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SALTO change im Oktober
„Die Demokratie und die Gefahr von rechts“ lautet das Thema von SALTO change im Oktober:
Alle Artikel der Reihe SALTO change findet ihr unter www.salto.bz/change
Wenn ihr Ideen für weitere SALTO-change-Themen habt, schickt uns eure Vorschläge und Anregungen an [email protected].
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SALTO: Herr Lausch, wie ist nun der Stand der Dinge? Haben die Gesetzentwürfe vielleicht sogar eine Chance zu geltendem Recht zu werden?
Stephan Lausch: Die zwei Gesetzentwürfe, mit denen wir das geltende Landesgesetz so abändern wollen, dass Mitbestimmung möglich wird, sind ins Plenum gekommen, um dort behandelt und abgestimmt zu werden. Nachdem die Entwürfe im zuständigen Gesetzgebungsausschuss von den Mehrheitsparteien SVP und Fratelli d’Italia mit einem negativen Gutachten versehen worden sind.Vor allem der Landeshauptmann spricht von handwerklichen Fehlern, was wir für unbegründet halten.
Allerdings wollten es die Mehrheitsparteien nicht darauf ankommen lassen, baden zu gehen, und haben die Voraussetzungen für die Vertagung geschaffen. Landeshauptmann Kompatscher hat vorgeschlagen, einen Arbeitstisch zwischen Opposition und Mehrheit einzurichten, bei dem eine Klärung zu den Abänderungsvorschlägen erfolgen soll. Vor allem der Landeshauptmann spricht von handwerklichen Fehlern, was wir für unbegründet halten.
Immerhin wurden die Entwürfe nicht in Bausch und Bogen abgelehnt...
Auf jeden Fall ist das zu begrüßen. Wie knapp es mittlerweile für die Mehrheit im Landtag aussieht, kann man daran ermessen, dass der Abgeordnete Alfreider von der SVP angeblich aus dem Krankenbett geholt werden musste, um die Mehrheit sicherzustellen. Aber die Opposition hat von sich aus dem Vorschlag des Arbeitstisches zugestimmt, weil sie nicht mit der Brechstange agieren will und auch, weil sie gelernt hat, dass die Mehrheit weitere Möglichkeiten hat, die Gesetzentwürfe auch bei einer eventuellen Abstimmungsniederlage zu boykottieren. Deshalb kam es zur Vertagung, voraussichtlich nicht nur bis zur Novembersession. So schnell wird der Arbeitstisch wohl nicht zu einer Verständigung kommen.
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Die Hintergründe
Im Südtiroler Landtag geht es zurzeit hochpolitisch zur Sache. Das Hohe Haus in Bozen beschäftigt sich mit der Direkten Demokratie und behandelt zwei Gesetzentwürfe zu diesem wichtigen Thema. Die Initiative für mehr Demokratie hatte schon vor den Landtagswahlen alle kandidierenden Parteien um Unterstützung gebeten und diese Unterstützung von allen Parteien und Listen erhalten – mit Ausnahme der SVP. Als es nach den Wahlen an die Umsetzung ging, blieben die Unterstützer bei ihrem Wort. Nur Landesrat Galateo und seine Partei „Fratelli d’Italia“ wollen nun nichts mehr davon wissen.
Die inzwischen eingebrachten und von den Grünen erstunterzeichneten Entwürfe wurden vor kurzem erstmals im Landtag debattiert. Die SVP will sie offenkundig nicht rundweg ablehnen und setzt auf Verzögerungstaktik, wohl auch um sich peinliche Abstimmungspannen zu ersparen, die aufgrund der Mehrheitsverhältnisse und SVP-interner Dynamiken nicht ausgeschlossen werden können. -
Was steht nun konkret in den Gesetzentwürfen drinnen? Wie soll Bürgerbeteiligung niederschwelliger werden?
Einer der Entwürfe betrifft das Problem der Zulässigkeit von Volksabstimmungen. Die Anträge für Volksabstimmungen müssen ja von einer Kommission begutachtet werden, die über die Zulässigkeit entscheiden muss, damit mit der Unterschriftensammlung begonnen werden kann. Unsere letzten fünf Anträge für Volksabstimmungen wurden alle von der Kommission abgelehnt, wohl aufgrund einer gewissen Voreingenommenheit gegenüber den Mitteln der direkten Demokratie. Aus dem Grund schlagen wir eine andere Zusammensetzung der Kommission vor und eine klare Absteckung des Rahmens für die Behandlung der Anträge. Im ersten Gesetzentwurf geht es auch um ein verbessertes Rekursrecht.
Für die Abstimmung über einen Gesetzentwurf müssen jetzt 13.000 Unterschriften beigebracht werden. Wir wollen die Absenkung auf 8.000 erreichen.
