Sanitäts-Guerilleros
Wer sagt, dass ein One-Man-Oppositioneller ohnehin nichts bewegen kann, kennt Andreas Pöder nicht. Denn der Landtags-Abgeordnete der BürgerUnion hat gestern im IV. Gesetzgebungsausschuss einmal mehr bewiesen, dass er zumindest alles stilllegen kann. „Organisationsstruktur des Gesundheitsdienstes – Blockade im Ausschuss“., lautete der lakonische Titel der Pressemitteilung aus dem Landtag. Zwei Landesgesetzesentwürfe zur Gesundheitsreform standen am Freitag auf der Tagesordnung der Gesetzgebungskommission. Nachdem Martha Stocker diese nach langen Kämpfen durch ihre Parteigremien bekommen hat, ist nun der Landtag dran. Doch dort lauert Guerillero Pöder. „#alle7krankenhäuserretten“ lautet der Schlachtruf des medial versierten Abgeordneten. In Nicht-Twitter-Sprache übersetzt: Der BürgerUnions-Abgeordnete hat es sich zum Ziel gesetzt, für den Erhalt aller sieben Krankenhäuser als eigenständige Strukturen und die Wiedereröffnung der geschlossenen Geburtenstationen in Sterzing und Innichen in den Kampf zu ziehen. Die Waffen für diese durchaus volksnahe Anliegen: 4000 Abänderungsanträge, für die Andreas Pöder selbstredend auch in der Kommission die volle Redezeit ausschöpfte. Während er die Welt außerhalb des Landtags via Twitter teils im Stundentakt an seiner Schlacht teilhaben ließ („ svp lehnt anhörung ärzte + gewerkschaften + bezirke etc. #sanitätsreform ab #landtag), gingen die Arbeiten in der Kommission entsprechend schleppend voran.
Nach der Generaldebatte zum Gesetzentwurf Nr. 119 zur Organisationsstruktur des Landesgesundheitsdienstes kam man in der Artikeldebatte nur bis Art. 1. „So etwas hab ich noch nie erlebt“, seufzte Kommissionsvorsitzender Oswald Schiefer „Man kann den Geduldsfaden so lange spannen, bis er reißt.“ Wann dieser Zeitpunkt erreicht ist, wird sich zu Beginn der kommenden Woche zeigen. Am Montag setzt die Gesetzgebungskommission die Arbeiten fort, „notfalls in einer Nachtsitzung“, wie es aus dem Landtag heißt.
Schael: Was haben Geburtenstationen mit der Qualität der Sanität zu tun?
Wenig Verständnis für Pöders Kampfgeist haben aber nicht nur seine SVP-Landtagskollegen, sondern erst recht der Generaldirektor des Südtiroler Sanitätsbetriebs. Denn Thomas Schael hatte bereits am Tag davor bei einer Diskussionsrunde mit seinen Amtskollegen aus dem Trentino und Verona im Grand Hotel Trento klarer den je zuvor zum Ausdruck gebracht, dass ihm die Diskussion über die Geburtenstationen zum Hals heraushängt. „Basta con l’atteggiamento di chi pretende di misurare la qualità dei servizi sanitari dalla presenza (o meno) dei punti nascita sul territorio: è l’ultimo aspetto da prendere in considerazione, mentre pare il primo nell’agenda della politica locale. E pure di certi giornalisti“, wird der Südtiroler Sanitäts-Generaldirektor von Trentiner Medien zitiert. Zumindest von seinem Trentiner Amtskollegen Paolo Bordon erhielt er dafür volle Zustimmung. Während dieser sich über „unwürdige Leistungen“ der Geburtenstation in Cavalese ausließ, unterbrach Schael nostalgische Erinnerungen des Moderators an die geschlossene Geburtenstation in Sterzing. „Ich glaube nicht, dass ich meine Frau zur Geburt nach Sterzing gebracht hätte“, meinte Schael. „Denn dort mag es zwar einen gehobenen Hotel-Standard gegeben haben, doch ausschlaggebend sind Qualität und Sicherheit, für die es eine Mindestzahl an Geburten braucht.“ Gerade weil solche unpopuläre Entscheidungen schwierig von der Lokalpolitik getroffen werden könnten, sei es wichtig, dass hier die wissenschaftliche Community handle.
Grödner Unterschriften
Aus der Bevölkerung kommt dagegen auch in Gröden eine weitere Forderung an Gesundheitslandesrätin Martha Stocker. Der wurden am Freitag 5405 Unterschriften für die Wiedereinführung des Notarztdienstes übergeben, die von den Grödnern in den vergangenen Monaten gesammelt wurden. Hintergrund ist die Einstellung des Notarztdienstes durch Hausärzte im August 2015 infolge der Kündigung des bis dahin geltenden Landeszusatzvertrages der Allgemeinmediziner aufgrund der Anfechtung einer Hausärztegewerkschaft. Laut dem seitdem geltenden gesamtstaatlichem Kollektivertrag darf der Notfalldienst nur von "territorialen Notfallärzten" in Vollzeitbeschäftigung geleistet werden und ist somit mit der Tätigkeit des Hausarztes nicht vereinbar.
Stocker zeigte sich aber gestern beeindruckt, „wie stark sich die Bürgerinnen und Bürger für die Wiedereinführung des leider eingestellten Dienstes engagieren". Die Gewährleistung der peripheren Grundversorgung und die Weiterentwicklung bedarfsorientierter und wohnortnaher Dienste im Territorium sei für die gesundheitliche Versorgung in Südtirol nach wie vor ein übergeordnetes Ziel, betonte die Landesrätin gegenüber der Delegation aus Gröden. Einer Wiederaufnahme des Notarztdienstes durch Hausärzte stehen sowohl das Gesundheitsressort als auch die Hausärztegewerkschaften grundsätzlich positiv gegenüber, die Verhandlungen für den neuen Landeszusatzvertrag sind derzeit jedoch noch im Gange.