Ein offener Ort der Begegnung

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Eva Kainz: „Unser Ziel ist es, jungen Menschen einen Raum zu geben, in dem sie so sein dürfen, wie sie sind.“ Foto: Seehauserfoto
Kieselsteine knirschen unter meinen Füßen. Mit jedem weiteren Schritt offenbart sich die mit hunderten Bildern behängte Gebäudefassade. Entlang der Gemäuer wuchern Pflanzen in allen möglichen Formen und Farben. Die Natur scheint den Ort ein kleines Stück zurückzuerobern. Eva Kainz erwartet mich bereits. In einem farbenfrohen gelben Kleid und passenden Sandalen begrüßt sie mich lächelnd. Ihre Ausstrahlung spiegelt die des Gebäudes wider: bunt, lebensfroh und voller Tatendrang.
„Ab einem bestimmten Alter muss die Gesellschaft einen Raum zur Entfaltung bieten, wo das Elternhaus zu klein wird.“
Eva Kainz ist seit Mai 2022 Geschäftsführerin des JUMP, dem Jugend - und Kulturtreff der Gemeinde Eppan. Sie ist selbst Mutter von vier Kindern und übt nach jahrelanger Erfahrung in anderen Branchen ihren Traumberuf aus. Schon lange hatte sie den Wunsch, in die Jugendarbeit einzusteigen, denn für sie ist es das sinnvollste, sich um die zu kümmern, die nach einem kommen. „Mich fasziniert die Zeitspanne der Jugendlichen, denn es passiert sehr viel auf persönlicher Ebene. Es ist mir sehr wichtig, dass man ihnen gut hilft, in das Erwachsenenleben hineinzukommen“, erklärt Kainz. „Ich habe gemerkt, auch bei meinen Kindern, dass die Pubertät eine Zeit ist, in der sie vom Elternhaus hinauswachsen und zusätzliche Bezugspersonen brauchen. Dort habe ich die Notwendigkeit gesehen, dass ab einem bestimmten Alter die Gesellschaft einen Raum zur Entfaltung bieten muss, wo das Elternhaus zu klein wird.“
Durch eine grüne Pflanzenpracht, duftende Blumen und Kräuter, Tischgruppen und Kunstwerke führt Kainz mich in das Gebäude hinein. Es ist kühl und still. Im Sommer sind durch zahlreiche Projekte weniger bis keine Jugendlichen tagsüber dort und der Trubel lässt etwas nach.
„Es ist wichtig, dass junge Menschen sehen, dass sie selbst etwas verändern können.“
Das alte Widum im Zentrum von St. Michael Eppan steht als imposantes Gebäude neben dem Festplatz. Eine große Fläche gefüllt mit mehreren Räumlichkeiten und einem Garten bieten Raum und Zeit für Kreativität. Seit 32 Jahren existiert JUMP als Jugend- und Kulturtreff in der Gemeinde Eppan. Von nur einem Mitarbeiter hat sich das Zentrum von einem Teil des kirchlichen Jugendamtes in einen ehrenamtlichen Verein mit fünf Mitarbeitern und einem Vorstand verwandelt. Dieser Wandel war notwendig, um auch nicht kirchlich gebundenen Jugendlichen einen Ort zu bieten.
Ein Wunsch nach Wandel"Gnadenhof der Bilder": Über 1400 Bildern vom Recyclinghof wurde ein zweites Leben geschenkt und diese schmücken die Gebäudefassade. Foto: Seehauserfoto„Das Hauptziel für mich war es, jungen Menschen einen Raum zu geben, in dem sie sein dürfen, genauso wie sie sind“, sagt Kainz. „Ich finde, dass in unserer Gesellschaft viel für kleine Kinder gemacht wird, was auch gut und richtig so ist. Aber ich habe oft das Gefühl, dass die Kinder sich ab einem bestimmten Alter in Luft auflösen sollten. Genau in diesem Alter brauchen sie aber von der Gesellschaft besonders viel Rückenwind, Zuwendung und Aufmerksamkeit.“
Der Jugend- und Kulturtreff ist ein Ort des gemeinsamen Wachsens und Lernen und bietet für alle Jugendliche einen Safe Space, um sich auszuleben und sich selbst durch die Gruppendynamik zu finden.
Ein großer Wunsch von JUMP ist es, einen Wandel in der Gesellschaft hervorzurufen, und durch die Vermittlung der richtigen Werte, besonders im Umgang mit der Natur Veränderung zu sehen. Der Jugenddienst legt großen Wert darauf, auf die Erde zu achten, damit nachfolgende Generationen noch eine schöne Welt haben können. „Nachhaltigkeit ist für uns zentral und wir leben einen nachhaltigen Lebensstil vor. Es ist wichtig, dass junge Menschen sehen, dass sie selbst etwas verändern können, um die Erde zu erhalten.“
„In der Essenz sind wir ein offener Ort der Begegnung.“
In den letzten Jahren hat es im Jugendtreff viele Umstrukturierungen gegeben, die sich aus der Teamstruktur und den Schwerpunkten herausgebildet haben. „In der Essenz sind wir ein offener Ort der Begegnung. Jeder ist willkommen und wir achten darauf, einen Raum zu halten, in dem man sich in den verschiedensten Bereichen begegnen kann.“ Von Projekten zur Stärkung von Mädchen, über Gartenarbeit zur Kulturvermittlung, Förderung von Nachhaltigkeit und Naturvermittlung bis hin zu einem bunten Programm voller Musikveranstaltungen, Kursen und Workshops und der einfachen Möglichkeit des gemeinsamen Abhängen, bietet der Jugendtreff eine breite Auswahlmöglichkeit, wo für jeden etwas dabei ist.
