Politics | Gastbeitrag

Fremdwort Interessenkonflikt

Südtirols Verwaltungsgerichtsbarkeit droht zur Lachnummer zu werden. Der Grund: Drei Ernennungen, die an der Unabhängigkeit der hiesigen Richterschaft arg zweifeln lassen. Ein Zwischenruf.

Eines muss vorausgeschickt werden: Es soll hier keineswegs die fachliche Qualifikation der genannten Personen angezweifelt werden. Es geht um die Besetzung von zwei freigewordenen Richterstellen am Verwaltungsgericht Bozen. In den vergangenen Wochen wurde in den Medien viel über die Parteizugehörigkeit von zwei Anwärtern (Veronika Meraner-Sparer, Christian Ziernhöld) und ihre frühere Tätigkeit als Gemeinderat diskutiert. Es war ein klassisches Ablenkungsmanöver.

Denn in Wirklichkeit geht es um weit mehr: Es geht um die Unabhängigkeit der Südtiroler Verwaltungsrichter. Und um vorprogrammierte Interessenkonflikte. Es geht aber auch um eine Entwicklung, die seit Jahren fortschreitet und an deren Ende die Degradierung der Südtiroler Verwaltungsgerichtsbarkeit zur Lachnummer stehen könnte.

Eine These, die sich an drei Namen und Ernennungen festmachen lässt:

Hans Zelger: Am 2. Mai 2000 ernennt der Landtag allein mit den Stimmen der SVP-Abgeordneten auf Vorschlag des Ministerratspräsidiums den langjährigen SVP-Bürgermeister von Deutschnofen zum Richter am Bozner Verwaltungsgericht. Jurist Zelger war jahrelang auch Präsident des Südtiroler Gemeindenverbandes.

Die Folge der Ernennung ist ein klarer Intereressenkonflikt. Laut Landesstatistikinstitut (Astat) betreffen 46,1 Prozent der Verfahren vor dem Bozner Landesgericht die Bereiche „Bauwesen und Urbanistik“, 21,7 Prozent den Bereich „Öffentliche Verwaltung und öffentlicher Dienst“. Beim allergrößten Teil dieser Verfahren gehen Bürger gegen Maßnahmen der Gemeinden vor. Man kann natürlich sagen: Gut, mit Hans Zelger hat man einen Richter, der die Materie von Grund auf kennt.

Das Problem dabei: Der Gemeindenverband ist die Interessenvertretung und die Lobby der Gemeinden. Zelger stand somit jahrzehntelang auf einer Seite. Und jetzt plötzlich soll er unabhängig und unparteiisch sein? Man stelle sich vor. Der Generalsekretär einer Gewerkschaft wird über Nacht zum Arbeitsrichter ernannt. Die Wirtschaft würde kopfstehen.

Aber beim Verwaltungsgericht zählt diese Optik nicht. 2008 befördert die SVP im Landtag Hans Zelger sogar noch eine Stufe höher. Man ernennt ihn zum Staatsrat. In Rom ist man sich der schiefen Optik bewusst und es dauert vier Jahre bis die Regierung Monti im Sommer 2012 die SVP-Stimmen braucht und Zelger als Staatsrat bestätigt.

Damit wird der Interessenskonflikt auf eine höhere Ebene ausgedehnt.

Margit Falk-Ebner: Am 10. Oktober 2010 ernennt der Landtag allein mit den SVP-Stimmen die Bozner Rechtanwältin Margit Falk-Ebner zur Richterin am Verwaltungsgericht Bozen. Wenig später übernimmt die Richterin turnusgemäß auch die Präsidentschaft des Bozner Verwaltungsgerichts.

Margit Falk-Ebner ist nicht nur die Ehefrau des „Dolomiten“-Chefredakteurs Toni Ebner. Ihr Mann ist einer der größten privaten Aktionäre der „Athesia AG“, ihre gesamte Familie und sie selbst sind dort Teilhaber. Es gibt kaum ein Unternehmen in Südtirol, das mit seinen Dutzenden Tochterfirmen in so vielen Bereichen Einfluss und wirtschaftliche Interessen hat wie dieser Koloss. Die Bereiche gehen dabei von der Energie über den Handel, den Tourismus, die Medien bis hin zur Telefonie- und dem Breitbandgeschäft.

Natürlich ist es so, dass sich Richterin Margit Falk-Ebner überall enthaltet, wo es augenscheinlich um die Interessen des Unternehmens geht, an dem ihr Mann und sie beteiligt sind. Dass genau das aber in der Praxis kaum geht, zeigt ein jüngstes Beispiel.

