Economy | Sonderlohnausgleich

Chaos im Schneckentempo

Steuer- und Arbeitsrechtsberater setzen einen Warnschuss ab: Bürokratie, Rechtswirren und technische Störungen verhinderten, dass Arbeitnehmer zum Lohnausgleich kommen.
Bürokratie
Foto: Pixabay

“Totales Chaos.” Claudio Zago nimmt sich kein Blatt vor den Mund, um die derzeitigen Zustände zu beschreiben. Ungeschönt weist der Präsident der Kammer der Wirtschaftsprüfer und Steuerberater darauf hin, dass trotz des großen Arbeitsaufwandes, den seine Berufskategorie seit Beginn des Lockdowns leistet, Arbeitnehmer nach wie vor das Geld aus der Lohnausgleichskasse nicht erhalten.

“Wir bewirken gerade Wunder. Aber sperrige Bürokratie, komplizierte, widersprüchliche und verworrene Rechtsnormen sowie Störungen bei den zuständigen staatlichen Instituten verhindern eine pünktliche Überweisung”, kritisiert Zago und mit ihm der Präsident der Berufskammer der Arbeitsrechtsberater Loris De Bernardo.

 

“Lohnausgleich im Schneckentempo”

 

Die beiden sprechen von einem “Spießrutenlauf”, dem die Arbeit von Wirtschaftsprüfern und Arbeitsrechtsberatern gleiche: “Während rund um die Uhr gearbeitet wurde und wird, um Arbeitnehmern die ihnen zustehenden Gelder der Sonderlohnausgleichskassen zu garantieren, muss man sich mit Bergen an Bürokratie und komplizierten Rechtsnormen auseinandersetzen.” So gebe es zum Beispiel 26 verschiedene Arten von Lohnausgleichskassen mit eigenen Regeln und Vorschriften. Außerdem konnten Anfragen für den Sonderlohnausgleich zum ersten Mal erst Ende April eingereicht werden.

Die Bearbeitung der Gesuche rund um den außerordentlichen Lohnausgleich bereite am meisten Probleme, bestätigt De Bernardo. Vor allem sei das Prozedere langsam, sperrig und verlaufe “im Schneckentempo”. “Die Gesuche werden von den Arbeitsrechtsberatern eingereicht, die aber erst nach der Autorisierung vonseiten des CIG auch das Modell SR41 senden dürfen, das zur direkten Bezahlung der Arbeitnehmer im Lohnausgleich verwendet wird. Zunächst konnte das INPS den Zahlungen schnell nachkommen, aber nun häufen sich Verspätungen bei der Bearbeitung der Gesuche, was auf die Bürger zurückfällt.”

 

Besonders betroffen sei das Handwerk, wo Verspätungen besonders oft auftreten. Die dafür zuständige Bilaterale Körperschaft für das Handwerk FSBA habe bisher nur im März vollständig ausbezahlt, im April nur die Hälfte und im Mai noch gar nichts, “da die dafür nötigen Mittel vom Staat noch nicht überwiesen wurden”, so De Bernardo.

 

INPS spielt nicht mit

 

Dazu gesellen sich Probleme mit der Technik: Täglich müssten sich Wirtschaftsprüfer und Arbeitsrechtsberater mit Störungen auf der Webseite des INPS herumschlagen, berichten Zago und De Bernardo. Am 10. Juli zum Beispiel sei es einen ganzen Tag nicht möglich gewesen, auf die Seite zuzugreifen. Es komme häufiger vor, dass mit der Seite nicht gearbeitet werden könne oder das System abstürze, nachdem die Gesuche eingetragen wurden. “Wir müssen uns jeden Tag mit einer immer lästiger werdenden Bürokratie auseinandersetzen, die das ganze Land ausbremst. Außerdem sehen wir uns konstant Problemen bei den öffentlichen Körperschaften ausgesetzt, da dort, als wären die gesetzlichen Vorgaben nicht schon chaotisch genug, diese Vorgaben nochmal neu interpretiert werden und so nur noch mehr Unsicherheit geschürt wird”, so die scharfe Kritik von De Bernardo.

 

“Arbeitnehmer erhalten ihr Geld nicht”

 

“Umso grotesker lässt das Ganze das letzte Beispiel dysfunktionaler bürokratischer Prozesse im Falle von Südtirol erscheinen”, legt Zago nach. Zahlreiche Arbeitnehmer hätten darauf hingewiesen, dass das Geld der Lohnausgleichskassa nicht auf ihr Konto überwiesen werden kann – obwohl das zuständige Institut im Besitz des IBAN sei und schon in den Monaten zuvor Leistungen auf das gleiche Konto ausbezahlt habe. “Somit müssen die Überweisungen über die italienische Post mit einer Zahlungsanweisung erfolgen”, führt Zago aus. “Das ist für den Arbeitnehmer sehr umständlich, da er persönlich in einer Postfiliale erscheinen muss – mit all den Einschränkungen, die aufgrund von Covid-19 eingehalten werden müssen – und eigens ein Girokonto bei der Post für Summen, die 1.000 Euro übersteigen, eröffnen muss, was wiederum zusätzliche Kosten bedeutet.”

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G. P. Fri, 07/17/2020 - 10:04

Unerwähnt bleibt, dass genau die Wirtschafts-, Steuer- und Arbeitsrechtsberater schon seit vielen, vielen Jahren durch den Bürokratiewahnsinn und der undurchschaubaren Steuergesetzgebung ausgesprochen gut leben.

Fri, 07/17/2020 - 10:04 Permalink