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Foto: zucco.inc
Society | Pollo der Woche

Crux des Journalismus

Der Radiomoderator Giuseppe Cruciani ist der Gipfel der Geschmacklosigkeit. Seine Sendung „La Zanzara“ ist niederster, saudummer Populismus in Reinkultur.
Selbst nach seinem 50. Geburtstag am 15. September dieses Jahres sieht der Mann wirklich gut aus. Schwarze Locken, einen Schmollmund und die Augen eines Verführers. Giuseppe Cruciani weiß, dass er sexy ist. Es ist wahrscheinlich auch sein größtes Kapital.
Denn kaum öffnet der gebürtige Römer den Mund, kommt die mieseste Sorte von Journalismus heraus, die man sich vorstellen kann. Niederträchtig, niveaulos, vulgär. Der Radiomoderator ist kein Journalist, sondern er ist ein Scharfschütze. Wer in den Fokus seiner Radiosendung gerät, der wird mit reiner Scheiße beworfen.
Es geht weder um Ideologie noch um den Inhalt oder um eine Nachricht. Es geht einzig und allein darum, Menschen zu provozieren und zu beleidigen. Ein Rezept, das immer aufgeht.
 
Crucianis Sendung “La Zanzara” läuft täglich von Montag bis Freitag um 18.30 Uhr auf Radio24, dem Radiosender der renommierten italienischen Wirtschaftszeitung Il Sole 24 Ore und damit der Confindustria. Die Mücke im Äther sticht aber nicht, sondern sie kotzt.
So auch vergangene Woche als Giuseppe Cruciani den Ahrntaler SVP-Senator Hans Berger in sein Fadenkreuz nahm. Nach den Konsultationen mit Staatspräsident Sergio Matarella hatten die SVP-Vertreter Hans Berger und Daniel Alfreider am 9. Dezember eine kurze Presseerklärung abgegeben. Bergers Rede dauerte genau 2 Minuten und 17 Sekunden. Dabei erlaubte sich der SVP-Senator, 56 Sekunden lang auch ein paar Worte auf Deutsch zu sagen.
Die Sätze sind der Auslöser für Crucianis Delirium. Der Radiomoderator verkündet der Nation:
 
“C’è un tizio della Sudtiroler Volkspartei (…) il quale parla in te-de-sco. Parla in tedesco davanti alle telecamere! Parla in tedesco! (…) Esci dal Quirinale – parli davanti agli italiani. Poi a casa tua, a Bolzano, parli in quella minchia di tedesco di merda. Ma non puoi parlare in tedesco davanti al Quirinale, parli in i-ta-liano! Queste cose mi fanno impazzire.”
 
Das Ganze geht dann im Zwiegespräch mit dem Co-Moderator der Sendung David Parenzo weiter.
 
Parenzo: “Fammi dire una cosa a questo signore: Vada a fare le consultazioni dalla Merkel!”
Cruciani: “Esatto! Ma poi, scusa, vai a dire le cose al tuo elettorato dove ti pare in tedesco? Pazzesco!”
Parenzo: “Ma io capisco che lui è bilingue ma deve parlare in italiano perché rappresenta la Repubblica italiana!”
Cruciani: “Scende lì davanti agli italiani e parla in tedesco che ci sono quattro italiani che conoscono il tedesco, madai…”
Parenzo: “Magari si è sbagliato con il Bundestag.”
Cruciani: “Roba pazzesca, dai, roba incredibile…”
„Jemand muss dem vermeintlichen Intellektuellen Cruciani nach seiner Diplomarbeit über den Sendero Luminoso das Licht im Kopf ausgeblasen zu haben. Nur so ist es erklärbar, was man alltäglich in seinen Programm zu hören bekommt.“
 
Satire? Wohl kaum.
Roba pazzesca? Schon eher.
Giuseppe Cruciani hat an der Sapienza Politikwissenschaften studiert, mehrere Bücher geschrieben und war lange als Außenpolitik-Redakteur des „Liberal“ und des „Il Foglio“ tätig. Seine Diplomarbeit hat er über die peruanische Guerillaorganisation „Sendero Luminoso“ geschrieben.
Jemand muss dem vermeintlichen Intellektuellen aber danach das Licht im Kopf ausgeblasen zu haben. Nur so ist es erklärbar, was man alltäglich in seinen Programm zu hören bekommt.
Der Moderator ist ein lebendes Antidot für jede Form von Redlichkeit und Intelligenz. Sexistische Possen und rassistische Ausbrüche gehören ebenso zu seinem alltäglichen Repertoire, wie das Lächerlichmachen und Draufhauen auf die Schwächsten der Schwachen. Voyeurismus, verbale Gewalt und dumpfe Rohheit will man als Ironie und Witz verkaufen.
Eines der beliebtesten Mittel von Cruciani ist dabei der Hinterhalt. Der „Fatto Quotidiano“ charakterisiert es so:
Cruciani ha un unico obiettivo: portare chi parla con lui a dire una frase che, subito dopo averla pronunciata, l’ospite non ridirebbe mai. Neanche sotto tortura.“
Das Einzige, was den völlig enthemmten Provokateur aber wirklich antreibt, ist die Suche nach dem Skandal, mit dem er in die Medien kommt. Das ist ihm mit der xenophoben Beschimpfung von Hans Berger wenigstens auf lokaler Ebene gelungen.
„Marco Pannella war ein großer Mann und er hat die einzige Antwort gefunden, der Giuseppe Cruciani würdig ist.“
 
Senator Hans Berger hat einige Zeilen an Giuseppe Cruciani zurückgeschrieben. Es war ein gescheite und angemessene Antwort. Alles andere aber sollte man bleiben lassen. Die Depeschen an die deutsche Botschaft etwa, oder einen Appell, den Radiomoderator zu entlassen. Denn eine andere bekannte Masche Crucianis ist es, den Märtyrer zu spielen.
Das hat der Radiomoderator auch nach dem 4. April 2003 versucht. An diesem Tag war Marco Pannella Studiogast in der „Zanzara“. Der Vater und Kopf der italienischen Radikalen hat Cruciani das Fürchten gelehrt. Als die Provokationen zu viel wurden, hat der damals 83-jährige Politiker kurzerhand einige Mikrophone und Studioutensilien abgeräumt. Pannella hat dabei seinen um 35 Jahre jüngerem Gegenüber so fest die Hand gedrückt, dass man Cruciani in der Aufnahme Winseln hört wie einen kleinen Hund.
Mi hai fatto male alla mano, io qui chiamo l’avvocato“, protestiert Cruciani weinerlich. Pannellas Antwort: „Ti spacco pure la faccia, chiama l’avvocato anche per la faccia“.
Marco Pannella war ein großer Mann und er hat die einzige Antwort gefunden, der Giuseppe Cruciani würdig ist.