Environment | Pestizide Südtirol

Hinter die Kulissen schauen

Weg von den Werbeslogans hin zu einer ehrlichen Austauschkultur zwischen Landwirtschaftsakteuren, Verbrauchern und Umweltschützern. Ist das gewünscht?
Hinweis: Dies ist ein Partner-Artikel und spiegelt nicht notwendigerweise die Meinung der SALTO-Redaktion wider.
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Foto: Bio Südtirol

Die Aktion Pestizidtirol des Münchner Umweltinstituts hat jede Menge Staub aufgewirbelt, und tut es noch. Kritisiert wird eine Form der Landwirtschaft, die in ihrem Fokus auf Leistung in die Jahre gekommen ist, die aber in den 1980er Jahren mit viel Pioniergeist in den Bereichen der Düngung, Gerätetechnik und Pflanzenschutzmittelausbringung neue Maßstäbe setzte und zur Anwendung brachte. So konnte die bis dahin geltende in chemisch-industriellen Anwendungen überdrehte und überdüngte Landwirtschaft in Südtirol abgelöst und gut vernetzt zwischen Genossenschaften, Forschungsinstituten sowie Vertretungen aus Politik und Basis in eine moderne Zeit geführt werden. Das Erfolgsmodell der integrierten Landwirtschaft wurde bald flächendeckend in ganz Südtirol eingeführt, zum Vorteil vieler. Dies zeigt, dass vieles möglich ist, wenn alle Hand in Hand arbeiten.

Was heute nicht mehr passt, ist nicht nur das in Werbekampagnen gezüchtete Südtirol-Bild einer Bilderbuchland(wirt)schaft,  es ist auch die Landwirtschaft dahinter, die an einem Modell festhält, das von der Basis her gut ist, aber weiterentwickelt gehört. Vor allem in Richtung einer transparenten Austauschkultur, in der die Dingen beim Namen genannt werden.

Eines in dem man sagen darf, dass die Apfelanlagen zwischen Unterland und Vinschgau der oft beschworenen Vielfalt zuwiderlaufen, dass sich unter den Hagelnetzen aber natürlich auch Bioanlagen befinden; dass die Obstwirtschaft - egal welcher Anbauweise - nicht ohne Pflanzenschutz auskommt; allerdings mit dem Unterschied, dass die Biomittel natürlicher Herkunft bzw. naturident, weder krebserregend und embryonenschädigend, noch das Erbgut verändernd sind;  als Fungizide und Bakterizide werden im biologischen Obstbau Kupfer und Schwefel in Mengen eingesetzt (3 kg/ha und Jahr bei Bioland und Demeter), die für die Gesundheit des Menschen unbedenklich sind und deren sehr gute Wirkung in der Landwirtschaft seit über 150 Jahren bekannt ist. Kupfer und Schwefel sind im Erdreich weit verbreitete Elemente, für den Menschen und die menschliche Ernährung essentielle Mineralstoffe und Spurenelemente, die zum Beispiel für den Aufbau von Eiweißen und roten Blutkörperchen benötigt werden.

Diese Kenntnisse haben die meisten Bauern im Land; Verbraucher (und offensichtlich auch das Umweltinstitut München) wissen aber oft nicht zu unterscheiden, ob die Sprühwolke über den Obstwiesen nun biologischer oder konventioneller Herkunft ist. Deshalb braucht es transparente Kommunikation auf allen Seiten. Warum nicht mit differenzierten Fakten Landwirtschaft betreiben? Rund 1000 Biobetriebe (immerhin 3 Prozent der Gesamtanbaufläche und 10% der Obstbaufläche) in Südtirol tun das bereits und kennen gute Gründe dafür.

Den Pestizid-Kritikern (und das Thema wird weiterbrodeln) könnte man den Wind aus den Segeln nehmen, indem man eine Vision entwickelt, die Südtirols Landwirtschaft langfristig und umfassend weiterbringt; da und dort Löcher zu stopfen und aus einer Verteidigungshaltung heraus zu handeln, ist wenig konstruktiv. Der Mut und der Pioniersgeist der 1980er Jahre können eine Wiederauflage erleben, wenn der politische Wille da ist. Denn auch hinter den Kulissen muss es stimmen, die schönen Wörter gehören mit Inhalt gefüllt, dann wird Südtirol als „begehrtester Lebensraum Europas“ glaubwürdig.