Politics | Kommentar von Florian Kronbichler

Vorwärts in die Vergangenheit

„Je klarer wir trennen, desto besser verstehen wir uns.“ Dieser 30 Jahre alte Leitsatz Südtiroler Kulturpolitik, ist am Donnerstag am Rai-Sitz in Rom noch einmal zu Ehren gebracht worden.
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Foto: (c) Salto.bz

Eher ungewollt, wahrscheinlich, aber sehr effektiv ist der eigentlich längst überholt geglaubte Leitsatz zum Leben erweckt worden. Und das zu einem Zeitpunkt, da niemand, nicht einmal die völkischen Spalter vom Dienst, danach riefen. Am Rai-Sitz in Rom wurde in Anwesenheit höchster Vertreter der staatlichen Rundfunkanstalt und der Regierung sowie des Südtiroler Landeshauptmannes Luis Durnwalder und des Ladiner-Landesrats Florian Mussner der „Dienstvertrag des Minderheitenrundfunks“ vorgestellt. Umgangssprachlicher ausgedrückt: die Konvention für das deutsche und ladinische Programm des Senders Bozen.

Durnwalder bemühte in der anschließenden Pressekonferenz den Artikel 6 der italienischen Verfassung, den über den Schutz der Sprachminderheiten, und leitete davon allerhand überzeugende Forderungen ab: im Besonderen eben den nach eigenen Schulen, eigenem Kulturleben, eigener Telekommunikation sowie nach einer föderalistischen Verwaltung im Allgemeinen. Alles sehr einleuchtend. Doch dann, auf die italienischen Sendungen zu sprechen kommend, die neuerdings nicht mehr auf der Sender-Bozen-Frequenz zu empfangen sind, ließ der Landeshauptmann folgenden Satz fallen: „Für die italienische Sprachgruppe gibt’s kein Problem. Sie hat ihre nationalen Programme“.

Mangelndes Gespür beim Landeshauptmann
Nun sind dem Landeshauptmann gewiss keine anti-italienischen Regungen nachzusagen. Eher lässt er es in seinem Pragmatismus an Gespür für autonome Empfindlichkeiten mangeln. Die italienischen Mitbürger an „ihre nationalen Programme“ zu verweisen, grenzt sie de facto aus unserer Autonomie aus. Sie sind eine der drei konstituierenden Sprachgruppen der Südtirol-Autonomie. So wie Durnwalder in Rom sprach, gibt es hier jedoch die deutsche und die ladinische Sprachgruppe und dazu den nationalen italienischen Rest. Solche Logik ist wenig gespürvoll. Und außerdem verstößt sie gegen das Prinzip der Territorialautonomie, das mit dem so sehr beschworenen „Dritten Statut“ demnächst verstärkt werden sollte.

Es zeigt sich nun, dass die getroffene Abkoppelung der italienischen Rai-Regionalsendungen von den deutschen und ladinischen Programmen ganz und gar nicht eine rein verwaltungstechnische Rationalisierung darstellt, sondern zwangsläufig zu einer politischen Trennung führt. Auch diesbezüglich sagte Durnwalder in Rom Bemerkenswertes: Jetzt sei man getrennt, sende getrennt, sagte er, „und so stören wir niemand mehr“. Gemeint war, dass in Vergangenheit manch nationalistisch fühlender Italiener die Unterbrechung des gesamtstaatlichen Rai-3-Progamms durch die deutschsprachige Tagesschau als Störung oder Zumutung empfand.

Entstörung durch Trennung
Die Neuheit, die in diesen Tagen am Mazzini-Platz in Bozen vollzogen und diesen Donnertag am Viale Mazzini Rom, dem Rai-Sitz, feierlich proklamiert worden ist, riecht sehr nach alt. Nach etwas, was überholt ist. Tatsächlich ist die Forderung nach Trennung der Redaktionen bereits Jahrzehnte alt. Sie stammt aus der Zeit, aus der auch der eingangs zitierte unselige Spruch des damaligen Kulturlandesrats Anton Zelger stammt. Heute ruft in Südtirol kein vernünftiger Mensch mehr nach mehr Trennung. Die wenigsten dürften sich „gestört“ fühlen, wenn zu Mittag auf die deutschen Nachrichten eine Viertel Stunde italienische folgen. Zweisprachigkeit und engeres Zusammenleben sind in. Mit dem Dienstvertrag Rai-Land ist eine Forderung erfüllt worden, die veraltet ist.