Lebet wohl, liebe Eltern
Ich habe die Geschichte der Rosa Spechtenhauser aus dem Schnalstal ausgewählt, die mich sehr beeindruckt hat. Es ist an Brief an ihre Eltern aus dem fernen Jahre 1857.
Liebste Eltern!
Gruß durch das kostbare Blut Jesu!
Erfreuet Euch mit uns, jetzt haben wir die gefahrvolle Reise vollendet, und sind wirklich in Amerika in das Kloster getreten den 12. Jänner.
Gegenwärtig leben wir in der besten Zufriedenheit; die erste Arbeit, die wir verrichteten, war Tirg ausmachen (Maiskolben). Die Rosa und die Anna waren fast allzeit in dem Stalle. Die Rosa bei den Pferden, die Anna bei den Rindern.
Es wird Euch wundern, warum wir so lange auf der Reise waren. Wir haben in Hawre 8 Tage müssen warten, bis das Schiff losging, wir sind 40 Tage auf dem Meere, wir haben oft Sturm gehabt. Den Christtag und den Abend war der Sturm am heftigsten; es schwankte das Schiff so sehr, dass Kufer (Koffer) von der einen Seite zur anderen fuhren. Die Christnacht mußten wir uns nach Kräften heben (halten), daß es uns nicht aus dem Bette hinausgeschmissen hat. Zweimal ging uns der Tod nahe; es waren überall 2 Bettstätte obereinander, wir lagen alle drei beieinander in der unteren, dann brach die obere gerade auf uns herab, wo auch 3 Personen darin lagen. Einmal hätten sie mit Brandwein bald das Schiff angezündet, wenn das Schiff schon gebrannt hätte, so würde man es nimmer erlöscht haben, weil es mit Pech übergossen ist.
Es gedauerte keine viertel Stunde, bis wir die Seekrankheit bekamen. Sobald das Schiff losging, wurde ein Jedes krank; es machte ein Jedes so sehr Brechen, daß es ein Schauder ist. Es standen 5 und 6 Personen beieinander, und spieen so erschrecklich den ganzen Tag; sobald es keine Speise mehr herauf bringt, so würgte es uns, daß alles kracht. Da könnt ihr Euch einbilden, was das für ein Wuß ist von 300 Personen. Bei manchen dauert es nur einen Tag; wir waren alle 3 seekrank, daß wir unmöglich einander etwas kochen konnten.
Die Mittel werden einem Jeden in Hawre vorgewogen, dann muß man sich selbst kochen. Die Küche war so klein, man muß es nur erraufen, wenn man etwas haben will; dann haben wir oft den ganzen Tag nichts, weil wir zu verdrossen sind. Wenn das Schiff schwankt, so kann man gar nicht kochen, weil es alles ausschüttet, obschon alles in einem Hafen gekocht muß werden.
20 Tage litt es mir weder Speise noch Trank. Die anderen waren nur etliche Tage krank; mir blieb noch so viel Kraft, daß ich nicht mehr 3 Maaß Wasser ertrage. Einige haben die Seekrankheit auf der ganzen See gehabt; gestorben ist nur ein Kind.
Den Neujahrstag sahen wir zuerst Land. Alles jauchzte vor Freude und lief auf das Verdeck hinauf, es war 4 Uhr Abends. Den anderen Tag wurden wir ausgeschifft; dann mußten wir wieder in New York 3 Tage warten, bis wir fortkamen. Von der Sandwüste habe ich nichts gesehen. Die Stadt New York ist nahe bei dem Meere;
von New York sind wir wieder zweimal auf das Wasser gekommen, nachher haben wir noch 3 Tage mit der Eisenbahn fahren müssen bis Larmo, so heißt der Platz; 4 Stund haben wir müssen gehen bis in Minstere, da waren wir auch 2 Tage in dem Kloster, und jetzt sind wir im Kloster Maria-Stein. Alle 3 beieinander. Die Neuigkeiten wollen wir nicht beschreiben; wie das Land hier aussieht, weiß ich wenig, weil wir allezeit in der Eisenbahn waren, und die Fenster waren mit Eis überzogen, daß man nicht hinaussieht; nur was wir gegangen sind, haben wir gesehen, sie haben nur eine Stub, sonst nichts, sie kochen in der Stub, und backen Brod in der Stub, das gewöhnlich alle Tage gebacken wird.
Wo wir hingegangen sind, da haben sie uns geschwind Krapfen, Bratn, Kaffee, Brod und Honig gegeben, sie zwangen gleichsam zum Essen. Stall haben sie gar keinen, das Vieh ist alles auf der Weiten, Schweine sind ganze Herden auf dem Felde, Kühe und Alles, Hund und Katz sind bei einem jeden Hause eine Menge. Es ist hier auch Schnee und noch viel kälter als bei Euch.
Zum Beschluße grüßet uns die nächsten Freunde, den hochw. H. Schropp, Hochw. Pfarrer und die Häuserin; mir aber die Gorfer Madler, den Töth und die Totha, die Schmid Anna.
Die kindliche Liebe, die wir in so fernem Lande noch zu Euch tragen, laßt uns noch nicht schweigen; eines ist, was unser Herz noch kränket, daß wir Euch den Kummer für uns so lang nicht haben können mindern. Von jetzt an soll der Kummer für uns den er erquickenden Schlaf Euch nicht mehr rauben.
Lasset die Leute reden, was sie wollen, lasset Euch die Welt Thoren nennen; wir werden Eure Weisheit schildern, daß ihr uns den freien Willen habt gelassen.
Ihr wisset, lieber Vater, wie viel Eure Worte bei mir gelten; nur ein Wort bei mancher trüben Stunde war genug gewesen mich zurückzuhalten.
Gott sei Dank, daß wir hier sind, das Leute Ausrichten hat ein Ende; wir dürfen den ganzen Tag kein Wort reden, als was gerade zur Arbeit gehört, sonst wird allezeit gebetet. Bei jeder Arbeit Gutes zu thun, haben wir die beste Gelegenheit. Speck-essen können wir uns täglich satt; 20 Schweine sind so geschlachtet, 29 sind noch.
Mit unseren Kleidern könnet Ihr thun, was Ihr wollet, wir werden nicht mehr zurückkommen. Wenn noch einige hereinkommen wollen, so ist kein Platz mehr; es sind schon zu viele da, sie nehmen keine mehr an. Es sind mit dem Obermüller 5 herein; die sind auch 45 Tage auf dem Meere gewesen. Wie lange man auf dem Meere sein muß, das weiß man nie; man kann in 20 Tagen überkommen, in 30, in 80, in 150, gerade wie der Wind geht. Es sind Schiffe mit uns ans Land gekommen, 6 sind noch länger auf dem Meere gewesen. Sie haben 9 Tage nichts zu Essen gehabt. Maria schreibe diesen Brief anders ab, und gib ihn des Rosa'sn Bruder , diesen kann er nicht lesen.
Lebet wohl, liebe Eltern und Geschwisterte bis ein fröhliches Wiedersehen in der Ewigkeit!
Wie ein Nebel, wie ein Rauch,
Vergeht das Menschen Leben auch!
Den 8. Februar 1857
Rosa Spechtenhauser
Anna Spechtenhauser
Karolina Rainer
Schwestern der Versammlung von dem kostbaren Blute Jesu.
Jetzt grüssen wir Euch noch einmal, liebe Eltern und Geschwisterte durch das kostbare Blut Jesu, und das reine Herz Mariae.