By the way
Michael ist Straßenmusikant. „Wenn man das hört, denkt man immer gleich an ein Trio mit Panflöte oder so“, lacht der Oberschüler. So eine Art Straßenmusiker ist er nicht, und er spielt auch nicht,um sich seinen Lebensunterhalt zu verdienen, sondern aus Freude an der Sache. Seit zwei Jahren stellt er sich mit seiner akustischen Gitarre in die Fußgängerzonen unserer Städte und spielt und singt. Ob er denn nicht lieber auf einer Bühne stehen würde? Der 18-Jährige schüttelt überzeugt den Kopf: „Wenn ich bei einem Konzert auf der Bühne stehe, weiß ich mit Sicherheit, dass mir die Leute zuhören; sie sind ja extra hergekommen. Auf der Straße ist es anders. Da ist es nicht selbstverständlich, dass jemand stehen bleibt. Die Leute könnten ja weitergehen, wenn sie mich nicht hören wollten.“
Wer stehen bleibt tut es, weil ihm gefällt, was er hört. Pink Floyd, Ed Sheeran, Nirvana – sein Repertoire ist bunt und wächst stetig. Eigene Lieder spielt Michael nicht, denn mit seinen Kompositionsversuchen ist er noch nicht zufrieden. Früher oder später, wenn sie seinen hohen Ansprüchen an sich selbst genügen, spielt er bestimmt auch die.
Er macht Musik, seit er acht Jahre alt war. Gitarre hat Michael in der Musikschule gelernt, seine Singstimme hat er selbst entdeckt. Die treibende Kraft hinter seinen musikalischen Versuchen war nicht zuletzt seine Mutter, auch die Straßenmusik war ihre Idee. „Sie war es auch, die mich zu einer Talentshow, 'Talente ans Mikrofon', in Stuttgart angemeldet hat“, lacht der Schüler. Es hat sich gelohnt: Michael ist ins Finale gekommen.
(Quelle: Michael Mayr)
In zwei Bands hat er auch schon gespielt, doch die haben nicht überdauert. In der Musikschulband ist er noch aktiv, ansonsten ist er solo unterwegs. „Ab und zu denke ich, dass es zu zweit auch Spaß machen würde. Wenn jemand mit einer Trommel mit wäre zum Beispiel.“ Aber die Straßenmusikerszene ist eher dünn besiedelt, in seinem Bekanntenkreis macht das niemand. Also gehen Michael, seine Gitarre und seine Stimme alleine auf Tournee, vorzugsweise in Brixen, manchmal in Bozen, selten in Meran. „Da ist es am schwierigsten“ erklärt er, „und in Brixen am einfachsten.“ Dennoch, eine Genehmigung braucht man überall. Die bekommt man in den jeweiligen Gemeinden, außerdem muss bei der SIAE eine Lizenz beantragt werden. Das kostet zwar, aber ist kein Hindernis. „Das holt man schon wieder rein“, schmunzelt Michael, und spielt auf die Münzen an, die in seinem Gitarrenkasten landen.
Das allerdings ist nicht der Grund, weshalb er spielt. Seine Motivation sind die Menschen, die Freude an seiner Musik haben. Er erinnert sich an den grimmig dreinschauenden Bodybuilder, der an ihn herangetreten ist, um zu danken. „Zuerst bin ich erschrocken über sein forsches Auftreten. Als er mich dann angesprochen hat, hab ich mich sehr gefreut.“ Er denkt auch an die Frau, die ihn spontan umarmt hat. Oder an den Polizisten in Brixen, der ihm lange zugehört hat, bevor er ihn nach der Genehmigung fragte, die er an diesem Tag nicht hatte. Und der ihn dann höflich bat, noch ein paar Lieder zu spielen und dann zu gehen. Oder an die Besitzer der Eisdiele, die ihm ein Eis spendierten, dafür dass er in ihrer Nähe gespielt hat. Die Aufzählung könnte man beliebig weiterführen, aber man versteht auch so, was ihn zum Straßenmusikerdasein anspornt.
Manchmal fährt Michael Mayr sogar bis Innsbruck. Dort spielt er besonders gern, weil die Leute in der Stadt am Inn sehr offen sind für Straßenkunst. Genau dort ist die Polizei am strengsten. Als er das letzte Mal dort war – zugegebenermaßen ohne Genehmigung - hat ihn die Polizei postwendend wieder nach Hause geschickt. „Man sagt, überall sei es leichter als in Innsbruck“, lacht er. Das hält ihn aber nicht davon ab, durch die Städte zu tingeln. In Stuttgart stand er schon, und auch in Kopenhagen. Der Schüler besucht das Musiklyzeum in Bozen und fährt im Sommer für zwei Monate zum Französischlernen nach Paris. Seine Gitarre reist selbstverständlich mit in die Metropole der Straßenkunst.
Nach der Matura stehen ihm die Türen offen. „Mein Beruf soll auf alle Fälle etwas mit Musik zu tun haben“. Er denkt an eine Ausbildung zum Tontechniker, oder im besten Fall an eine Arbeit, wo er selbst Musik machen kann. Zunächst aber möchte er um die Welt reisen; einfach mit Rucksack und Gitarre in den Zug steigen und sehen, wohin es ihn verschlägt. Die Reise kann ruhig länger dauern, denn für seinen Unterhalt sorgen seine Stimme und seine Giarre.
Dieser Artikel ist in der Mai-Ausgabe der Zeitschrift "Die Weinstraße" erschienen.