„Mannschaft meine zweite Familie“
Vereinstreue und Bestndigkeit ist in der Schnelllebigkeit der modernen Sportwelt keine Selbstverständlichkeit. Davon zeugte nicht zuletzt das abrupte Ende für Stefan Mair als Cheftrainer beim HC Pustertal trotz eines Dreijahres-Vertrags. Jemand der rund 30 Jahre lang das Trikot desselben Teams überstreifte, bildet da die Ausnahme. Armin Hofer absolvierte mehr als 800 Eishockeyspiele für die erste Mannschaft der Wölfe und 200 Länderspiele für die Azzurri, verbuchte dabei als Verteidiger über 500 Scorerpunkte. Nun verfolgt er bei den Rittner Buam ein langersehntes Ziel.
salto.bz: Wie viele Zähne hat Sie das Eishockey gekostet?
Armin Hofer: Keine zum Glück. Anderes ist zu Schaden gekommen, aber die Zähne sind bis jetzt alle noch da.
Warum haben Sie sich als Kind für Schläger und Puck und nicht etwa für einen Fußball oder Schier entschieden?
Mein Onkel Gerd Mayr war ein langjähriger Spieler des EV Bruneck. Er war dort aktiv, als ich klein war und mich hat beeindruckt, was er kann. Er hat mich relativ schnell dazu bewogen, nur Hockey zu spielen. Ich habe in meiner Kindheit nie einen anderen Vereinssport praktiziert. Weder Fußball, noch Schi. Ich kann bis heute nicht Schifahren. Für mich war als Kind relativ schnell klar, dass Hockey mein Sport ist.
Wer waren Ihre Vorbilder?
Als Kind war es sicher mein Onkel. Als Jugendlicher mit 14, 15 Jahren dann Spieler, die ich auch persönlich kannte, wie Armin Helfer, Christian Borgatello oder Alexander Egger. Alle so zwischen fünf und zehn Jahre älter als ich. Während ich noch Jugendlicher war, waren sie schon Bestandteil der Nationalmannschaft. Das waren meine Vorbilder, wo ich gesagt habe, so wie sie, möchte ich auch einmal werden.
Sie waren – Jugendjahre eingeschlossen - fast drei Jahrzehnte lang beim selben Klub, dem HC Pustertal. Hat Sie ein Wechsel nie gereizt?
Das Besondere an meiner Karriere ist, dass ich nie Profi war. Nach der Oberschule und dem Studium in Bozen habe ich gleich begonnen, Vollzeit zu arbeiten und habe das während meiner ganzen Karriere so gemacht. Schon rein logistisch war es für mich naheliegend, in Bruneck zu spielen. Ein Grund dafür war natürlich auch, dass ich mich beim HCP immer wohlgefühlt habe. Ich habe dort immer Vertrauen bekommen und mich gut weiterentwickeln können. Zudem ist der HCP ist für italienische Verhältnisse sicher einer der besten Adressen im Hockey. Ich habe deshalb nie einen großen Grund gesehen wegzugehen, auch wenn mit 27 Jahren ein Wechsel ins Ausland im Raum stand. Hauptsächlich auch wegen meiner heutigen Frau, die damals alles stehen und liegen lassen hätte müssen, habe ich mich entschieden, hier zu bleiben. Ein Wechsel innerhalb Italiens war nie ein Thema.
Was waren die schönsten Momente Ihrer bisherigen Laufbahn?
Es war eine lange Zeit und Momente gab es viele schöne. Andere Spieler würden auf die Frage antworten, dieser und jener Titel. Größere Titel haben wir während meiner Zeit und überhaupt in der ganzen Vereinsgeschichte jedoch keinen gewonnen. Aber was mir sicher in Erinnerung bleiben wird, sind all die Bekanntschaften, die ich in der Zeit geschlossen habe. Für mich als Berufstätigen waren die Mitspieler gleichzeitig die besten Kollegen, auch weil ich nicht die Zeit hatte, Freundschaften außerhalb vom Hockey zu pflegen. Zeit die ich nicht im Stadion, auf der Arbeit oder mit meiner Familie verbracht habe, habe ich mit den Spielern außerhalb der Eisfläche verbracht. Für mich war die Mannschaft in Bruneck wie die zweite Familie. Das war auch im Nachhinein das Schönste während meiner Zeit in Bruneck.
Ich kann die Situation in der Hockeymannschaft als Kapitän, gleichzeitig aber auch aus der Sicht einer Führungskraft einer Firma sehen; das kann dir helfen.
