:30 Permalink
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Christoph Moar Mon, 08/18/2014 - 11:22

In reply to by Sylvia Rier

Liebe Silvia,
danke für die Blumen an unser Städtchen. Um über den weiblichen Heiligen Geist nachzudenken, musst Du aber schon zu Fuß nach Säben gehen, Klausen allein zählt nicht. Geh mal oben in Säben durch den Tunnel im Felsen: Frösteln wird sich breitmachen. Den lässt du aber hinter dir, sobald du den Zugang zur Klosterkirche erklimmst oder, weiter oben, den Eingang zur Kreuzkirche mit ihren Fresken findest. Wer möchte, kann an Werktagen um 17.30 Uhr (am Sonntag um 16.30 Uhr) auch an einer feierlichen Vesper in der Klosterkirche teilnehmen.

Ich mag diesen Gedanken des "weiblichen" spiritus sanctus im Kontext von Säben sehr, das Nonnenkloster wäre nichts ohne Mitgiften, Entbehrungen und kontemplativen Lebensentwurf von unzähligen Frauen, die seit 1685 dieses Kloster aufgebaut haben. Auch wenn die Zeiten heute andere sind, der Ordensnachwuchs schwierig, und immer wieder auch berechtigte Rufe nach Zukunftsvisionen für das Kloster zu hören sind: Wir sollten Ehre erweisen, wem Ehre gebührt. Und das sind nunmal die Nonnen und ihrer Lebensgemeinschaft oben auf dem Berg.

Mon, 08/18/2014 - 11:22 Permalink