Culture | Audio Kunst

Brian Eno ❤ Jerusalema

„Brian Eno X Trentino“ ist der Name eines Projekts, das an zwei Standorten im Trentino - dem Castel Buonconsiglio und Castel Beseno - ab dem 19. August geplant ist.
Castel Beseno
Foto: Wikimedia-User: Zairon (CC BY-SA 4.0)
Es handelt sich, im Fall des Castel Buonconsiglio um die site-specific „Audio Installation for Buonconsiglio“, welche den Besucher auf seinem Weg durch das Trienter Schloss begleitet und von 19. August bis 6. November zugänglich sein wird. Auf Beseno - in etwa auf halber Strecke zwischen Trient und Rovereto - wird hingegen eine audio-visuelle Umsetzung von Brian Enos wohl bekanntestem Werk von 2006 zu sehen sein: „77 Million Painting for Beseno“, das von 19. August bis 10. September an der Ostflanke der Burg projiziert wird.
Mehr noch als die Projekte selbst beeindruckte das Charisma des Künstlers, der der Pressekonferenz über Zoom zugeschaltet wurde. Zwar wurde die Fragenliste von den Veranstaltern gestellt, aber Eno schaffte es dennoch mit seinen Antworten zu stimulieren und auch für Überraschung zu sorgen.
Nachdem Eno gebeten wurde von EarthPercent, der von ihm vor einem Jahr ins Leben gerufenen Klimacharity zu sprechen, wurde er gebeten zu sagen, wie er sich dabei gefühlt habe, in einem mittelalterlichen Schloss zu arbeiten: „Being English I like castles, so that was not a problem.“, meinte er trocken bevor er erklärte, dass die Herausforderung des Projekts mehr darin bestand, sowohl Innen-, wie auch Außenräume zu bespielen.
 
 
„I think what artists are trying to do is create different worlds.“, meinte Eno weiter. Seine Kunst sei für ihn eine Art Simulator, ein sicheres Umfeld also in dem man sich neuartigen Eindrücken aussetzen kann. Auf die Frage, was er den simulieren wolle, meinte der Dreiundsiebzigjährige: „A place where people can surrender, be undefended. Surrendering is opening yourself.“ Die Menschheit sei, so weiter, sehr gut in Kontrolle, aber auch, was oft in Vergessenheit gerät, im sich aufgeben. Die Art von Aufgeben, die Eno meint, seien vor allem im Sex, im Konsum von Drogen oder in religiösen Praktiken zu finden.
Seinen Arbeitsprozess in der Ausarbeitung seiner Soundscapes - oder Klanglandschaften um den Begriff einzudeutschen - habe viel mit Kybernetik, Chaos- und Netzwerktheorie zu tun, so dass Eno sich selbst noch überraschen könne, da er nicht das Endresultat eines Projektes entwickelt, sondern die Umstände aus denen es erwächst. So zählte er zu seinen Einflüssen konsequenterweise nicht nur Terry Riley und Steve Reich, sondern auch Stafford Beer, dessen Biokybernetische Ansichten er zu einem Selbstverständnis als Gärtner übersetzte.
Die Frage, ob es bei den beiden Arbeiten im Trentino auch einen umwelttechnischen Ansatz gebe, beantwortete Eno mit einem Jein: „Pay slow attention.“ Es geht um Achtsamkeit. Ob das in Zeiten des Smartphones revolutionär sei? Kaum. Auch Eno wusste darum und erwähnte am Rande, dass laut einer Studie der Durchschnittsmensch in der westlichen Welt 3000 bis 5000 Werbungen ausgesetzt sei. Am Tag. Unter den Schätzungen, die sich online zu dem Thema finden ist jene des Herren Eno in etwa im Mittelfeld. „Let your attention be taken somewhere, but not to a product.“
Ihn selbst haben seine fast 50 Jahre als Solokünstler auch Langsamkeit gelehrt, war er doch kürzlich bei einem Wald von 6000 Bäumen, den er vor fünfzehn Jahren gepflanzt hatte und dachte daran, dass er zu Lebzeiten einen weiteren Wald wachsen sehen könne. Obwohl Brian Eno auf die Frage nach dem worauf er stolz sei mit der Langsamkeit und Räumlichkeit seiner Musik, sowie mit „…introducing the idea, that you could be intellectual without being boring.“, antwortete, wollte er sich keinen Pessimismus zur aktuellen Popmusik anschwatzen lassen.
„We’re in a sort of tropics of music.“ Weg ist der (evolutionäre) „bottleneck“, den früher einmal der Zugang zu Aufnahme-Technik und Produktion, wie auch Vertrieb von Tonträgern bedeutet hatte, her mit der Artenvielfalt: „We’re approaching now a condition that is more like the time before recording started. A new kind of folk music.“ Es werde weiterhin global sehr erfolgreiche Künstler, aber auch immer mehr Locals geben, die auf ihrem Territorium Bekanntheit genießen werden.
Besonders überraschend das Beispiel, welches Brian Eno am Ende der Konferenz anführte: Den größten TikTok Trend von 2020, das Lied „Jerusalma“ (Master KG, Gesang von Nomcebo Zikode) bezeichnete er - vielleicht auch nicht ganz ernst gemeint - als „biggest moment musicaly in the last ten years“. Seine Begründung war jedoch vergleichsweise schlüssig: Das ein Lied eine Dance-Challenge auslöste, an welcher sich von Priestern im Vatikan bis zu FlugbegleiterInnen in der Luft zahlreiche Menschen beteiligten gab ihm „Optimism for music as a global medium“. Ein schöner Gedanke.