Auf was hätten Sie hingegen gut und gerne verzichten können?
Aus Mannschaftssicht die verlorenen Finals. In meiner Zeit wurden wir vier oder fünf Mal Vizemeister. Ein Finale zu spielen ist immer bärig, egal ob man gewinnt oder verliert. Aber speziell die Art und Weise wie wir das Finale 2011 verloren haben, aufgrund eines Verstoßes gegen das Regelwerk, weil wir zwei ausländische Torhüter eingesetzt haben, schmerzt. Oder auch 2019 das Finale gegen Ljubljana in der Alps-Hockey-League. Wir führten in der Serie mit 3-1 und verloren am Ende dennoch. Das waren bittere Niederlagen. Aus persönlicher Sicht ist es sicher, wie das Kapitel Bruneck für mich zu Ende gegangen ist. Das hätte ich mir anders vorgestellt.
Für die Südtiroler Eishockeywelt war Ihr Abgang vom HC Pustertal ein Schock und unmittelbar vor dem Saisonstart wenig nachvollziehbar. Viele fragen sich, ob ein Armin Hoffer dieser zuletzt strauchelnden Mannschaft nicht doch noch weiterhelfen hätte können?
Ich hätte wirklich gerne noch in Bruneck gespielt und vor der Saison nie mit dem Gedanken gespielt, Bruneck zu verlassen. Für mich war klar: Wenn Bruneck mir einen Vertrag anbietet, spiele ich in Bruneck. Die Situation vom Zeitpunkt meiner Zusage bis zum Saisonstart hat sich aber verändert. Vier italienische Verteidiger hätten um eineinhalb Plätze in der Stammmannschaft gekämpft, wobei ich von den vier Kandidaten der weitaus älteste war. Wenn ich keinen fixen Platz in der Mannschaft einnehmen kann, so sagte ich mir, dann will ich mit 35 Jahren jüngeren Spielern mit Potenzial und Ambitionen, nicht ihren Platz streitig machen. Deshalb war es der richtige Schritt, wenn auch für mich persönlich als Spieler und Mensch der schwierigste Moment meiner ganzen Karriere.
Eine letzte selbstlose Amtshandlung des Kapitäns also?
Ja aber das hat nichts mit dem Kapitänsamt zu tun. Ich bin ganz offen, wäre ich ein Profi, dann hätte ich die Entscheidung so nie getroffen, dann hätte ich es mir nicht leisten können. Weil ich es mir aufgrund meiner beruflichen Situation aber leisten kann, konnte ich diese Entscheidung auch den Mannschaftskollegen zuliebe treffen. Es ist jetzt nichts, worauf ich stolz bin, aber ich bin überzeugt, dass es der richtige Schritt war.
Der Schritt zu Ritten kam dann ähnlich überraschend wie Ihr Ende bei Bruneck…
Den Vertrag habe ich nicht mit dem Hintergedanken beendet, woanders weiterzuspielen. Ich habe mich nirgendwo angeboten. Für mich war klar, dass ich meine Karriere beende. Ritten ist dann auf mich zugekommen und hat mir ein Angebot unterbreitet. Ich habe um Bedenkzeit gebeten, wollte vor allem mit meiner Familie klären, ob dieses tägliche Pendeln zwischen Bruneck und Ritten möglich ist. Schließlich hat mich mein ganzes Umfeld dazu ermuntert, die Chance in Ritten anzunehmen. Angefangen bei meiner Frau, über meinen Arbeitgeber, haben alle gesagt: So ein Karriereende hast du dir nicht verdient.
Welche Ziele - persönlich und mit der Mannschaft - verfolgen Sie bei den Rittner Buam?
Große persönliche Ziele habe ich nicht. Ich hoffe, dass ich der Mannschaft helfen kann und dass ich, gleich welche Rolle ich haben werde, der Mannschaft zum Erfolg verhelfen kann. Mein Traum ist es, einen großen Titel zu gewinnen, weil ich das bisher noch nicht geschafft habe. Und Ritten ist eine Mannschaft, die das Potenzial hat, vorne mitzuspielen. Sei es in der Italienmeisterschaft, als auch in der Alps-Hockey-Liga.
Ob Serie A, Alps oder ICE-Hockey-Liga: Wie gelang es Ihnen in den letzten Jahren Eishockey auf hohem Niveau mit dem anspruchsvollen Job als Wirtschaftsingenieur zu kombinieren?
