salto.music | Fatamish / Review

Bipolarer Hardcore

Vorfreude ist die schönste Freude, aber auch die geht irgendwann zu Ende, wie bei Fatamish, die heute ihr neues Album „Spleen“ releasen und die erwähnte Freude mit neuen Songs zu verlängern wissen.
Fatamish
Foto: Helmut Gross
  • „Formed in 2014 in Bruneck, Fatamish emerged as a loud and gritty response to social unrest — laced with biting irony. Their sound fuses metal, metalcore, and hardcore, paired with lyrics in English, German, and Italian. Driven by frontman Seebi's fierce vocals, they don't just bring the noise — they bring the message.“

    Damit stellt sich die Brunecker Hardcore-Band Fatamish auf ihrer Bandcamp-Seite vor, und, wir können nur bestätigen was da steht. Hinzuzufügen wäre, dass neben ihrer konstanten Liveaktivität und diversen Singles und Videos 2021 mit „Ophiocordyceps Unilateralis“ ihr erstes Album erschienen ist. Und jetzt also „Spleen“, auf das wir uns sehr gefreut haben.

    Fatamish machen das nicht!

    Seit einiger Zeit macht sich ja eine gewisse Spotifyisierung breit, was die Art und Weise der Veröffentlichungen betrifft: Zuerst werden in monatlichen Abständen Singles released, die dann am Ende zu einer EP oder einem Album zusammengefasst werden. Es geht dabei lediglich darum das Maximum an Streams und Aufmerksamkeit zu erreichen. Für die Hörer/Hörerinnen ist das hingegen nicht nur bedrängend, es stellt sich auch eine gewisse Müdigkeit gegenüber dem Artist ein und das Gefühl der Vorfreude auf das Neue geht völlig verloren. Es ist eigentlich eine kontraproduktive Veröffentlichungspolitik die hier praktiziert wird, denn bei allem Fan-Sein, der Wunsch und die Suche nach Neuem sind in der Musik (und ganz generell in der Kunst) ein extrem wichtige Pfeiler. Fällt dieser weg, schwindet auch das Interesse.

    Fatamish machen das nicht! Fatamish releasen Singles, aber sie liefern auch neue Songs. Auf „Spleen“ sind zwar drei bereits veröffentlichte Tracks enthalten – „Antikarma“, „Berühmt? Du et!“ und „Forced Decision“ –, aber es gibt sechs völlig neue Titel! 

  • Ein wunderschönes Cover für das neue Album: „Spleen“ von Fatamish ist am 18. August 2025, über die digitalen Kanäle der Brunecker Band erschienen. Foto: Fatamish
  • Das Album beginnt mit „Antikarma“, als Video-Single bereits letztes Jahr erschienen, und die Band gibt ohne Rücksicht damit die Richtung des gesamten Albums vor. Wer diesen Song übersteht, ist bereit für den Rest.

    „Antikarma“ wird gefolgt vom in Italienisch gehaltenen, vehementen „Scelte“, das sich irgendwo zwischen old-school und einem progressiv-komplexen Arrangement platziert. Ein erstes Highlight mit Groove und irrwitzigem Zug. „Identity Crisis“ pendelt zwischen angenehmer, fast poppiger Melodie – die Rolle am Mikro übernimmt Alvaro Sequani – und einem incazzierten, geschrienem, sehr harten Hardcore-Part – diese Rolle hat logischerweise Sebastian „Seebi“ Kuen – hin und her, und diese Bipolarität mag für die Identitätskrise stehen, die im Song abgehandelt wird. Auch wenn Fatamish nach wie vor eindeutig Hardcore liefern, die Jungs hören auch aktuellen Metal, ganz sicher.

    Die stimmliche Dualität von Sequani/Kuen kommt auch bei „Wo willsch du hin“, wo Bizarro Welt Fatamish den Gegenbesuch abstatten. Fatamish hatten ja auf deren Track „Kein Geld, kein Glanz, kein Glück” ein Feature.

    „Burden Of Blame“ ist ein schwerer, mächtiger Track, mit einem „ruhigen“ Teil und einem Teil, der voll in die Hardcore-Kerbe schlägt. Wegen seiner Intensität und seiner Atmosphäre definitiv ein weiteres Highlight des Albums. 

    Bereits geläufig, weil bereits als Singles unterwegs, „Forced Decision“ und „Berühmt? Du et!”. Bei „Forced Decision“ fällt Drummer Simon Plaickner wegen seines variantenreichen Spiels ein erneutes Mal auf, und bei „Berühmt? Du et!”, das auch als reine Punknummer durchgehen könnte.

    Der vorletzte Song „Self Determination“ kommt hingegen – ab Sekunde 45 – ziemlich Slayer-mäßig daher, ultraschnell, mit Breaks, groovigen Parts und (nicht mehr Slayer-mäßigen) Melodien. Ein cooler Abschluss für ein cooles Album.

  • Fatamish beim diesjährigen „Burning Park“-Festival in Welsberg (v.l.n.r.): Patrick Auer (Bass), Sebastian „Seebi“ Kuen (Stimme), Normen „Schmidt“ Berger (Gitarre), Alvaro Sequani (Gitarre und Stimme) und Simon Plaickner (Schlagzeug). Foto: Fatamish/ „Burning Park“-Festival
  • „Spleen“ verlangt einiges ab, weil die Verschnaufpausen auf diesem Album dünn gesät sind. Die abschließende, ruhige Nummer, „Il grande inganno“, zählt nicht, weil sie als Outro letztlich zu spät kommt. Aber das gehört zum Hardcore, deshalb wird auch nicht gejammert. Einziges Haar in der Suppe ist die Textverständlichkeit, die an manchen Stellen etwas besser sein könnte, denn es gibt Leute, die Wert darauf legen, mitzuverfolgen, was da gesungen wird. Auch wenn das beim Gesangsstil von Seeba schwierig ist.

    Zu erwähnen ist noch das sehr schöne Cover, das sich die Band für dieses zweite Album geschenkt hat. Es würde wunderbares Vinyl abgeben (wenn Vinyl nicht so teuer wäre).

    „Spleen“ ist ein tolles Album: Vollgetankt bis obenhin mit aggressiver Energie, viel Abwechslung in den Songs und eine moderne Produktion, die in ihrer „Modernität“ nicht ausufert (und z.B. den Bass als eigenständiges Element am Leben lässt). Sehr gut!

  • Fatamish: „Antikarma“ (Official Music Video)
    (c) Fatamish

  • Sebastian „Seebi“ Kuen schreit sich die Seele aus dem Leib und bleibt mit seiner Band konsequent auf Linie: Die Brunecker Fatamish bleiben stur und liefern mit ihrem neuen Album ihre Sichtweise von modern produziertem Hardcore. Foto: Immanuel Frötschet