Chronicle | Gerhard Mumelter

Grillos radikale Kehrtwendung

Drei Wochen nach dem Mißerfolg bei der EU-Wahl vollzieht Beppe Grillo eine radikale Kehrtwendung und sucht den Dialog mit Matteo Renzi, den er bisher als "infamen Lügner" gebrandmarkt hat. Der ohne Befragung der Basis vollzogene Kurswechsel sorgt für heftige Diskussionen.

Das Fußvolk des M5S rieb sich am Sonntag ungläubig die Augen. In Beppe Grillos Blog wurde  der verhaßte Premier Matteo Renzi nicht wie gewohnt als ebetino verleumdet, sondern mit der Anrede "Gentile presidente" begrüßt. Was im Beitrag Grillos und Casaleggios zu lesen stand, kam einer radikalen Kehrtwende gleich. Die beiden Gründer der Bewegung boten dem vielgeschmähten Präsidenten vielmehr einen Dialog an. Man könne sich zusammensetzen und gemeinsam über das neue Wahlgesetz diskutieren, so die überraschende Botschaft. Grillos Anhänger gerieten sich umgehend in die Haare. Verrat an den eigenen Prinzipien oder längst fällige Abkehr vom selbstgewählten Kurs der totalen Abschottung?  Grillo ging noch einen Schritt weiter und räumte ein, daß Renzi durch das Ergebnis der EU-Wahlen "legitimiert" worden sei. Unklar bleibt, warum ein so folgenschwere Entscheidung nicht der Basis zur gewohnten Abstimmung vorgelegt wurde. "Il metodo a 5 stelle prevede la partecipazione nei percorsi decisionali. Dov'è?" ärgert sich die Abgeordnete Mara Mucci. Der stets professoral auftretende Vizepräsident der Kammer Luigi di Maio: "Prima delle europee eravamo convinti di poter far cadere il governo Renzi. Ora vogliamo evitare il limbo." Hatte die Bewegung bisher immer auf ein geschlossenes Erscheinungsbild Wert gelegt, treten nun die Widersprüche offen zutage. "Sono stato espulso tra offese e minacce perché ero favorevole al dialogo. E ora è Grillo stesso a chiederlo, erregt sich Senator Orellana." Renzi wird sich am Mittwoch nicht selbst mit Grillo an einen Tisch setzten. Beide nehmen an der Gesprächsrunde nicht teil, in der es um das neue Wahlrecht geht. Die Chancen auf eine Einigung sind gering, da Renzi für ein Mehrheits- und das M5S für ein Verhältniswahlrecht eintritt. Doch das Eis ist gebrochen, weitere Begegnungen werden folgen. Die überraschende Wende eröffnet neue Perspektiven für Italiens Politik, denn  Renzi wäre bei etlichen Reformen nicht mehr auf die Zustimmung Berlusconis angewiesen. Für die Bewegung bedeutet die Entscheidung eine wesentliche Umstellung: Schluß mit der selbstgewählten Isolation, mit der Beschimpfung und Verteufelung der politischen Gegner, mit der totalen Abgrenzung von den traditionellen Parteien. Grillo wird es schwer fallen, mit der "peste rossa" zu verhandeln. Aber nach Renzis Wahlerfolg scheint das der einzig gangbare Weg. Auch die Lega Nord zeigt sich nach den schrillen und populistischen Tönen im Wahlkampf an Verhandlungen mit rRnzi interessiert.  In diesem Fall wäre Berlusconi politisch weitgehend isoliert. Der Ex-Premier wird freilich derzeit von anderen Problemen geplagt. Am Freitag beginnt in Mailand in zweiter Instanz der Ruby-Prozeß, bei dem er eine Bestätigung des Urteils zu 7 Jahren Haft befürchten muß.

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Martin B. Fri, 06/20/2014 - 13:55

Wenigstens B. und seine Schleimbande scheint ausgegrenzt. Die restlichen Probleme des Polit- und Verwaltungssystems sind offen.

Fri, 06/20/2014 - 13:55 Permalink