Environment | Zebra
Freundliche Finsternis
Foto: upi
Schon das harmloseste Geräusch lässt den Puls ansteigen. Das Herz schlägt bis zum Hals und auf der Stirn sammelt sich Angstschweiß. Wenn das Auge nichts mehr wahrnehmen kann, reagieren alle anderen Sinne umso sensibler. Der Wind, knarrende Dielen, Schritte, ein Tierlaut – was bei Tag gar nicht registriert wird, wirkt nachts bedrohlich und treibt die Phantasie an. Dies wird nicht zuletzt in Horror-Fimen gezielt genutzt, um durch den Einsatz von Dunkelheit Spannung und Entsetzen bei den Zuschauer*innen zu erzeugen. Was im Kino viele lustvoll erschaudern lässt, ist auf dem späteren Heimweg durch dunkle Gassen umso unerfreulicher.
Eine angelernte Angst?
„Evolutionspsychologisch stellt die Nacht eine Gefahr dar“, sagte der Sozialpsychologe Johannes Klackl kürzlich in einem Interview im österreichischen Standard. In der Entstehungsgeschichte des Menschen war Dunkelheit ein Problem. Mögliche Feinde und Gefahren wurden durch sie unsichtbar, und das konnte den Tod bedeuten. Auch heute noch ist die Nacht objektiv gesehen gefährlicher als der Tag. Hindernisse und Gefahren bleiben im Verborgenen. Es sind weniger andere Menschen unterwegs, an die man sich in einer Notsituation wenden könnte.
Dennoch ist die Angst vor der Dunkelheit zu einem großen Teil anerzogen. Kinder übernehmen sie von ihren Eltern, wenn diese sie etwa dazu ermahnen, vor der Dunkelheit zuhause zu sein. Unzählige Kinderbücher handeln von der Angst im Dunklen, von klein an bleibt das Nachtlichtlein im Kinderzimmer an. Die Angst ist zwar real, über eine genetische Veranlagung dazu gibt es aber keine belegten wissenschaftlichen Erkenntnisse.
In der Forschung wird zwischen Angst und Furcht unterschieden. Der Psycholo-ge Klackl erklärt: „Furcht bedeutet, dass eine konkrete, begründete Gefahr für Gesundheit und Existenz besteht, zum Beispiel, wenn ein Hund auf mich zuläuft. Angst haben wir, wenn es bloß möglich ist, dass eine furchtauslösende Situation eintreten könnte.“
Die Angst vor der Dunkelheit ist zu einem großen Teil anerzogen.
Dieser, psychologisch gesehen fundamentale, Unterschied wird im Alltag nicht gemacht.
So handelt es ich bei der Angst im Dunkeln um eine in den allermeisten Fällen unbegründete Angst vor möglichen Gefahren.
In Punkto Kriminalität ist Dunkelheit übrigens nicht automatisch ein Faktor für erhöhte Gefahr. Ein beträchtlicher Teil der Einbrüche findet heute etwa bei Tag statt, also dann, wenn die Menschen mit höherer Wahrscheinlichkeit nicht zuhause sind.
In einigen Fällen wird die Angst vor der Dunkelheit allerdings zu einem so großen Problem, dass eine Behandlung nötig wird. Betroffene von Achluophobie können etwa nicht mehr in den Keller gehen, oder nach Einbruch der Dunkelheit das Haus oder Bett verlassen.
Hinzu kommt, dass diese Phobie oft verheimlicht wird, weil es als peinlich empfunden wird, eine so „kindische“ Angst zu haben. Sie kann allerdings, wie jede andere Angststörung, durch gezielte Verhaltenstherapie gelindert werden.
Problemstoff Licht
Das Problem des Lichtmangels ist bekannt: In lichtarmen Regionen der Erde, etwa in Skandinavien im Winter, leiden die Menschen vermehrt unter depressiven Verstimmungen. Viele regulieren auch hierzulande während der dunkleren Monate ihren Vitamin-D-Haushalt durch gezielte Vitaminzufuhr oder heben die Stimmung durch spezielle Lampen.
Über die Auswirkungen von zu viel Licht ist hingegen wenig bekannt. Dabei ist die Ausgewogenheit von Licht und Dunkelheit für das Wohlbefinden und die Gesundheit des Menschen wichtig. Studien haben gezeigt, dass etwa zu viel blaues Licht, wie es vermehrt durch Smartphone-Displays erzeugt wird, die natürliche Produktion von Melatonin hemmt. Dieser Botenstoff wiederum ist für einen erholsamen Schlaf essentiell. Fehlt er, kommt es zu Schlafstörungen und den damit verbundenen negativen Auswirkungen auf den Körper und die Psyche.
