Culture | Salto Afternoon

Lärm über den Brenner exportiert

Heute gibt es kein Titelbild zum Kulturartikel, da wir Sie auf ein Hörabenteuer entführen wollen. Es lohnt, versprochen. Peter „KOMPRIPIOTR“ Holzknecht lässt aufhorchen.
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Foto: Privat
Alljährlich, zum Jahresende, stellt die Münchner Galerie Kullkucu & Gregorian ein Programm mit Noise Künstlern zusammen, seit der Pandemie im digitalen Raum. Zu sehen auf YouTube, waren es in diesem Jahr fünf Artists, die mitwirkten: Innerdeutsch Panty Paradise aus München und mfikn pRty (Mik Quantius + Finkelbert) aus Köln, sowie die internationalen Acts NU NO aus Porto, Evicshen / Victoria Shen aus San Francisco und - per Definition auch international - KOMPRIPIOTR aus Bozen, der seit 1992 Klängen nachspürt. Kuratiert wurde die Auswahl von Anton Kaun aka Rumpeln aka Verk Ratzer.
Seine Rund 13 Minuten lange Performance beginnt beim Zeitstempel 1:01:19 und ist, in stimmungsvollem Schwarz-Weiß gehalten, von den Bildern der Erzeugung begleitet. Für Noise-Neulinge ist sie damit relativ einsteiger-freundlich und strapaziert in ihrer Länge nicht zu sehr. Wie viel man mit diesem Genre anfangen kann, hat nicht unwesentlich mit den jeweiligen Hörgewohnheiten zu tun, die Erfahrung ist es jedenfalls wert. Unten stehendes Video beginnt mit dem Beitrag des Südtiroler Soundkünstlers. Wer will, kann sich diesen Noisebeitrag auch „nur“ anhören (Bildschirm abdunkeln, Tab wechseln oder Augen schließen) und, wie ich, beim ersten mal reinhören raten, woher dieser Lärm kommt:
 

 
Was haben Sie gehört? Ein Schiff im Sturm, Stimmen aus der Unterwelt oder nur Lärm? Es waren Schranken, die von drei Assistenten bewegt und von Holzknecht digital verfremdet werden. Zugegebenermaßen nicht irgendwelche Schranken, sondern eine präparierte Skulptur des Ahrntaler Bildhauers Paul Sebastian Feichter, im Rahmen des Projekts „Vor Ort - Kunst im öffentlichen Raum“ gestaltet.
Zum Aufeinandertreffen von interaktiver Skulptur und Noise-Künstler kam es bei Transart15, also der Ausgabe des Jahres 2015, am Völser Peterbühl. „Tak, Track; Craaak - Dada Lautgedicht für 3 Holzschranken“ ist der Titel der Performance; Es ist das digitale Nachholen jedenfalls wert, auch wenn die Videoplattform mit eingebauter Bild- und Audiokompression für ein audiophiles Erlebnis ungeeignet ist.
Die Ebene der Verfremdung gestaltet KOMPRIPIOTR dabei dynamisch, lässt einmal mehr von der Abnahmequelle durch, mal weniger. Von Holzknecht wurde die Performance als Gespräch zwischen drei Schranken erdacht, die sich in drei Akte gliedern lässt, von ihm durch das Zerschmettern von Prosecco-Gläsern signalisiert.
 
 
„Die große Schranke war ausgeschnitten wie eine Orgelpfeife“, erinnert sich Holzknecht. „Er (Feichter) hat sie mit Eisenringen versehen. Durch die Reibung zwischen Holz und Metallring entsteht dieses knarzen.“ Der Kontakt zwischen beiden Künstlern hatte bereits zuvor auf freundschaftlicher Ebene bestanden. „Er weiß eben, dass ich klang-affin bin.“ Im Zuge einer anderen Zusammenarbeit, in St. Konstantin, hatte Feichter Holzknecht mit der Skulptur vertraut gemacht. „Ich schaffe gerne einen Rahmen, in welchem ich mich relativ frei bewegen kann. In diesem Fall war die Anweisung, dass ein Gespräch entstehen sollte zwischen den drei Schranken: Am Anfang eher leise wird ein Thema besprochen, dann gibt es ein Aufbäumen und jemand regt sich auf.“
Zu den in seinen Arbeiten verwendeten Materialien kommt KOMPRIPIOTR oft zufällig: „Das sind oft ‚found objects‘, wie eine Klimaanlage die neben einem Müllkübel liegt, bei der irgendwo leicht Metall an Metall streift.“ Der erste Schritt ist dabei also der Grundklang, der hervorgeholt und verstärkt wird. „Mit einer Reihe von Gitarrenpedalen und unorthodoxen Einstellungen kann man das natürlich manipulieren. Dann passieren Feedbacks, die andere vielleicht als Fehler sehen, aber mich interessiert jede mögliche Frequenz, im Grunde.“
Wie sehr ist das dann dabei eine visuelle, wie sehr eine rein akustische Arbeit? „Das hängt davon ab, woran ich arbeite: Bei einer Arbeit wie ‚Doomsday‘ spielt das visuelle natürlich auch eine Rolle. Ich arbeitete mit einem russischen Gerät, welches elektromagnetische Felder aufspürt. Da war ich verkleidet, hatte einen Bombengürtel mit Alltagsobjekten um, mit Alltagsobjekten, Uhr, Handy und Rasierapparat.“ Bei performativen Auftritten - wie etwa auch dem destruktiven Projekt ‚Kaputt’ spiele das Visuelle schon eine Rolle, weswegen mein Vorschlag eines Hörspiels verziehen sei.
 
 
Und wann hört man wieder von Peter „KOMPRIPIOTR“ Holzknecht? Zu einem gemeinsamen Projekt mit Brigitte Knapp, welches im April ansteht, bleibt der Künstler noch vage, zeigt sich aber auch für Spontanität offen. „Lang probe ich eigentlich nie und überlasse viel dem Zufall.“ Er habe zahlreiche Projekte, die noch fertig zu stellen seien. „Das entscheidet sich dann oft im letzten Moment, wenn es eine Möglichkeit zum Auftritt gibt.“ Wir halten die Augen - und Ohren - offen.