Stage | Theater

Gottlos jung

Ödön von Horváths „Jugend ohne Gott“ beleuchtete 1937 die Militarisierung der Jugend am Land. Viktoria Obermarzoner inszeniert es mit dem Rotierenden Theater als Stück.
Rotierendes Theater, Jugend ohne Gott
Foto: Felix Bacher
  • Autorität muss in „Jugend ohne Gott“ immer hinterfragt werden. Jene, die der Lehrer noch, wenn sie auch kränkelt, über seine Schüler hat, übt er nur zögerlich und mit großer Unsicherheit aus. Er, wie auch seine Schüler – für den Kapuzinerkeller in Klausen werden aus 26 Schülern sieben, die einen Buchstaben auf der Brust tragen – bleibt namenlos, was sich gegen Ende des Stückes erklärt. Die Namen hinter der Produktion gibt man auch ohne Rollenzuweisung, ganz als wolle man in den Rollen verschwinden. Es spielen Franz Aichner, Tazio Dalsass, Verena Dariz, Elias Delueg, Matthias Gamper, Melanie Kemenater sowie Salome Mörl und Anna Oberrauch, gerne auch in einer Rolle des anderen Geschlechts, sodass wir in den Genuss eines Paillettenkleides mit Brustbehaarung und eines weiblichen Priesters kommen. 

    Gruppendynamik und was ein Mangel an Möglichkeitsperspektiven und Rollenmodellen mit der Jugend macht, das sind die Kernthemen von Ödön von Horváths Stück. Der ungarische Autor deutscher Muttersprache legte einen Finger in die Wunde, die gerade dabei war, sich aufzutun. Beim Rotierenden Theater sieht man Parallelen zur Gegenwart und nimmt den Stoff erneut durch, beginnend im Klassenzimmer. Der Lehrer gibt Hausaufgaben zurück, die Fragestellung in den 30er-Jahren: Warum müssen wir Kolonien haben? Der unzufriedene, auf die Pension hinarbeitende Lehrer rügt mit wenig Nachdruck und Überzeugung einen Schüler für die Verwendung des Begriffs „Neger“.

  • Antritt zum Auftritt: Unser Stück beginnt mit dem Geburtstag des Lehrers und der Rückgabe der blauen Schulhefte mit den Hausaufgaben. Die Bühne von Selina Brunner (Technik), Matthias Gamper, Martine Mairhofer (Ausstattung) und Josef Obermarzoner hat großen Anteil an den eindrücklichen Bildern des Stücks. Foto: Felix Bacher

    Im Jahr 2025 rechtfertigt man den Einsatz des Wortes auf der Bühne im Programmheft „um den Kontext der damaligen Zeit authentisch darzustellen“. Das Wort wird nicht leichtfertig oder häufig verwendet. Neben dem rassistisch argumentierenden Schüler N ist es vor allem der Schüler T, weiblich besetzt, der sich gegen die schwache Autorität auflehnt. T glaubt nicht an Gott und sieht auch den Lehrer mit größtem Argwohn.

    Beim Schulausflug sieht man, wie Militarisierung zum Spiel gemacht wird, die sportliche Betätigung steht exklusiv im Zeichen der Wehrertüchtigung, mehr als eine „Venus mit Rucksack“ ist unterwegs auf der Suche nach abgestürzten Fliegern, die es noch nicht gibt. Übung für den Ernstfall. Der tritt ein, doch anders als gedacht. Einer der Schüler wird ermordet, im Verdacht steht bald eine Waise, die verschiedene Dinge aus dem Zeltlager gestohlen hat. Unter anderem auch das Herz von Z, der mit ihr bald auch zum Kreis der Verdächtigen zählt. Die Waise sticht hervor, auch dadurch, dass sie die einzige Figur des Stückes ist, die einen Namen erhält: Eva.

    In gewisser Weise ist Eva, die außerhalb des Systems lebt und die diesem ein Dorn im Auge ist, auch die Einzige, die sich als Person entfalten kann. Dem Lehrer fällt dies schwerer und er hadert mit sich selbst. Er muss eine Grundsatzentscheidung treffen und sich fragen, was ihm wichtiger ist: Die eigene Reputation und Pensionssicherheit oder die Wahrheit. Aber ist es wirklich die Wahrheit, die am Ende ans Licht kommt? Das Rotierende Theater macht einen Raum auf, um auch darüber nachzudenken.

    Wir kommen dem ganzen zumindest näher. „Weil halt der Herr Lehrer auch die Wahrheit gesagt hat“ findet auch jemand anderes den Mut, alles offenzulegen. Einer muss immer den Mut haben, der erste zu sein, ansonsten traut sich am Ende niemand ein System zu hinterfragen.

  • Das Rotierende Theater bringt diese Woche „Jugend ohne Gott“ noch vier mal auf die Bühne des Klausener Kapuzinerkellers: Donnerstag, Freitag und Samstag mit Start um 20 Uhr, sowie am Sonntag mit Beginn der Dernière um 18 Uhr