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Sommerkino: Von Spielberg zu Tarantino

Der Sommer gilt als des Kinos größter Feind. Das war nicht immer so und könnte sich nun wieder ändern. Ein Blick auf das Phänomen Sommer-Blockbuster.
Blockbuster
Foto: Universal

Die größte Lüge, die sich der Mensch seit jeher einzureden versucht, ist jene, dass man im Sommer keine Lust auf den Kinobesuch hat. Es ist ja so schön warm draußen. Halt, muss an dieser Stelle gesagt werden. Ist der Lockruf des kühlen, von Hitze isolierten Kinosaals, seine Dunkelheit und sein Potential, den Schweiß und die Anstrengungen, die in jeder Bewegung stecken, zu verdrängen, nicht wunderbar verführerisch? Warum ist man gewillt, im tiefsten Winter aus dem Haus zu gehen und sich durch das Schneegestöber zu kämpfen, nur um halb erfroren und durchnässt im Saal zu sitzen? Es gab eine Zeit, in der war all das anders. Der Sommer, der zurecht von vielen Kinobetreibern als finanzielles Loch gefürchtet wird, war die Zeit der großen Abenteuer. Immer wieder gab es breit angelegte Publikumsmagneten, man denke an die alten Hollywood-Erfolge wie „Ben Hur“ oder „Vom Winde verweht“. Doch spätestens als das klassische Hollywood Ende der 60er starb und Platz für die jungen, verwegenen Filmemacher rund um Steven Spielberg, Martin Scorsese, Francis Ford Coppola oder George Lucas machte, etablierte sich eine neue Form des Mediums. Gemeinhin spricht man seit den 70ern von den „Blockbustern“, also jenen Filmen, die eine derart große Menge an Zuschauern angelockt hatten, dass sich lange Schlangen rund um die Häuserblocks bildeten. Das geschah häufig auch kalkuliert, durch geschicktes Marketing etwa. Der Prototyp des Blockbusters, der noch dazu im Sommer ins Kino kam, ist Steven Spielberg´s „Der Weiße Hai“ („Jaws“). Dieser Film ist in seiner Konzeption natürlich wie geschaffen für den Sommer. Als Tierhorrorfilm löste er die eine oder andere Panik an den Stränden aus. Die Furcht vor dem Hai wurde zum Kassenmagneten. Das war 1975. Spielberg gilt als Experte für Sommerblockbuster. So war auch sein Dinosaurierspektakel „Jurassic Park“ (1993) ein Sommerfilm, genauso wie „Indiana Jones“ (1980). All das sind Event-Filme, die entweder durch ihre Thematik oder ihre Präsentation ein großes Publikum anlocken. Und das im Sommer. Mit den Jahren nahmen die Zuschauerzahlen allerdings wieder ab. Nur selten schafft es in der aktuellen Zeit ein Film, an alte Sommererfolge anzuknüpfen. Im letzten Jahr war eventuell der sechste Ableger der „Mission Impossible“-Reihe ein solcher Vertreter. Doch der war Teil eines riesigen Franchise, weshalb der Erfolg wenig verwunderlich ist. Doch nun, 2019, betritt Quentin Tarantino zum 9. Mal die Bühne der Filmwelt und platziert sein Werk „Once Upon A Time... In Hollywood“ mitten im Sommer. Ein riskanter Schachzug, doch siehe da: Der Film hat großen Erfolg. Auch bei 40 Grad, auch bei einer Lauflänge von knapp drei Stunden und einem zugegeben sehr abstrakten Nischen-Thema. Es geht um einen Schauspieler und seinen Stuntman, in den späten 60ern, also genau da, wo das alte Hollywood im Sterben liegt. In den Nachwehen dieser Zeit versuchen sie nicht völlig abzustürzen, während im Hintergrund die Manson-Morde passieren und die das perfekte Bild der Glamourwelt endgültig zerstören. Der Film spaltet aktuell selbst die eingefleischtesten Tarantino-Fans, hat aber dennoch großen Erfolg. Das ist als lauter Herzschlag des Sommer-Blockbusters zu sehen, wenngleich Tarantino sicher eine große Ausnahme im Hollywood der heutigen Zeit ist. Er kann es sich leisten, seinen eigenen Weg zu gehen, ohne Kompromisse oder Zugeständnisse an das Studiosystem. Seine Filme sind Blockbuster der anspruchsvollen Art. Eine Seltenheit. Und sein Erfolg gibt ihm recht. Es ist ein wichtiger Film, der an dieser Stelle in einigen Wochen noch detailliert besprochen werden wird. Denn er zeigt, dass es in einer zum Erlahmen gekommenen Industrie noch nicht zu spät für Rettung ist. Komplette Verdummung und das stupide Wiederholen immer gleicher Schemata ist nicht länger an das in Verruf gekommene Wort Blockbuster gebunden. Endlich ist da wieder ein finanziell erfolgreicher Film, der auch qualitativ stark ist und den Zuschauer herausfordert. In Zeiten von Marvel & Co. hatte man damit kaum mehr gerechnet. Was also verbindet „Der Weiße Hai“ mit „Once Upon A Time... In Hollywood?“. Es ist die individuelle Vision eines einzelnen Menschen, Spielberg und Tarantino mögen sehr unterschiedliche Filmemacher sein, doch an dieser Stelle überschneiden sie sich. Beide ihrer Filme sind anspruchsvoll und erfolgreich zugleich, provozieren den Sehnerv und stellen Fragen – eine Tatsache, die gerade Spielberg ansonsten oft vermissen lässt. Dass das beim Massenpublikum ankommt, sollte ein Appell an die verantwortlichen Studios in Hollywood sein.

Ich möchte also dazu aufrufen, weiterhin auch, oder gerade im Sommer ins Kino zu gehen. Denn sonst könnte man cineastische Höhepunkte wie den jüngsten Tarantino verpassen. Nicht jeder Filmemacher, besonders in Europa, kann sich auf seinem Namen und den Lorbeeren vergangener Tage ausruhen. Etwas mehr Mut darf nicht nur von den Studios und Produktionsfirmen, sondern auch vom Zuschauer erwartet werden. Von Ihnen.