Hinzu kommt, dass diese Phobie oft verheimlicht wird, weil es als peinlich empfunden wird, eine so „kindische“ Angst zu haben.
In einer kürzlich publizierten Studie wurde zu viel künstliches Licht sogar mit dem Anstieg von Brustkrebs in Zusammenhang gebracht.
Auch und gerade Pflanzen und Tiere leiden, wenn ihr natürlicher Rhythmus durch Licht aus dem Gleichgewicht gerät. Darauf macht das Südtiroler Naturmuseum als Partner eines internationalen Forschungsprojektes aufmerksam.
David Gruber, Museumsdirektor und Astronom, erklärt: „Nachtaktive Insekten orientieren sich am Licht des Mondes und der Gestirne. Wenn sie eine Lampe für einen richtungsweisenden Himmelskörper halten, umkreisen sie diese so lange bis sie erschöpft zu Boden fallen und sterben.“
Auch die Wachstumsphasen und die Wuchsrichtung vieler Pflanzen würde durch künstliches Licht erheblich gestört. Die Überlagerung von natürlichem Licht durch Kunstlicht und die dadurch hervorgerufene künstliche Aufhellung der Nacht ist in vielerlei Hinsicht problematisch.
„Dabei ist das Problem für die Astronomie, die durch zu viel Licht viele Sterne nicht mehr beobachten kann, zwar bedauerlich, aber zweitklassig“, sagt Gruber und gibt zu bedenken, dass heute der Großteil der Menschen in Nordamerika und Europa noch niemals mit freiem Auge die Milchstraße gesehen hat. „Lichtverschmutzung“ ist ein globales Phänomen und auch in Südtirol wurde es in den vergangenen Jahrzehnten immer heller. Die Umweltverschmutzung durch Licht kann aber eingeschränkt und vermindert
werden.
Nicht weniger, aber besser
Ein häufiges Argument für ausgiebige Beleuchtung bei Nacht ist das Thema Sicherheit. Dass viel frequentierte Straßen und Wege beleuchtet werden müssen, sei klar, jedoch komme es sehr auf das „wie“ an, meint Gruber.
So könne etwa die Straßenbeleuchtung punktuell geregelt werden. Lampen könnten bei Bewegung heller leuchten und wieder auf ein Minimum zurückfahren sobald niemand unterwegs ist. Generell sollte nur das beleuchtet werden, was wirklich notwendig ist.
Die Beleuchtung von Fassaden, Reklametafeln, Gebäuden könnte ab einer bestimmten Uhrzeit abgeschaltet werden. „Das Credo sollte sein: nicht weniger, sondern gezieltere und gute Beleuchtung!“, sagt Gruber. Dabei spielt auch die Farbe des Lichts eine wesentliche Rolle: Je weniger Blauanteil im Licht ist, umso weniger störend wirkt es sich auf Pflanzen und Tiere aus. Auch die Leuchtrichtung ist ein wichtiger Punkt: Lampen sollten nicht mehr nach oben oder auf Hausfassaden leuchten, sondern nur noch dorthin, wo das Licht tatsächlich gebraucht wird.
Diese und mehr Maßnahmen sind im Südtiroler Landesgesetz zur Verminderung der Lichtverschmutzung von 2012 enthalten. Anhand genauer Kriterien haben die einzelnen Gemeinden Lichtpläne erstellt und planen so, wie ihre öffentliche Beleuchtung umwelt- und energieschonender gestaltet werden kann.
Auch Privatpersonen können ihren Beitrag leisten: In Sachen Sicherheit ist eine dauerhafte nächtliche Beleuchtung von Haus und Garten nachweislich weniger effizient, als etwa die Installation von Bewegungsmeldern. Ein plötzliches Licht wirkt abschreckender und erzeugt mehr Aufmerksamkeit.
Den Tieren und Pflanzen im Garten bleibt so viel Licht erspart und die Energiekosten sinken. Und generell gilt: Jede*r kann mit offenen Augen durch die nächtlichen Dörfer und Städte gehen, überlegen wo Lichtquellen überflüssig oder Lampen nachrüstbar sind und das Anliegen den zuständigen Stellen mitteilen.
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