Im September 2013 wird Margit Falk-Ebner vom Landtag zum Mitglied und zur Präsidentin der Richterkommission bestellt, die die Anträge für eine Volksabstimmung über das Gesetz zur Bürgerbeteiligung überprüft. Zwei Monate später verkündet die Richterin als Berichterstatterin und Vorsitzende das Urteil der Kommission: Wegen eines Formfehlers sind die von der Imitative für direkte Demokratie 17.633 beglaubigten Unterschriften ungültig, und das Promotorenkomitee wird nicht zur institutionellen Abstimmungswerbung zugelassen. Konkret: Die Promotoren haben kein Anrecht auf kostenlose Plakatierungsflächen auf den vorgesehenen Abstimmungsplakatwänden und auch keinen Anspruch auf Teilnahme an den Belangsendungen in den öffentlich-rechtlichen Medien.

Na, klingelt es? Die „Athesia AG“, an der Margit Falk Ebner beteiligt ist, ist zufällig nicht nur der größte Player auf dem kommerziellen Werbemarkt: Sie ist im Printbereich wie auch bei den Plakatwänden an den Bushaltestellen der Platzhirsch. Ausschluss von institutioneller Gratiswerbung bei Wahlen, und es besteht kein Interessenskonflikt?

Oder noch weiter: Ein „Athesia“-Tochterunternehmen plant eine Hotelanlage auf der Plose, das Projekt hängt wirtschaftlich unmittelbar mit dem Bau der neuen Ploseseilbahn zusammen. Gegner fordern eine Volksabstimmung. Ist es kein Interessenkonflikt, wenn man eine Richterin über die Spielregeln zur direkten Demokratie (mit)entscheiden lässt, die familiär und wirtschaftlich mit einem – früher oder später – direkt betroffenen Großunternehmen verbunden ist?

Alda Dellantonio: Der Ministerrat hat die Meraner Juristin vorvergangene Woche als neue Richterin am Bozner Verwaltungsgericht vorgeschlagen. Der Landtag wird den Beschluss voraussichtlich absegnen. Die langjährige Leiterin des Rechts- und Vertragsamts der Gemeinde Meran gilt überparteilich als versierte Juristin.

Das Problem: Alda Dellantonio ist die Lebensgefährtin und Mutter des jüngsten Kindes von SVP-Senator Karl Zeller. Zeller persönlich sagt im Interview mit salto, dass er in Rom keineswegs für seine Lebensgefährtin interveniert hätte und es ihm persönlich lieber wäre, wenn sie diese Bewerbung nie gemacht hätte.

Aber es geht hier auch nicht darum, dass Alda Dellantonio mit einem hochkarätigen Politiker liiert ist. Auch die Partnerin eines Senators kann nicht mit einem Berufsverbot belegt werden. Es geht darum, dass Karl Zeller im Nebenberuf zwar SVP-Politiker ist, im Hauptberuf aber eine der einflussreichsten und renommiertesten Anwaltskanzleien in Südtirol betreibt.

Karl Zeller und seine Partner sind spezialisiert auf Wirtschafts- und Verwaltungsrecht. Sie vertreten immer wieder Klienten bei Verfahren vor dem Verwaltungsgericht. Daran wird sich in Zukunft nichts ändern, außer, dass Zellers Engagement als Anwalt steigen dürfte.

Karl Zellers politische Karriere neigt sich ihrem Ende zu. Im März sind es 20 Jahre, dass der Meraner SVP-Politiker im Parlament sitzt. Aufgrund der 25-jährigen Mandatsbeschränkung in der SVP kann Zeller, je nach Auslegung und je nach Zeitpunkt der Parlamentswahlen, höchstens noch eine Legislatur in Rom anhängen. Wenn überhaupt. Danach wird er – nach eigenen Aussagen – vor allem als Anwalt tätig sein.

Über Karl Zeller und seine Kanzlei laufen traditionell ein Teil aller großen wirtschaftlichen Operationen in diesem Land. Immer wieder landen manche dieser Operationen vor dem Bozner Verwaltungsgericht, wo in Zukunft seine Partnerin als Richterin sitzen wird.

Die Antwort, es gebe ja zwei Sektionen am Bozner Verwaltungsgericht, dürfte wohl kaum die passende Antwort auf einen vorprogrammierten Interessenskonflikt sein.

Es liegt mir fern, die Integrität der drei angesprochenen Personen in Frage zu stellen. Ein Interessenkonflikt wird dann untragbar, wenn er eintritt. In einer normalen Demokratie ist es aber so, dass man versucht auch potentielle Interessenkonflikte von vorneherein zu vermeiden.

Nur in Südtirol ist es anscheinend anders. Hier schafft man sie bewusst.

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Mensch Ärgerdi… Tue, 02/18/2014 - 10:15

Gibt es eigentlich nicht einen öffentlichen Wettbewerb für die Richterstellen in Verwaltungsgericht? Wieso spricht man hier von Nominierungen von Seiten der Regierung und den Landtag?

Tue, 02/18/2014 - 10:15 Permalink