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Die Eingabe

Die Affäre um den Religionsinspektor im Schulamt Christian Alber spitzt sich zu. Der M5S-Abgeordnete Diego Nicolini hat eine Eingabe bei der Staatsanwaltschaft gemacht.
Diego Nicolini, M5s
Foto: M5S
 
Über zehn Jahre lang ging alles gut.
Alle schauten weg. Die Schulen, das Schulamt, die Politik und natürlich die Kirche. Im Februar 2019 war es Salto.bz das den Fall des Schulinspektors Christian Alber erstmals einer breiten Öffentlichkeit vorstellte. Bereits damals mauerte man.
Wenig später kommt es dann knüppeldick. Der Mann, der über ein Jahrzehnt im Stillen eine Arbeit macht, die ihm eigentlich nicht zusteht, wird plötzlich über Nacht in den Fokus der Öffentlichkeit katapultiert.
Der Anlass ist eine Broschüre über muslimische Schüler, die inhaltlich fraglich und formal ein Plagiat war. Die Politik, allen voran die Freiheitlichen wüten, der zuständige Bildungslandesrat Philipp Achammer fordert lautstark persönliche Konsequenzen und es geschieht danach nichts.
Christian Alber geht kurzzeitig freiwillig auf die Strafbank und machte danach weiter wie bisher. Obwohl weitere Details auftauchen, die den Verdacht erhärten, dass die Stellung des Religionsinspektors rechtlich so nicht haltbar ist, tut man im Schulamt so, als sei nichts gewesen. Der zweite Arbeitgeber Albers  – die Südtiroler Kirche – hält bewusst den Mantel des Schweigens über ihren Religionslehrer.
Dass man sich mit dieser Haltung keinen guten Dienst erwiesen hat, wird jetzt klar.
Denn der M5S-Landtagsabgeordnete Diego Nicolini hat vergangene Woche eine Eingabe bei der Bozner Staatsanwaltschaft eingebracht. Damit wird der Fall von einer neutralen Ermittlungsbehörde geprüft.
Diese Untersuchung könnten nicht nur für Christian Alber, sondern auch für die Südtiroler Schulverwaltung zu einem gefährlichen Spießrutenlauf werden.
 

Südtiroler Ausnahme

 
In der Hierarchie des Schulamtes (heute Landesdirektion deutschsprachige Grund-, Mittel- und Oberschulen) stehen Schulinspektoren und -inspektorinnen gleich neben dem Schulamtsleiter bzw. der Landesschuldirektorin an oberster Stelle. Sie sind für eine Reihe von Arbeitsbereichen und Schlüsselfunktionen zuständig, die von der Durchführung von Inspektionen, der Aufsicht bei Abschlussprüfungen, der Ausarbeitung von Gesetzesentwürfen bis hin zu den Zielvereinbarungs- und Dienstbewertungsgesprächen mit Schulführungskräften reichen. Voraussetzung ist, dass die Auserwählten einen Direktorenwettbewerb bestanden haben.
 
 
Wobei es seit  21 Jahren – und allein in Südtirol - hier eine Ausnahme gibt. Religionslehrer erhalten ihre Stelle bekanntlich nicht wie alle Lehrpersonen der curricularen Fächer über einen öffentlichen Wettbewerb, sondern werden von der Diözese nach Überprüfung ihrer Eignungskriterien (Missio) beauftragt. Genau hier aber besteht das Problem. Ein Großteil der Religionslehrer besitzt nicht die Voraussetzungen an einem solchem Wettbewerb teilzunehmen. Auch weil ihr Studientitel in Italien nicht anerkannt wird. Damit konnte lange Zeit ein Religionslehrer auch nicht Schulführungskraft werden.
1998 erlässt man aber ein eigenes Landesgesetz, dass besagt, dass der Diözesanordinarius ein Ausleseverfahren für die Ernennung der Religionsinspektoren durchführt. Diese Entscheidung gehorcht eher göttlichen als irdischen Gesetzmäßigkeiten.
Ähnlich wie die Religionslehrer hat auch der Religionsinspektor damit schon seit seiner Geburt eine Art Sonderstellung. Wie der eigentliche Titel „Inspektor für den Religionsunterricht“ besagt, ist die Figur ursprünglich ausschließlich für die Betreuung der Südtiroler Religionslehrer gedacht. Und damit wäre auch die Ernennungsformel durchaus schlüssig. Doch so war es nur in den ersten Jahren.
 

Inspektor Gottes


Als der erste Inspektor Josef Stampfl in Pension geht, ernennt 2007 die Diözese Christian Alber zu seinem Nachfolger. Jahrelang ist Erica Fassa als Koordinatorin im Schulinspektorat tätig. Unter ihrer Leitung ist wie vom Gesetz vorgesehen Christian Alber ausschließlich für die Religionslehrer zuständig. Alber darf damit keine Schulführungskräfte bewerten.
Als Fassa 2009 in Pension geht geschieht aber plötzlich ein Wunder. Der damalige Schulamtsleiter Peter Höllrigl ändert ohne gesetzliche Absicherung kurzerhand die Spielregeln. Mit Beginn des Schuljahrs 2009/2010 überträgt Höllrigl Christian Alber alle Kompetenzen eines normalen Schulinspektors. Auch finanziell zahlt sich diese Beförderung aus. Christian Alber erhält als Religionslehrer durch diese wundersame Konstruktion das Gehalt eines Oberschuldirektors. 76.548,78 Euro war sein besteuerbares Bruttoeinkommen im Jahr 2018.
Doch damit nicht genug: Als am 31. August 2016 die Fassa-Nachfolgerin und Koordinatorin der Schulinspektoren Martha Herbst in den Ruhestand geht, wird Alber sogar zum Koordinator der Inspektoren im Schulamt befördert.
 