Der andere Gesetzentwurf betrifft im Wesentlichen die Zugangshürden, vor allem die Anzahl der erforderlichen Unterschriften und die Modalitäten der Unterschriftensammlung, die aktuell den Einsatz direktdemokratischer Initiativen erschweren. Wir schlagen die Möglichkeit der Online-Unterzeichnung und eine Absenkung der Unterschriftenhürden vor. Für eine Volksinitiative, das heißt für die Abstimmung über einen Gesetzentwurf müssen jetzt 13.000 Unterschriften beigebracht werden. Wir wollen die Absenkung auf 8.000 erreichen und leiten diese Zahl davon ab, dass rund 8.000 Stimmen dazu ausreichen, ein Vollmandat im Landtag zu erreichen. Auch im Autonomiestatut sind für das bestätigende Referendum 8.000 Unterschriften vorgesehen. Für die Volksbefragung, die ein schwächeres Instrument ist, wollen wir die Unterschriftenhürde auf 5.000 herabsetzen, für das Volksbegehren auf 2.500.
Eine Sache ist die Anzahl der Unterschriften …
Es geht natürlich auch um die Modalitäten der Sammlung: Wir wollen den Kreis der Personen erweitern, die die Unterschriftsleistung beglaubigen können, nachdem dieser 2021 stark eingeschränkt wurde und wir daher Schwierigkeiten hatten, die Unterschriften zusammenzubringen.Ganz wichtig ist auch eine umfassende und neutrale Information über den Gegenstand der Initiativen, auch dafür schlagen wir im zweiten Gesetzentwurf entsprechende Regelungen vor, wobei hinzuzufügen ist, dass die Abgeordnete Renate Holzeisen einen eigenen Entwurf dafür einbringen will.
Sehen Sie Chancen, dass es zu Lösungen im Sinne der Initiative für mehr Demokratie kommt?Wenn am Arbeitstisch ernsthaft gearbeitet werden kann, sehen wir das durchaus positiv. Damit ein solcher Tisch sinnvoll ist, muss er genauso öffentlich sein, wie die Landtagssitzungen. Es muss auch dafür gesorgt werden, dass der Tisch professionell moderiert wird und dass nicht grundsätzlich alles aufgeschnürt wird, sondern nur die Bestimmungen aus den Gesetzentwürfen bearbeitet werden. Wenn das so kommt, könnte da was draus werden.
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„start.klar. im UFO Bruneck“
Am 22.10. findet „start.klar. im UFO Bruneck“ statt. Das Thema lautet „Demokratie in Gefahr | Was macht den Rechtsextremismus so verführerisch?“. Zu Gast bei Moderator Markus Lobis sind die Wiener Politologin und Extremismusexpertin Natascha Strobl und der Sozialpädagoge und OstWestClub-Macher Thomas Kobler aus Meran. Der Livestream des start.klar.-Abends wird auf SALTO übertragen.
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Die direktdemokratischen…
Die direktdemokratischen Instrumente können eine große Bereicherung sein – vorausgesetzt, sie werden von der Bevölkerung getragen und entwickeln sich organisch von unten nach oben. Das historische Beispiel ist die Schweiz, wo Volksabstimmungen auf Bundesebene erst eingeführt wurden, nachdem in kleineren Einheiten wie den Kantonen bereits umfangreiche Erfahrungen mit direktdemokratischen Instrumente gesammelt wurden. Kantone verfügen trotz ihrer überschaubaren Größe über weitreichende Autonomie, etwa im Steuerrecht oder bei der Haushaltsführung. Dadurch erleben die Bürger die Folgen politischer Entscheidungen unmittelbar und haben zugleich die Möglichkeit, diese wieder zu korrigieren, was zu einer gereiften Verantwortlichkeit führt.
In Südtirol hingegen wird die Idee der direkten Demokratie nicht von der breiten Bevölkerung getragen, sondern vor allem von Pressure Groups gepuscht bis zur Einführung – um anschließend von den politischen Vertretern nach dem Abflachen des Hypes wieder abgeschwächt oder entkernt zu werden. Ernüchternd ist, dass die direkte Demokratie nicht nur den Mächtigen im Land lästig ist, sondern auch am Ende bei vielen Durchschnittssüdtirolern auf geringe, bestenfalls kurzfristige Begeisterung stößt.
Noch bedenklicher würde es aber sein, wenn die Regeln so angepasst würden, dass daraus eine gelenkte Form direkter Demokratie entsteht, deren Ergebnisse letztlich nur den Interessen der politischen Klasse und Eliten dienen, die sich dann auch noch aus der Verantwortung ziehen können für die von ihnen angestrebten Zielen.
Mehr Demokratie fürchtet…
Mehr Demokratie fürchtet KOMPATSCHERs edle SVP-Truppe, gleich wie der TEUFEL das Weihwasser ...!