Müllverbrennungsofen: Gegner wollen Rechtsweg beschreiten
Ihre Kritik am Bozner Müllverbrennungsofen ist keineswegs neu. Nun wollen die Umweltverbände WWF, Legambiente, Dachverband für Natur- und Umweltschutz und Ambiente Salute auch rechtlich gegen das Großprojekt vorgehen. Ein Schritt, für den man laut Claudio Campedelli, Vorsitzender von Ambiente Salute, auf die Inbetriebnahme des Ofens warten musste. „Wir waren bereits 2010 bei der Staatsanwaltschaft, doch damals hieß es, einen Verbrennungsofen zu bauen, ist noch keine Straftat“. Ob die Inbetriebnahme eine ist, wird sich nach der nun geplanten Eingabe zeigen. Lancio di oggetti pericolosi – in Umlauf bringen gefährlicher Objekte – lautet das strafrechtliche Vergehen, das die Umweltverbände bei der Bozner Staatsanwaltschaft vorbringen wollen. Weiters geplant ist eine Eingabe bei der EU-Kommission – wegen Verstoßes gegen EU-Richtlinien im Bereich Abfall. Bis die Umweltschützer rechtlich aktiv werden, müssen sie allerdings noch das nötige Kleingeld für die rechtlichen Spesen sammeln. Rund 6000 Euro sind dafür laut Campedelli nötig. Er rechnet aber damit, die Summe unter Mithilfe von betroffenen Bürgerinnen und Bürgern aufbringen zu können.
In der Zwischenzeit haben die Verbrennungsofen-Gegner Landeshauptmann Luis Durnwalder und Bürgermeister Luigi Spagnolli einen Schuß vor den Bug verpasst. Bereits vor der Inbetriebnahme im August wurde Bozens Bürgermeister als Verantwortlichen für die Gesundheit der Bürger und dem Landeshauptmann als Verantwortlichen für die Genehmigung ein Mahnschreiben zugestellt, in dem noch einmal die wichtigsten Einwände gegen das Projekt auf den Punkt gebracht wurden und vor einer Inbetriebnahme gewarnt wurde. Die entsprechende Liste, die bei der heutigen Pressekonferenz auf einem Spielplatz in Kaiserau vorgestellt wurde, ist lang und reicht von der Umwelt- und Gesundheitsbelastung bis hin zu Kostenfragen.
Verbrennung wird Recycling vorgezogen
Einer der grundlegenden Kritikpunkte betrifft die Ausrichtung des Abfallbewirtschaftungsplans am Müllverbrennungsofen. Obwohl die EU vorgebe, dass das Recycling von Abfällen klar vor deren Verbrennung kommen müsse, habe man in Südtirol beispielsweise bestimmt, dass Tetrapak oder Kunststoffe nicht mehr getrennt gesammelt werden dürfen werden dürfen, sondern zur Verbrennung geliefert werden müssen. „Nachdem Bozen nun aber sein System umgestellt hat und Plastik als Wertstoff gesammelt wird, hat der Ofen zu wenig Brennstoff und muss zusätzlich mit Methan befeuert werden“, so Campedelli. Neben der zu großen Dimensionierung des Ofens kritisiert der Vorsitzende von Ambiente Salute auch dessen geringe Effizienz: Mit einer energetische Effizienz von 0,4 werde die Abfallentsorgung in der Anlage laut EU-Richtlinie nicht einmal als thermische Verwertung, sondern wie eine Mülldeponie eingestuft. „Denn die thermische Verwertung beginnt erst ab einem Effizienzwert von 0,65“, sagt Campedelli.
Mehrkosten für die Bürger
Ein weiterer Kritikpunkt betrifft die Kosten für die Bürger. So sei das Recycling von Kunststoffen viel billiger, weil der Konsument bei vielen Produkten wie Chipsverpackungen bereits mit dem Kaufpreis einen Beitrag zur korrekten Abfallbewirtschaftung mit zahlt. Ein Betrag, den die Gemeinde vom Konsortium zurück bekommt, wenn der Kunststoff dem Recycling zugeführt wird, sagt der Umweltaktivist. In der Müllverbrennungsanlage gehe dagegen nicht nur der Beitrag verloren, die Kosten seien mit 116 Euro pro Tonne Restmüll generell höher. Auch die freudig gefeierte Rettung einer staatlichen Co-Finanzierung von gut 40 Millionen Euro über Grünzertifikate ist laut Campidelli eine Zweckentfremdung zum Schaden der Bürger. Denn die Beiträge für Erneuerbare Energie werden über eine Komponente in der Stromrechnung finanziert – „und die zahlen alle Bürger aus ihrer Tasche“.
Den Standort ihrer Pressekonferenz haben die Umweltverbände am Mittwoch nicht ohne Grund gewählt: Denn die Wohnviertel Kaiserau und Firmian, die im direkten Einzugsgebiet der Müllverbrennungsanlage liegen, wurden laut Campedelli bei der einstigen Umweltverträglichkeitsprüfung für den Ofen nicht einmal berücksichtigt. Eine gute Basis also, um Gelder aufzutreiben – für einen bevorstehenden Rechtsweg mit ungewissem Ausgang.