„Nicht alle können durch den fixen Standort erreicht werden.“
„Damit diese Schwerpunkte entstehen konnten und gezielt darin gearbeitet werden konnte, mussten wir herausfinden, wer wir sind, was wir wollen und was wir machen und warum“, erklärt Kainz. Dadurch ist auch die Beziehungsarbeit mit der Jugend ein Schwerpunkt, wo mit Prinzipien wie Niederschwelligkeit, Freiwilligkeit, Offenheit, Toleranz, Respekt, Akzeptanz, Partizipation und Demokratie gearbeitet wird. Diese Werte finden auch bei Jugendlichen Anklang. „Zumindest bei denen, die zu uns kommen“, beteuert Kainz. „Nicht alle Jugendlichen können durch den fixen Standort erreicht werden.“ Daher plant der Jugendtreff, sich in die mobile Jugendarbeit zu erweitern, ein Projekt, das im Herbst dieses Jahres oder im nächsten Jahr 2025 starten soll. Mit einem Camper sollen unter der Woche Jugendliche erreicht werden, die sonst nicht in den Jugendtreff kommen.
Wenn man durch das Gelände läuft, kann man immer wieder selbstgemachte recycelte Gegenstände und Möbel entdecken. Einzig die Küche ist neu. Bei der Gestaltung sind auch die Jugendlichen zentral. Sie sollen ihre Ideen einbringen und umsetzen können, um ihre eigene Wirksamkeit zu erfahren. Dies geschieht beispielsweise in der Kreativwerkstatt, in der sie trotz eventuell nicht gelungener Projekte, Erfolge erleben können und somit ein Selbstbild entwickeln können.
Wertschätzung und AnerkennungEin besonderer Ort: in dem der Kreativität Raum und Freiheit gegeben wird und jeder willkommen ist. Foto: SeehauserfotoDie Zukunft des Jugendtreffs hat viele Wünsche der Expansion in sich. Von mobiler Jugendarbeit bis hin zur Sanierung des restlichen Gebäudes. Als ehrenamtlicher Verein ohne Gewinnabsicht decken die Einnahmen oft nur die Ausgaben und solche Ideen sind schwierig umzusetzen. Häufig muss zusätzlich öffentliche Unterstützung beantragt werden. „Soziale Arbeit ist generell finanziell unterversorgt, und es herrscht ein ständiger Kampf, das nötige Budget zu sichern“, berichtet Kainz. „Der Jugendtreff ist auf öffentliche Mittel angewiesen, die teilweise vom Amt für Jugendarbeit und von der Gemeinde Eppan kommen. Ein Beispiel dafür ist das JUMP-OUT Festival, das ein großer Erfolg war, aber auch ein finanzielles Risiko dargestellt hat. Ohne öffentliche Unterstützung ist es unmöglich, kostendeckend zu arbeiten.“
„.. und gleichzeitig kämpfen wir, wie alle in der Jugendarbeit, um genügend Ressourcen zu haben, um den Anforderungen der Jugend gerecht zu werden..“
Trotz vieler Sorgen hat jedes Event einen Erfolg, was auch Spenden von Privatpersonen, die die Arbeit des Jugendtreffs schätzen und eine wichtige Unterstützung sind, zeigen. „Wir bekommen viel öffentliche Wertschätzung und spüren, dass unsere Arbeit anerkannt wird. Aber gleichzeitig kämpfen wir, wie alle in der Jugendarbeit, um genügend Ressourcen zu haben, um den Anforderungen der Jugend gerecht zu werden.“
„Here’s everybody welcome“
Als ich das Gebäude verlasse und die Kieselsteine unter meinen Füßen höre, erinnere ich mich an das Motto des Jugendtreffs: „JUMP – Here’s everybody welcome“ (= hier ist jeder willkommen) – ist über dem Eingang zu lesen. Das spürt man hier, und es macht diesen Ort zu etwas ganz Besonderem. Der Jugend-und Kulturtreff JUMP ist mehr als nur ein Raum für Jugendliche - es ist ein lebendiger Ort der Begegnung, Kreativität und Gemeinschaft. Eva Kainz und ihr Team setzen sich mit Leidenschaft dafür ein, jungen Menschen einen sicheren Raum zu bieten, in dem sie sich entfalten und wachsen können. Mit einem klaren Fokus auf Nachhaltigkeit und gesellschaftlichen Wandel gestaltet JUMP die Zukunft aktiv mit. In einer Zeit, in der Jugendliche oft übersehen werden, bleibt JUMP ein wichtiger Anlaufpunkt, der ihnen nicht nur eine Stimme gibt, sondern sie auch ermutigt, die Welt aktiv zu gestalten. Hier wird der Grundstein für eine verantwortungsvolle und engagierte Gesellschaft gelegt – und jeder ist eingeladen, Teil dieser inspirierenden Bewegung zu sein.
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