„Bereicherung für jede Minderheit“
„Doppelte Staatsbürgerschaften sind eine Bereicherung für jede Minderheit!“ Mit dieser Botschaft klang am Freitag das Symposium der Südtiroler Freiheit zu einem ihrer Kernthemen aus. Die Landtagsfraktion der Bewegung beleuchtete das politisch umstrittene Anliegen damit laut eigenen Aussagen in einen akademischen Kontext - und holte sich dafür Referenten aus allen Teilen Europas und der Welt, darunter Brasilien, Kanada, Armenien, Slowenien, Dänemark, Italien, Ungarn, Kroatien, Polen und Rumänien. Statt im Südtiroler Landtag traf man sich nach den politischen Protest letztendlich im Bozner Hotel Laurin. Dort wurde attestiert, dass eine doppelte Staatsbürgerschaft der Südtiroler nicht am Völkerrecht scheitert, wie die Bewegungt den Völkerrechts-Professor Daniel Turp von der Universität Montreal oder Peter Hilpold, Professor für Völkerrecht und Europarecht an der Universität Innsbruck zitiert. Ausschlaggebend sei allein der politische Wille, erklärte auch Rechtsanwalt Franz Watschinger: „Für die Einführung der doppelten Staatsbürgerschaft in Südtirol bräuchte es nicht einmal eine Anpassung der Verfassung“, sagt er. „Eine einfache Anpassung des österreichischen Staatsbürgerschaftsgesetzes würde genügen.“
Gleich mehrere doppelte Staatsbürger aus aller Welt signalisierten den Südtirolern am Freitag, wie bereichernd zwei Pässe für Minderheiten seien. Jan Diedrichsen, Leiter des Sekretariats der Deutschen Volksgruppe in Kopenhagen, betonte, dass Identität etwas Vielschichtiges sei und die doppelte Staatsbürgerschaft dem Rechnung tragen würde: „Jeder Mensch bestimmt seine Identität selbst!“ Die deutsche Minderheit in Dänemark habe von der doppelten Staatsbürgerschaft sehr profitiert. In dieselbe Kerbe schlug Professor Everton Altmayer aus Dreizehnlinden (Brasilien): „Die doppelte Staatsbürgerschaft führt zu positiven Realitäten und stärkt das Identitätsgefühl. Niemanden wird dadurch etwas genommen, sondern etwas Positives geschaffen!“ Alexandra von Schantz, Vertreterin von „Ålands Framtid“ („Ålands Zukunft“), hob hervor, dass die doppelte Staatsbürgerschaft zur Aufwertung der Autonomie Ålands beigetragen habe. Besonders relevant für Südtirol waren die Schilderungen von Maurizio Tremul, dem Vorsitzenden des Leitungssausschusses der „Unione Italiana“ in Kroatien und Slowenien, sowie Julijan Čavdek, dem politischen Sekretär von „Slovenska Skupnost“ für die Provinz Görz. Seit 2006 ermöglicht es Italien seinen im Ausland lebenden Minderheiten die doppelte Staatsbürgerschaft anzunehmen. Rund 30.0000 Italiener zwischen Slowenien und Rijeka hätten diese Möglichkeit in Anspruch genommen. Doch auch viele in Italien lebende Slowenen hätte zwei Staatsbürgerschaften, wurde bei der Tagung berichtet.
Tatsachen, die bei der Südtiroler Freiheit als Beleg für die Umsetzbarkeit ihres Herzensanliegens vorgeführt werden. „Italien kann es den Südtirolern kaum verbieten, eine doppelte Staatsbürgerschaft anzunehmen, wenn es seinen Minderheiten selbst diese anbietet“, meinte Fraktionsvorsitzender Sven Knoll. Er fand bei der Tagung auch einen prominenten Fürsprecher aus den Reihe der SVP vor. Alt-Obmann Siegfried Brugger, letzthin wieder äußerst medienpräsent, erinnerte im Hotel Laurin daran, dass nicht nur er selbst, sondern auch Karl Zeller und Gianclaudio Bressa noch für eine doppelte Staatsbürgerschaft eingetreten seien, als diese den in Istrien lebenden Italienern gewährt wurde. „Das Grundproblem ist, dass Österreich bei diesem Thema weniger liberal als Italien“, wird der Bozner Anwalt vom Corriere dell’Alto Adige zitiert. Dass man in Wien nun von den Südtirolern oder der SVP eine klare Position verlange, sei nicht richtig. „Es liegt an Österreich, einen Schritt zu setzen“, fordert Brugger. Laut seinen Vorstellungen sollte Wien die doppelte Staatsbürgerschaften all jenen Bürgern des Terroitroiums gewähren, die sie anfragen.
Die Hoffnung darauf bleibt aber gering. Erst am Freitag bestätigte der ÖVP-Südtirol-Sprecher im österreichischen Nationalrat Hermann Gahr seine negative Einschätzung, dass sich für das Anliegen im österreichischen Nationalrat eine Mehrheit finden könnte. Doch das durfte zumindest einen Tag durfte im Bozner Hotel Laurin ausgeblendet werden.