Politics | Stromkonzessionen

Strom am Mareiter Bach?

Bereits zweimal hat die Landesregierung ihre Entscheidung zum Projekt „Stromkonzession am Mareiter Bach“ vertagt. Am Montag, 16. September soll nun wieder darüber abgestimmt werden, ob die Rekurse der beiden Projekteigner, des Milchhofs Sterzing und des Unternehmers Helmuth Leitner (bwz. Bergmilch) angenommen oder abgewiesen werden.

Die beiden Projekteigner rekurrierten gegen die negativen Gutachten der Umweltämter der Landesverwaltung, die die Errichtung eines E-Werkes in dem Abschnitt am Mareiter bzw. Ridnauner Bach für absolut unverantwortlich halten. Als Ablehnungsgrund Nummer 1 nennt Flavio Ruffini, Direktor der Landesagentur für Umwelt die Unterschutzstellung des Bachgebietes mit Dekret des Landeshauptmanns aus dem Jahr 1986 und die absolut negativen Maßnahmen, die durch die geplanten E-Werk-Projekte greifen würden:„Innerhalb dieses Schutzgebietes wurden im Rahmen des Projektes Fluss Raum Agenda oberer Eisack Renaturierungsmaßnahmen durchgeführt, so dass der Ridnauner Bach in diesem Bereich landschaftlich und ökologisch aufgewertet wurde. Die Wasserrückgabe der gegenständlichen Projektvorhaben liegen innerhalb des renaturierten Bereiches und beeinträchtigen somit nachhaltig negativ die durchgeführten Maßnahmen.“

Die genannte aufwändige und nach allen Regeln der Kunst durchgeführte Renaturierung des Mareiter Baches in den Jahren 2009/2010 wurde mit dem stolzen Gesamtbetrag von 2,8 Millionen Euro durchgeführt, öffentliche Gelder, die den Bach zu einem Vorzeigeprojekt für Gewässerökologen, Biologen, Fischer und Ruhesuchende macht. Das Bachbett wurde auf nahezu das Doppelte ausgedehnt, die gesamten Wassersperren wurden abgetragen, die Ufer aufgewertet und geschützt. In der Folge machten sich wieder Auenfluren und Sandbänke breit, der Fischbestand hat sich erholt und gewässertypische Pflanzen haben sich angesiedelt, sogar für das Sterzinger Moos bedeutet die Revitalisierung des Mareiter Baches eine bedeutende Aufwertung.

All dies könnte nun durch die Ansiedelung eines E-Werkes zunichte gemacht werden.

Zwar befänden sich die Standorte der Projekte haargenau außerhalb, sprich inmitten der Naturschutzzone offiziell auf dem Gemeindegebiet von Sterzing, die geplanten Wasserableitungen verstoßen jedoch ganz klar gegen den Sinn eines Schutzgebietes. Flavio Ruffini zitiert als weiteren Ablehnungsgrund: „Die Auswirkungen der geplanten Wasserableitung beschränken sich nicht ausschließlich auf die Ausleitungsstrecke, sondern auch auf den aufgeweiteten, renaturierten Gewässerabschnitt unterhalb der Rückgabe. Ökologisch und morphologisch wertvolle Umlagerungsprozesse in der mit EU-Mitteln finanzierten Aufweitungsstrecke werden ausbleiben, so dass ein wesentliches Element der wieder gewonnenen Funktionsfähigkeit innerhalb dieser renaturierten Strecke verloren gehen wird.“

Auch würde die vorgeschlagene Restwassermenge eine wesentliche Verschlechterung des Gewässercharakters mit sich bringen. Und noch ein Argument spricht gegen die Nutzung der Wasserkraft zur Stromgewinnung am Mareiter Bach: mit zwei Dekreten des Landeshauptmannes wurde das Gewässer als besonders wertvoll für den Fischbestand befunden. „Demzufolge sind in diesem Abschnitt keine Maßnahmen zugelassen, welche die Qualität des Gewässers beeinträchtigen.“

Es liege zwar ein klassischer Zielkonflikt zwischen Umweltanliegen und Gewinnung erneuerbarer Energien vor, so der Direktor der Landesumweltagentur. Doch habe die Dienststellenkonferenz die Umweltwirkungen aus dem Projekt und damit die Ziele des Gewässerschutzes, der Biodiversität und des Landschaftsbildes höher bewertet.

Wie schnell jedoch ein stromtechnisch interessantes Gewässer aus dem Landschaftsschutzplan genommen werden kann, zeigt das Beispiel Achenrainschlucht ebenfalls in der Gemeinde Ratschings. Dort wurde von Bürgermeister Sebastian Helfer bereits 2005 ein Verbot der hydrologischen Nutzung für sämtliche Bäche der drei Täler Ratschings, Ridnaun und Jaufental durchgesetzt, der Abschnitt Achenrain – zuvor noch als Naturdenkmal klassifizert, ausgenommen.

Doch auch hier folgte ein negatives Gutachten der Umweltverträglichkeitsprüfer, das wiederum von der Landesregierung ignoriert wurde. Derzeit gibt es einen Stillstand an dieser Front, auch hier stehen Rekurse und ihre Auflösungen an.

Wie stehen die Chancen also für die beiden E-Werk-Projekte am Mareiter Bach? Entscheidet sich die Landesregierung einmal mehr für die wirtschaftlichen Aspekte und wirft die Gutachten der eigenen Beamten über den Haufen?