Culture | Salto Afternoon

(S)alto fragile

"Literatur sichten" nennt sich eine Anthologie die vor kurzem im Folio Verlag erschienen ist und knapp 30 Autorinnen und Autoren zu Wort kommen lässt. Ein kurzer Einblick
Titel4
Foto: Folio

Literatur sichten Südtirol | Alto Adige | „alto fragile“ nennt sich ein (Jahr-)Buch mit einer bemerkenswerter Herausgeberschaft. „Das finde ich interessant, dass wir Autor*innen eingeladen worden sind, eigentlich von einem Literaturhaus aus dem Ausland“, kommentiert der Autor und Übersetzer Stefano Zangrando die Neuerscheinung mit Spur nach Liechtenstein. Weshalb aber überhaupt Interesse an Südtiroler Literatur aus Liechtenstein? Eine mögliche Antwort könnte diese sein: Bereits im Jahr 2005 untersuchte ein Projekt eine Landsichtung und wandte sich an Rut Bernardi und Peter Oberdörfer. Eineinhalb Jahrzehnte später wurde der verbindende Faden der Landsichtung wieder aufgegriffen und neu gestrickt. Für die Auswahl der Autor*innen sorgten Roman Banzer (Leiter des Literaturhauses Liechtenstein), Hansjörg Quaderer (Programmverantwortlicher der Liechtensteiner Literaturtage) und der Verleger Ludwig Paulmichl.

„Wenn man die bereits seit den 1970er Jahren erschienenen Anthologien zu Südtiroler Literatur hernimmt, da gibt es starke Entwicklungen, hin zu mehr Frauen in der Literatur, hin zu einer Vielsprachigkeit“, meint der Schriftsteller Sepp Mall und erinnert an die erste Anthologie zu Südtiroler Literatur von Gerhard Mumelter aus den 1970er Jahren. Mall hat ebenfalls (und immer wieder) an Anthologien zu Südtiroler Literatur mitgearbeitet, etwa für eine Arunda-Ausgabe in den 1980er Jahren oder der 2002 bei Skarabaeus herausgegebenen Sammlung unter dem Titel Aus der Neuen Welt

Lässt sich eine Anthologie-Entwicklung feststellen? „Es gibt eine starke inhaltliche Entwicklung,“ ergänzt Mall, „vor allem bei Autorinnen und Autoren, die im Ausland Fuß gefasst haben und Literatur produzieren. Auch das Thema Übersetzung spielt mittlerweile eine wichtige Rolle.“ Mall hat auch dazu Vorarbeit geleistet. Eine der letzten Ausgaben der mittlerweile eingestellten Literaturzeitschrift filadressa hat er zum Thema Übersetzung kuratiert.


„Als ich die wunderbare Einladung bekommen habe mitzumachen, habe ich gleich zugesagt,“ frohlockt Gentiana Minga, „vor allem, weil ich Albanerin bin, die sich als Italienerin fühlt. Nun aber, werde ich auch von den autochthonen Autorinnen und Autoren der deutschsprachigen Südtiroler in den Kreis der Auto*innenschaft aufgenommen. Das ist schon etwas Besonderes.“
In Mingas Text geht es um das Schicksal der albanischen Migration im Jahr 1992, eigentlich „aber um die Geschichte zweier Geschwister, bei einem Gespräch, wo Bruder und Schwester eine gegenseitige Abneigung verspüren. Die Situation beruhigt sich wieder, da am Ende beide verstehen, dass das Leben eigentlich schön ist und gelebt werden soll.“

Dass die literarische Übersetzung und ihre Entwicklung in Südtirol gut sichtbar werden, ist jedenfalls der große Mehrwert dieser Publikation. „Die Übersetzung spielt eine wichtige Rolle, auch hinsichtlich der Frage, was Südtiroler Literatur heute ist. Da darf die Übersetzung nicht außen vor bleiben“  meint auch Stefano Zangrando.
Illustriert wird der Band übrigens durch zahlreiche Linolschnitte des Künstlers Arnold Mario Dall'O. Sie sind Teil des Projekts Atlas 100 Geschichten, die mir die Welt erklären wollten, welches im Frühjahr 2022 in Buchform erscheinen wird.