 
Es ist ein absurde Situation: Denn Südtirols Direktoren werden von einem Inspektor bewertet, der nie einen Wettbewerb als Schulführungskraft gemacht und bestanden hat. Und der einzige Inspektor ohne öffentlichen Wettbewerb als Schulführungskraft wird gleichzeitig zum Koordinator im Schulamt. Eine Rolle, die laut Dienstrecht einer Führungskraft in der Landesverwaltung vorbehalten ist.
Die neue Landesschuldirektorin Sigrun Falkensteiner ernennt kurz nach ihrem Dienstantritt den Schulinspektor Werner Sporer zu ihrem Stellvertreter und auch zum neuen Koordinator der Schulinspektoren. Als Salto.bz über die rechtlich, fragwürdige Stellung Albers recherchiert, stellt sich die Landesschuldirektorin aber vor ihren Mitarbeiter: Die Bewertung der Direktoren mache sie, die Inspektoren führen nur Vorgespräche. Damit sei „rechtlich alles in Ordnung
 

Stolperstein Leitfaden


Im Frühjahr 2019 bricht dann aus einem völlig anderen Grund ein öffentlicher Sturm der Entrüstung über Christian Alber los. Der 49jährige Inspektor für den katholischen Religionsunterricht ist verantwortlich für die Herausgabe der Broschüre „Muslimische Kinder und Jugendliche in der Schule – Informationen, Orientierungen und Empfehlungen“. Nachdem die Südtiroler Freiheitlichen auf einer Pressekonferenz den Inhalt des Leitfadens zum Umgang mit muslimischen Schülerinnen und Schülern vehement kritisieren, zieht Bildungslandesrat Philipp Achammer umgehend die Reißleine und verlangt den Einzug der Broschüre. Außerdem wird bekannt, dass Alber den Leitfaden nicht nur den von deutschen Institutionen abgekupfert hat, sondern auch eine Handreichung zum Religionsunterricht ohne Quellenangabe einfach übernommen hatte.
Offiziell nimmt Alber danach freiwillig eine Auszeit. Kaum haben sich die Gemüter aber beruhigt, geht wieder alles weiter wie zuvor.
 
 
Im Herbst 2019 wird Christian Albers Auftrag als Religionsinspektor erneuert.
Aber auch hier wird deutlich, wie unorthodox die Stellung Albers in Wirklichkeit ist.
Weil die Schaffung des Religionsinspektors eine Südtiroler Ausnahmebestimmung ist, ist im Landesgesetz von einer „zeitlich beschränkt Ernennung des Religionsinspektors“ die Rede. Christian Alber hat dieses Amt jetzt aber ununterbrochen seit 13 Jahren inne. Wie das geht? Der Auftrag wird jedes Jahr einfach erneuert.
Die Rechtmäßigkeit dieser Gesetzesauslegung wird ein Punkt sein, den die Staatsanwaltschaft jetzt untersuchen wird.
 

Schwammige Angaben

 
Es tauchen zudem weitere Unregelmäßigkeiten im Fall Alber auf.
So kann schlüssig nachgewiesen werden, dass der Religionsinspektor jahrelang eine Falscherklärung abgegeben hat.
Alle Führungskräfte des Landes müssen jährlich einen Lebenslauf einreichen, den das Land dann in Bereich der transparenten Verwaltung veröffentlichen muss. Im Lebenslauf müssen auch die Sprachkenntnisse angeführt werden. Jahrelang führt Christian Alber dabei Italienischkenntnisse auf C2-Niveau, d. h. auf Muttersprachenniveau an. Dazu Englisch-Kenntnisse auf B1-Niveau. Laut Curriculum handelt es sich dabei um eine „Selbstbeurteilung“.
 
 
Nachdem die Tageszeitung in einem Artikel offen diese Sprachkenntnisse auf höchstem EU-Niveau aber anzweifelt, hat Alber diese Angaben deutlich revidiert. In einem neuen offiziellen Lebenslauf, ist jetzt von C2- und B1-Niveau nicht mehr die Rede. Plötzlich heißt es: Italienisch (Zweisprachigkeitsnachweis A) und Englisch (Grundkenntnisse).
Vor allem aber wird eines immer deutlicher: Christian Alber hat keinen in Italien anerkannten Studientitel.
Diego Nicolini hat zum Fall Alber mehrere Landtagsanfragen eingebracht. Jetzt will der M5S-Politiker aber Klarheit schaffen. Nicolini hat vergangene Woche eine Eingabe bei der Staatsanwaltschaft Bozen gemacht, in der alle Etappen im Fall Alber detailliert nachgezeichnet werden. Dabei legt der Oppositionsabgeordnete den Fokus auch auf die Rolle von Bildungslandesrat Philipp Achammer in diesem Fall.
Die Vorermittlungen der Staatsanwaltschaft werden zeigen, ob diese wackelige Konstruktion im Südtiroler Schulwesen den geltenden Gesetzen entspricht oder ob der Inspektor Gottes eher ein Sündenfall ist.