Culture | Ausstellung

HC SVNT DRACONES (Hier sind Drachen)

Am 24. Juli eröffnet die Ausstellung NOVA ORBIS TABULA IN LUCEM EDITA der zeitgenössischen Kartografen MDMM in Eppan.

Nova Orbis Tabula in lucem edita – Neue Welttafel im Licht hervorgehoben. Der Titel der Ausstellung von MDMM (Markus Drassl und Michael Meraner) ist der gleichnamigen Weltkarte des niederländischen Kartographen und Verlegers Frederik de Wit entnommen. Die Karte erblickte 1662 das Licht der Welt und wird als eine der faszinierendsten ihrer Zeit beschrieben. Ihre allegorischen Ausschmückungen und überraschend präzise Darstellung der ausgefransten Ränder der Kontinente beeindrucken noch heute. Kalifornien allerdings, trieb damals, von Amsterdam aus gesehen, noch als sorglose Insel im Meer. Das heutige Zentrum der Kartografie – die Firmenzentrale von Google Maps in Mountain View - liegt auf dieser Insel, die keine ist.

Die Einführung von Google Earth war eine Sternstunde des Internets. Noch nie hatte jemand (ausgenommen der Kosmonauten und Co.) die Erde aus dieser Perspektive gesehen. Schwerelos können wir nun darüber hinweggleiten, in sie hineinzoomen und dabei alle möglichen Orte anvisieren. Es erstaunt, dass trotzdem beinah jede_r, so auch MDMM, dabei als Erstes das eigene Zuhause aufsucht. Auf ihren Entdeckungsreisen im digitalen Kartenneuland suchen Markus Drassl und Michael Meraner nach unbekannten Perspektiven und Strukturen in ihrer unmittelbaren, scheinbar bekannten Umgebung. Den digitalen Orthofotos setzten sie ein radikal vereinfachtes Geländemodell entgegen. Auf ihren Bildern finden sich sorgfältig ausgewählte Ausschnitte aus einem sogenannten digitalen Geländemodell. Dieses landesweite flächendeckende und sehr detaillierte Modell wurde mit Hilfe eines flugtransportierten Laserscanners erstellt.

Mit Rost zeichnen Markus Drassl und Michael Meraner die filigranen Konturen des Ortlergebiets, des Schnalstals, der Drei Zinnen, des Mitterbergs, oder des Ritten auf genormte Stahlbleche. In dem sie präparierte Metallplatten dem Regen aussetzen, bilden sich mit der Zeit auf deren Oberfläche vielfältige Farben und kleinste kaleidoskopische Strukturen. Diese Momentaufnahmen werden dann mit Ölen (in einem geheimen, alchimistischen Prozess) dauerhaft auf den Cortenstahl gebannt. Eine malerische und gleichzeitig skulpturale Praxis.

In manchen Bildern knicken die sich über die Bildfläche erstreckenden Höhenlinien abrupt ein, um dann strahlenförmig auseinander zu laufen, gleich einem Gewebe, dass im Begriff ist sich aufzulösen. Oder aber die Linien laufen als Parallelen weiter und verwandeln die abgebildete Landschaft in einen Strichcode. Durch die Spiegelung von Kartendetails erzeugen MDMM weitere Verfremdungen des Geländemodells und erschaffen damit potentiell endlos reproduzierbare Retortenlandschaften. Auf anderen Platten ist wiederum ein „Glitch“, eine Störung in der Linienführung zu erkennen. Bewusst suchen MDMM nach diesen Verzerrungen im Geländemodell, welche durch fehlerhafte Verknüpfungen der Aufnahmen entstehen. Somit tauchen auf den Karten von MDMM weiße Flecken auf, gleich jenen, wo vor langer Zeit die Ungeheuer und Drachen angesiedelt wurden.

Karten erzählen Geschichten. Sie stehen in engem Zusammenhang mit unserer Geschichte und ordnen diese immer wieder neu. In ihnen spiegeln sich Machverhältnisse, Ängste, kolonialer Ehrgeiz, Neugierde und wissenschaftlicher Fortschritt. Die digitale Revolution hat das Kartieren stark verändert. Das Ziel ist jedoch klar: jeder einzelne Ort auf der Erde soll noch präziser als jemals zuvor und sehr viel detaillierter kartiert werden. Eine Karte, die die komplette Welt von innen und außen zeigt, ist längst nicht mehr Science Fiction Utopie. Sie findet in gewissem Maße schon heute Platz auf unseren Handydisplays. Ausgerüstet mit GPS und Navigationssystemen ist es heute mehr denn je, eine Kunst sich zu verlieren. MDMM sind Meister in dieser Kunst des Sich-Verlierens. Sie streifen in den digitalen Kartenwelten umher, verweilen wo es ihnen gefällt und setzen Koordinaten nach eigenem Wohlgefallen und Gutdünken ins Bild. MDMM sind zeitgenössische, subversive Landvermesser. In unserer Welt der totalen Sichtbarkeit gleichen sie dem Protagonisten K. aus Franz Kafkas Roman „Das Schloss“, dem misstrauisch unterstellt wird, wohl eher „ein gemeiner Landstreicher, wahrscheinlich aber Ärgeres“ zu sein.

 

NOVA ORBIS TABULA IN LUCEM EDITA

Eröffnung: 24.07.2015 um 19.00

Johann G. Plazerstraße 11, 39057 St. Michael / Eppan

 

Öffnungszeiten:

Montag - Freitag von 16.00 - 20.00

Samstag - Sonntag von 18.00 - 21.00