Menschen fragen mich oft, wie packst du das? Viele können sich das gar nicht vorstellen. Meine Voraussetzungen sind in erster Linie, dass meine Familie großes Verständnis zeigt, speziell meine Frau aber früher auch meine Eltern und mein Bruder. Sie haben verstanden, dass Hockey meine Passion ist und ich das mit meinem Beruf kombinieren möchte. Weiters braucht es natürlich einen Arbeitgeber, der eine gewisse Flexibilität zulässt. Ich sage bewusst nicht Toleranz, weil unterm Strich arbeite ich gleich wie jeder andere, der Vollzeit arbeitet, habe vielleicht nicht dieselben Arbeitszeiten, aber der Aufwand, den ich in die Arbeit stecke, ist sicher nicht geringer. Abgesehen davon muss ich eine gewisse Selbstdisziplin mitbringen. Wenn es überall halbwegs läuft, geht es leichter. Es gab aber immer wieder Momente, wo es entweder auf der Arbeit, in der Familie oder beim Hockey schwierig war. Ohne Selbstdisziplin auch in diesen Momenten durchzuhalten, würde alles nicht möglich sein.
Warum haben Sie sich entschlossen, nicht ausschließlich den Weg des Eishockey-Profis einzuschlagen?
Eishockey ist in Italien bis heute nicht als Profisport anerkannt. Auch wenn man gut verdienen kann, ist das nie ein abhängiges Arbeitsverhältnis, wo Rentenbeiträge eingezahlt werden. Allein schon aufgrund dieser Tatsache war es für mich keine Option, Profi zu werden. Deshalb habe ich schon früh den Weg in die Berufswelt eingeschlagen. Natürlich habe ich hockeytechnisch Kompromisse eingehen müssen. Es ist ein Unterschied, ob du den ganzen Tag trainieren und danach rasten kannst oder ob du trainierst und nebenbei arbeiten musst und eine Familie hast. Ich bin heute mit 35 Jahren absolut froh, den Weg so gewählt zu haben und tue mich, da meine Karriere zu Ende geht, entsprechend leicht, den Übergang zum Leben nach dem Hockey zu finden.
Gibt es Erfahrungen, Tugenden und Werte aus dem sportlichen Leben, die Ihnen im Beruf von Nutzen sind – und vice versa?
Ich habe in beide Richtungen dieser Doppeltätigkeit sehr profitiert. Generell bin überzeugt, dass ein Kind durch egal welche Mannschaftsportarten, gewisse Werte lernt. Wer in einer Gruppe gemeinsame Ziele verfolgt, der verinnerlicht Werte, die auch in der beruflichen Laufbahn von Nutzen sein können. Dasselbe gilt auch umgekehrt. Ich habe bei meiner Arbeit seit mittlerweile sieben Jahren relativ große Mitarbeiterverantwortung und die Sachen die ich im Zusammenhang damit gelernt habe, sind mir im Hockey zugutegekommen, etwa Führungskompetenzen. Es ist nicht dasselbe, aber man hat auf bestimmte Dinge einen zweiten Blickwinkel und das kann von großem Vorteil sein.
Wenn man Armin Hofer nicht auf dem Eis oder in der Arbeit sieht, wo trifft man ihn sonst an?
Für Hobbys und Leidenschaften hatte ich nie viel Zeit. Es blieb auch wenig Zeit für die Familie. Das war und ist immer noch ein großes Opfer, das ich erbringen musste. Mir war aber stets wichtig, dass ich die wenige Zeit, die ich nicht auf Arbeit oder Hockey verwende, mit meiner Familie verbringen möchte.
Ein Kind verändert die Sichtweise auf alle anderen Dinge.
Speziell seit der Geburt meiner Tochter ist mir bewusst geworden, dass ich meiner Familie und allen Menschen, die es mir ermöglicht haben, mein Leben so zu führen, wie ich es mir gewünscht habe, etwas schuldig bin und ich ihnen etwas zurückgeben möchte. Darauf zielt auch meine Freizeit ab. Besonders meiner Frau muss ich unendlich dankbar sein, für die ganzen Kompromisse, die sie eingegangen ist, damit ich das hier tun konnte.
Können Sie sich vorstellen, dem Hockey in irgendeiner Weise, sei es als Coach oder Funktionär, erhalten zu bleiben?
Absolut. Ich habe zwar keine konkreten Pläne, aber meine Verbundenheit zum HCP werde ich nie verlieren. 30 Jahre war ich beim Verein, zwischen Jugend und erster Mannschaft. Und wenn ich dem Verein in irgendeiner Weise helfen und ein Amt übernehmen kann, egal ob als Funktionär oder was auch immer ist, bin ich für das jedenfalls offen.